Schweizer Bischöfe bekennen «grosse Schuld» der Kirche

Die Bischöfe schliessen ihre Versammlung mit einem aussergewöhnlichen liturgischen Akt ab

Einsiedeln SZ, 3.6.10 (Kipa) Der Schritt war ungewöhnlich, der Ort nicht zufällig gewählt. Einer nach dem andern traten sechs Schweizer Bischöfe und zwei Äbte vor die Schwarze Madonna in der Einsiedler Gnadenkapelle und entzündete nach einer kurzen Fürbitte eine Kerze. Mit einem liturgischen Akt schlossen die Schweizer Bischöfe am Mittwoch, 2. Juni, ihre 288. ordentliche Versammlung am Wallfahrtsort Einsiedeln ab, deren Schwerpunkt der Umgang der Kirche mit sexuellen Übergriffen in der Seelsorge bildete.

Die Verschärfung der Richtlinien «Sexuelle Übergriffe in der Seelsorge» aus dem Jahr 2002 war nur die eine wichtige Entscheidung, die die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) der Öffentlichkeit am Mittwoch präsentierte. Das andere Ereignis war ein Eingeständnis von Schuld – vor Gott und den Menschen abgelegt an einer «Gnadenstätte». An einem Ort also, wo Menschen seit Jahrhunderten erfahren dürfen, «dass Gott den Menschen hört», wie der Bischof von Sitten und SBK-Präsident, Norbert Brunner, zu Beginn der Feier sagte.

Erinnerung an päpstliches Mea culpa

Zwei Stuhlreihen vor der Gnadenkapelle mit der Schwarzen Madonna im goldenen Strahlenkranz, die sich in der grossen Einsiedler Barockkirche befindet, waren für die Bischöfe reserviert. Dahinter hatten vielleicht 100 zufällig anwesende Gläubige und Pilger Platz genommen. Nicht jeder dürfte geahnt haben, dass das, was da vor sich ging, an das grosse Mea culpa von Johannes Paul II. vor zehn Jahren erinnerte.

Damals, am 12. März 2000, hatte der Vorgänger von Benedikt XVI. im Petersdom sieben Lichter entzündet und ein grosses Schuldbekenntnis gesprochen. Zu jeder Flamme liess er Verfehlungen beim Namen nennen, die im Lauf der Jahrhunderte von Christen im Namen des Glaubens begangen wurden – gegen die Kircheneinheit, gegen Minderheiten, gegen die Würde der Frau und vor allem gegen das Volk Israel.

Zu lange «verschwiegene» Schuld

Die Verfehlungen, für die die Schweizer Bischöfe jetzt um Vergebung baten, waren nicht im Namen des Glaubens begangen worden. Dennoch wiegt die Schuld schwer: «Grosse Schuld ist in unserer Zeit in der Kirche und auch in unseren Diözesen und Gemeinschaften bekannt geworden», leitete der Bischof Brunner die Fürbittgebete ein. Zu lange sei sie «verborgen» geblieben oder wurde sie «verschwiegen». «Es ist Schuld aus unterlassener Hilfe und nicht gewagtem Widerspruch», sagte er deutlich und verurteilte damit die kirchliche Vertuschungspraxis auf Kosten der Opfer. Er sprach nicht direkt von sexuellem Missbrauch durch Priester und Ordensleute.

Fürbitten für Opfer und Täter

Nach einem gemeinsamen «Kyrie eleison» – Herr erbarme Dich – sprachen acht Mitglieder der Bischofskonferenz je eine Fürbitte und betraten nacheinander und einzeln die Marienkapelle aus schwarzem Marmor.

In die Fürbitten hinein genommen wurden zunächst alle Opfer von sexuellem Missbrauch durch Priester und Ordensleute. «Lass sie deine heilende Nähe erfahren.» Aber auch die Täter und alle Getauften, «die von der Kirche enttäuscht sind und unsere Glaubensgemeinschaft verlassen». Nicht vergessen wurde auch die grosse Mehrheit von Priestern und Ordensleute, die sich nichts zuschulden kommen liessen «und ihre Berufung in grosser Treue leben».

Zum Abschluss gelobte Bischof Brunner, «wir sind bereit, unsere Verantwortung anzunehmen für Vergangen und Gegenwart (…), unser Denken, Wollen und Handeln aus dem Geist Jesu zu erneuern und an der Heilung der Wunden mitzuwirken».

Etwas lange hatten sie gebraucht, die Schweizer Bischöfe, bis sie gemeinsam an die Öffentlichkeit traten, während in verschiedenen Ländern der Missbrauchsskandal bedrohliche Ausmasse angenommen hatte und auch in der Schweiz immer mehr Fälle publik wurden. Mit ihrem Bekenntnis zu Schuld, ihrer Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und ihrem Bemühen, weitere Fälle von Missbrauch in Zukunft zu verhindern, haben sie nun einen soliden Grundstein für einen Neubeginn gelegt.

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(kipa/bal/ak)

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