Die Statue der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, beim ökumenischen Gottesdienst zum Ende der Steinkohlenförderung 2018 im Essener Dom.
Schweiz

Zum Barbara-Tag: Warum die «Option für die Armen» essentiell ist

Heute ist Barbara-Tag. Der Namenstag erinnert an die Heilige Barbara. Sie ist eine der 14 Nothelfer. Was das bedeutet, erklärt eine prominente katholische Barbara: Dogmatik-Professorin Barbara Hallensleben.

Raphael Rauch

Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag, Frau Professorin! Warum haben Ihre Eltern Sie Barbara genannt?

Barbara Hallensleben: Meine Mutter kommt aus Schlesien, wo die Heilige Barbara wegen der dortigen Bergbautradition sehr verehrt wird. Ihre Schwester, die zugleich meine Patentante ist, trägt den Namen Barbara. Er wird so in der Familientradition weitergegeben.

Barbara Hallensleben zeigt das Geschenk der Universität Freiburg für Patriarch Bartholomaios I.
Barbara Hallensleben zeigt das Geschenk der Universität Freiburg für Patriarch Bartholomaios I.

Was verbinden Sie mit Ihrem Namen?

Hallensleben: Für eine Theologin ist der Name Barbara ein reiches Symbol und ein Auftrag: Eigentlich ist Barbara ja verwandt mit dem Ausdruck barbarisch und bezeichnet den Mangel an Bildung und Kultur in einer zivilisierten Umgebung. Schon frühe Legenden kehren diese Bedeutung um: Barbara erscheint nur deshalb als unzivilisiert, weil sie die höchste Kultur der christlichen Verkündigung bezeugt, die in dieser Welt immer fremd und unverstanden bleibt. Das könnte in unserer Welt wieder neu zur Situation der Christen werden.

Die Heilige Barbara – hier der Ausschnitt eines Flügelaltars von Bertold von Nördlingen, Landesmuseum Darmstadt.
Die Heilige Barbara – hier der Ausschnitt eines Flügelaltars von Bertold von Nördlingen, Landesmuseum Darmstadt.

Wofür steht die Heilige Barbara?

Hallensleben: Barbara in ihrem Turm bezeichnet eher die kontemplative Seite der Theologie, die zunächst das Geheimnis Gottes selbst erkennt und betrachtet und deshalb anderen weitergeben kann. Das passt gut zur dominikanischen Tradition der theologischen Fakultät in Freiburg. In der Berufung der Dominikaner geht es ja darum, das in der Kontemplation Erkannte anderen weiterzugeben (»contemplata aliis tradere»). Ganz einfach gesagt: Barbara als Patronin der Bergleute steht für eine tiefschürfende Arbeit, die mit grosser Anstrengung und einem gewissen Risiko verbunden ist!

Patriarch Bartholomaios I. erhält ein Geschenk der Universität Freiburg.
Patriarch Bartholomaios I. erhält ein Geschenk der Universität Freiburg.

Die Heilige Barbara ist eine der 14 Nothelfer. Wie kann man die in Corona-Zeiten modern deuten?

Hallensleben: Die Namen der Nothelfer sind leicht aufgezählt: Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christophorus, Cyriacus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margareta, Pantaleon, Vitus (Veit). Alle haben in der Frühzeit des Christentums gelebt, quasi alle sind Märtyrer. Das online zugängliche Heiligen-Lexikon ist sehr zu empfehlen. Ihre Zusammenstellung als Gruppe von «Nothelfer-innen» erfolgte erst im späten Mittelalter, als die Christen immer mehr spürten: Wir sind nicht nur Empfänger der Gnade Gottes, sondern wir wirken auch mit, vor allem indem wir – wie Gott selbst – uns den Armen und Notleidenden zuwenden.

Patronin des Bergbaus: die Heilige Barbara. Hier Tunnelchef Jens Classen beim Gotthard-Durchstich im September 2006.
Patronin des Bergbaus: die Heilige Barbara. Hier Tunnelchef Jens Classen beim Gotthard-Durchstich im September 2006.

Zum Beispiel?

Hallensleben: Jeder Heilige ist für eine ganz konkrete Not zuständig: Christophorus für sicheres Weggeleit, Blasius für die Heilung von Halskrankheiten, Ägidius schützt unter anderem die stillenden Frauen etc. Gottes Beistand ist immer konkret in unserem Leben erfahrbar. Ein kleiner Merkvers hebt die drei Frauen anhand ihres jeweiligen Martyriums hervor: «Margareta mit dem Wurm (Drachen), Barbara mit dem Turm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei Madl» (unter den Nothelfer-innen).

Sind die Nothelfer auch heute noch aktuell?

