Bildnis Gottes in einer russisch-orthodoxen Darstellung
Schweiz

Zürichs Reformierte wollen Gott literarisch auf den Grund gehen

Zürich, 15.7.18 (kath.ch) Was ist heute Gott? Die Reformierte Landeskirche Zürich will es wissen und schreibt darum im Rahmen des Zürcher Reformationsjubiläums eine literarische Preisfrage aus. kath.ch befragte die Projektleiterin Friederike Osthof nach dem Ziel des Wettbewerbs.

Georges Scherrer

Die reformierte Kirche Zürich hat den literarischen Wettbewerb «Was fehlt, wenn Gott fehlt?» ausgeschrieben. Was werden Sie oder vielmehr die Jury mit Texten machen, welche als reformatorisches Experiment eine christliche Tradition ohne Gott beschreiben – sofern das überhaupt möglich ist?

Friederike Osthof: Wir werden diese Texte lesen, wie wir alle Texte lesen werden, die eingegeben werden. Und wir werden sie, wie alle anderen auch, mit grosser Neugier lesen, weil wir gespannt sind, wie und auf welche Art die hoffentlich unterschiedlichsten Menschen die Preisfrage beantworten.

«Die Frage nach Gott ist immer mit der Frage nach sich selber verbunden.»

Ob es möglich ist, die christliche Tradition ohne Gott neu zu formulieren, muss sich erweisen. Wenn wir das schon im Voraus wüssten, müssten wir keine Preisfrage ausschreiben.

Die reformierte Kirche bemüht die literarische Feder. Hat dies damit zu tun, dass die Theologen heute nicht beschreiben können, was Gott ist?

Osthof: Mit der Frage, wer Gott ist, beschäftigen sich die Menschen, seit es die Vorstellung von Gott gibt. Weil die Frage nach Gott immer mit der Frage nach sich selber verbunden ist, muss sie auch immer wieder neu und aktuell beantwortet werden.

«Anregungen von ausserhalb sind für Insider und Profis immer willkommen.»

Die Ausweitung auf das literarische Gebiet verdankt sich nicht einem Misstrauen gegenüber Theologen und Theologinnen, die sich hoffentlich zahlreich beteiligen werden. Sie verdankt sich der Neugier darüber, wie diese Frage ausserhalb des theologischen Feldes beantwortet wird.

Nach reformiertem Verständnis sollen sich ja gerade alle mit theologischen Fragen beschäftigen. Zudem sind Überlegungen und Anregungen von ausserhalb für Insider und Profis immer willkommen, weil sie die gesellschaftliche Realität auf andere Art widerspiegeln und einen auf neue Gedanken bringen können.

«Ich kann Sie beruhigen: Gott braucht keine Werbung.»

Für den Wettbewerb können ganz unterschiedliche Textformen eingesandt werden: Essay, Szene, Songtext, Rap, Story, Gedicht, grosse Kolumne – und auch ein Slogan. Ist der Wettbewerb ein Werbeanlass für Gott?

Osthof: Ich kann Sie beruhigen: Gott braucht keine Werbung. Gott braucht auch keinen Wettbewerb. Der ist für die, die sich die Frage stellen, wie sie mit der An- und Abwesenheit Gottes umgehen können und sollen.

Das Preisgeld beträgt insgesamt 10’000 Franken. Genügt diese Summe, um Gott zu erfassen?

Osthof: Gott zu erfassen, war noch nie eine Frage des Geldes. Das Geld ist für diejenigen, die es sich mit tollen Texten redlich verdienen. Ob diese Texte Gott erfassen, weiss ich nicht. Ich vermute, dass sie sich dem Geheimnis Gott auf ihre poetische, philosophische oder theologische Art nähern.

«Wir wollen nicht im Historischen stecken bleiben, sondern uns dem heutigen Reformieren zuwenden.»

Vermutlich wird eine breite Palette an Texten eingereicht werden und damit ein reicher Fundus an Antworten und Ideen vorliegen. Sie veröffentlichen drei Texte im Theologischen Verlag Zürich (TVZ) und weitere in der «Neuen Zürcher Zeitung». Ist auch vorgesehen, dass eine breitere Auswahl an Texten über das Internet oder für die Religionspädagogik zugänglich sein wird?

Osthof: Wie viele der Texte im Theologischen Verlag veröffentlicht werden, ist offen. Das hängt auch von der Anzahl und Qualität der Eingaben ab. Da die Texte und ihre Erkenntnisse in der kirchlichen und weiteren Öffentlichkeit diskutiert werden sollen, werden wir dafür sorgen, dass sie dieser Öffentlichkeit auch auf geeignete Weise zur Verfügung stehen.

Wie gliedert sich der Wettbewerb in das Zürcher Reformationsjubiläum ein?

Osthof: Die Preisfrage ist Teil des Zürcher Reformationsjubiläums. Mit ihr wollen wir nicht im Historischen stecken bleiben, sondern uns dem heutigen Reformieren zuwenden. Darum suchen wir Personen, die – mutig und radikal wie die Reformatoren damals – Gott auf der Spur bleiben und für ihn überraschende Bilder und eine vielfältige Sprache finden.

Bildnis Gottes in einer russisch-orthodoxen Darstellung | © pixabay falco CC0
15. Juli 2018 | 16:02
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Der Wettbewerb

Im Rahmen des Zürcher Reformationsjubiläums schreibt die Reformierte Landeskirche eine Preisfrage aus. Sie lautet: «Was fehlt, wenn Gott fehlt?» Gesucht sind Menschen, die mutig «wie die Reformatoren vor 500 Jahren» Gott auf der Spur bleiben. Einsendeschluss ist der 1. Januar 2019.