Sitz der Vatikanbank IOR (rechts)
Vatikan

Zwischen Papst und Paten

Rom, 26.6.17 (kath.ch) «Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon», heisst es beim Evangelisten Matthäus. Die Vatikanbank IOR versucht sich trotzdem an diesem Spagat. Seit 75 Jahren und mit wechselhaftem Erfolg.

Joachim Heinz

Gute Zeiten, schlechte Zeiten – sie folgen nicht nur in TV-Serien mitunter dicht aufeinander. Soeben veröffentlichte die Vatikanbank ihren Jahresbericht. Demnach schloss das IOR 2016 nach einem mageren Vorjahresergebnis wieder mit einem deutlicheren Gewinn von 36 Millionen Euro ab. Der Ertrag soll dem Heiligen Stuhl zugeführt werden, dem höchsten Leitungsorgan der katholischen Kirche.

Drei Monate vor Bekanntgabe dieser Eckdaten hatte sich – nicht zum ersten Mal – die Justiz mit dubiosen Transaktionen am «Istituto per le Opere di Religione» (»Institut für die religiösen Werke») zu beschäftigen. Ein Gericht in Rom verurteilte zwei Banker wegen Verstosses gegen Anti-Geldwäsche-Vorschriften zu mehrmonatigen Haftstrafen.

Immer wieder kriminelle Machenschaften

Es waren dies bei weitem nicht die grössten Schlagzeilen der Bank, die vor 75 Jahren, am 27. Juni 1942, per Verwaltungsentscheid von Papst Pius XII. gegründet wurde. Aber sie illustrieren doch Soll und Haben in der Geschichte des Instituts, das durch umsichtiges Wirtschaften die «religiösen Werke» der Kirche fördern soll. Und doch immer wieder in die Nähe krimineller Machenschaften geriet.

Ein Grund dafür war die lange Zeit eher undurchschaubare Konstruktion des Bankhauses, das hinter dicken Mauern in einem alten Festungsturm in Sichtweite des Apostolischen Palastes residiert. Mitten im Zweiten Weltkrieg musste der Papst ein besonderes Interesse daran haben, seine Finanzen vor dem Zugriff der faschistischen Regierung in Italien zu schützen.

Die positiven Seiten mangelnder Kontrolle

Zum Segen geriet die mangelnde Kontrolle später beispielsweise auch für die Menschen in Polen und auf Kuba, wie der Vatikan-Kenner und Jesuit Thomas J. Reese berichtet. So seien die polnische Kirche und die Gewerkschaft Solidarnosc weiter in den Genuss von Zuwendungen des Heiligen Stuhls gekommen, als der damalige Ministerpräsident Wojciech Jaruzelski 1981 das Kriegsrecht über sein Land verhängte. Und nach Kuba habe man Gelder über die Vatikanbank sogar aus den Vereinigten Staaten transferieren können – obwohl die USA ein Wirtschaftsembargo gegen den Karibikstaat verhängt hatten.

Praktischen Nutzen entfaltet die Bank laut Reese immer noch etwa für Orden oder Wohlfahrtsverbände, die in mehreren Ländern tätig sind und Gelder in kleineren und schwächeren Landeswährungen nicht ständig bereithalten können oder wollen.

Verhängnisvolle Personalentscheidung

Seine Schattenseiten offenbarte das Institut laut Publizist Corrado Augias Ende der 60er-Jahre, als die italienische Regierung festlegte, «dass nach Jahrzehnten kompletter Steuerbefreiung die Aktiendividenden des Heiligen Stuhls zu besteuern seien». Der Vatikan versuchte daraufhin, Depots ins Ausland zu verlagern. Paul VI. traf eine im Nachhinein verhängnisvolle Personalentscheidung. Er übertrug 1971 Paul Marcinkus die Leitung der Vatikanbank, die dieser bis 1989 innehatte.

Die Meinungen über den aus den USA stammenden Erzbischof gehen auseinander. Das Spektrum reicht von naiv bis kriminell. Tatsache ist, dass die Bilanz des Geistlichen verheerend ausfiel. Unter dem Strich verlor das IOR Millionen, manövrierte sich durch Kontakte zur organisierten Kriminalität und den Zusammenbruch der Banco Ambrosiano 1982 an den Rand des Abgrunds. Wohl ewig in Erinnerung bleiben wird ein an der Blackfriars Bridge in London baumelnder Bankier Roberto Calvi, Chef der Banco Ambrosiano, sowie die daran angelehnte Episode in Francis Ford Coppolas Mafia-Epos «Der Pate III».

Grosses Reinemachen beginnt unter Benedikt XVI.

Bis heute sind die Vorgänge nicht lückenlos aufgeklärt; Reformen wurden erst nach Marcinkus’ Abgang in Angriff genommen – zunächst zögerlich. Oft half dabei Geld- und höherer Adel aus Deutschland. So wie der legendäre Chef der Deutschen Bank, Herrmann Josef Abs.

Das eigentliche Grossreinemachen begann mit Benedikt XVI. und dem aktuellen Papst Franziskus. An die 5000 zweifelhafte Konten wurden stillgelegt. 2013/2014 übernahm Ernst von Freyberg die IOR-Präsidentschaft. Seit kurzem sitzt Georg Freiherr von Boeselager im Verwaltungsrat der Bank. «Ich bin bisher positiv überrascht», sagte er im Februar der «Zeit». «Ich habe nicht den Eindruck, dass da noch etwas unter den Teppich gekehrt wird.» (kna)

Sitz der Vatikanbank IOR (rechts) | © Oliver Sittel
26. Juni 2017 | 17:08
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