Hallensleben: Natürlich sind die Nothelfer-innen heute besonders aktuell: Die Kirche ist durch die Umstände der Zeit aufgerufen, selbst eine Nothelferin zu werden und in diakonischer Weise Jesus Christus nachzufolgen. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils wurde vermehrt von der «Option für die Armen» gesprochen. Wenn die Kirche heute diese Hinwendung zu den Notleidenden – und das sind am Ende alle sterblichen Menschen – nicht vollzieht, dann verleugnet sie das Evangelium.

Barbara-Pudding ist eine Speise aus Weizenkörnern, Gewürzen, Rosinen und Nüssen. Hier ein Foto aus Jerusalem.
Barbara-Pudding ist eine Speise aus Weizenkörnern, Gewürzen, Rosinen und Nüssen. Hier ein Foto aus Jerusalem.

Deshalb folgt auch bald nach dem Barbara-Tag das Fest des Heiligen Nikolaus, der für die Menschenfreundlichkeit Gottes steht und hilft und rettet, sogar wo die Lage aussichtslos scheint. Wir leben – über das Kirchenjahr hinaus – in einer Zeit des Advents, in einer dunklen Zeit, die eine grosse Hoffnung braucht und niemanden in Isolation und Angst allein lassen darf.

Barbara Hallensleben ist Professorin für Dogmatik und Theologie der Ökumene an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg. Sie ist Konsultorin des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und Mitglied einer Kommission zum Frauendiakonat.


Die Statue der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, beim ökumenischen Gottesdienst zum Ende der Steinkohlenförderung 2018 im Essener Dom. | © KNA
4. Dezember 2020 | 05:56
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Wer war die Heilige Barbara?

Sie ist eine der populärsten Heiligen. In vielen Kalendern ist der 4. Dezember als Namensfest der heiligen Barbara besonders ausgewiesen. Gärtnereien und Blumengeschäfte profitieren vom Brauchtum des Barbaratags. Allerdings ist die historische Existenz der Heiligen ziemlich unsicher. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist der Tag deshalb nicht mehr im offiziellen Festkalender der katholischen Kirche aufgeführt. Was Legende ist und was Realität, lässt sich kaum trennen.

Die Tochter des reichen griechischen Kaufmanns Dioskoros lebte der Legende nach in Nikomedia, dem heutigen Izmit in der Türkei. Im Jahr 306 starb sie angeblich den Märtyrertod. Viele Erzählungen ranken sich um Barbara: So soll sie von ihrem heidnischen Vater in einen Turm eingeschlossen worden sein, weil er über seine bildschöne junge Tochter eifersüchtig wachte und eine Heirat verhindern wollte. Während der Vater auf Reisen war, liess Barbara sich heimlich taufen und liess in ihrem Turm drei Fenster als Symbol des dreieinen Gottes anbringen.

Auf der Flucht soll Barbara durch eine Bergspalte entkommen sein und Unterschlupf bei einem Hirten gefunden haben, der sie schliesslich verriet. Ihr Vater soll sie dem Gericht überantwortet und dann selbst enthauptet haben, um anschliessend von einem Blitzschlag getroffen zu werden. Deshalb wird Barbara mit dem Blitz in Verbindung gebracht, bei Stürmen werden Gebete an sie gerichtet. Aus demselben Grund ist sie die Schutzheilige der Artillerie und vor allem der Bergleute. Sie wird auch angerufen für eine «gute Sterbestunde» und trägt neben dem Turm als Symbol oft einen Kelch mit der Eucharistie in der Hand.

Ihr Bildnis wurde früher häufig auf Waffenlagern und Pulvermagazinen aufgestellt. Dargestellt wird die Heilige ausserdem mit dreifenstrigem Turm, Kelch, Hostie, Schwert oder Fackel. Mit letzterer deshalb, weil Barbara vor ihrer Verurteilung mit brennenden Fackeln gefoltert worden sein soll.

Seit dem Mittelalter gehört die Heilige auch zu den 14 Nothelfern und wird besonders zum Schutz vor jähem Tod und als Beistand der Sterbenden angerufen. Wegen ihrer Flucht durch eine Felsspalte wird sie auch als Schutzheilige der Bergleute verehrt.

Der Barbara-Tag ist vor allem seit dem 17. Jahrhundert in Europa mit besonderen Bräuchen verbunden, die zum Beginn der Adventszeit passen: Am 4. Dezember werden Weiden-, Kirschbaum- oder Forsythienzweige im Garten geschnitten, um sie in einem Krug mit Wasser treiben zu lassen, so dass die Blütenknospen zu Weihnachten aufbrechen. Blüten im tiefen Winter symbolisieren das neue Leben, das mit der Geburt Jesu Christi beginnt. (kna)