Bischof Joseph Bonnemain und Peter Henrici
Schweiz

Wieso sechs Zürcher Spitzengeistliche in Walterswil konzelebrieren

Sechs Exponenten der Zürcher Kirche konzelebrieren am Sonntag im Weiler Walterswil bei Baar. Das hat seinen Grund: Seit ihre Vorgänger 1900 ein Kinderheim eröffnet haben, sind die Zürcher eng damit verbunden. Jetzt feiern sie ein Jubiläum.

Regula Pfeifer

Es ist ein «Who is who» der Zürcher Geistlichen am Sonntag in Walterswil. Bischof Joseph Maria Bonnemain, der emeritierte Weihbischof Peter Henrici, der emeritierte Generalvikar Josef Annen und Generalvikar Luis Varandas werden in der Kirche konzelebrieren. Am Altar mitwirken werden auch Pfarrer René Berchtold von der Zürcher Kirche Peter und Paul und Franziskanerpater Christoph Maria Hörtner, der in Zürich priesterliche Dienste leistet.

Josef Annen
Josef Annen

«Die meisten Priester aus Zürich lesen hier die Messe.»

René Zihlmann, Stiftungsratspräsident

«Die meisten Priester aus Zürich lesen hier die Messe», sagt René Zihlmann, Präsident der Stiftung Don Bosco Walterswil. Zihlmann ist auch Vorvorgänger der Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding und Ex-Stiftungsratspräsident der Paulus-Akademie.

Die Stiftung Don Bosco Walterswil feiert am Sonntag das 50-Jahr-Jubiläum. «Seit 50 Jahren dürfen wir die wunderschöne Anlage Walterswil verwalten», sagt Zihlmann. Einer seiner Vorgänger im Stiftungsratspräsidium war der kürzlich verstorbene Zürcher Pfarrer Franz Stampfli.

Heim für katholische Zürcher Kinder

Der Grund für die Prominenz ist historisch begründet. 1900 kaufte das Zürcher Priesterkapitel das Anwesen und eröffnete ein Kinderheim. «Die Zürcher Priester wollten nicht, dass katholische Kinder in ein reformiertes Waisenheim kommen», sagt Zihlmann. Sie gründeten in Walterswil ein katholisch geführtes «Kinderasyl», in dem bald schon 100 Zürcher Kinder – mehrheitlich im Schulalter – wohnten und zur Schule gingen.

René Zihlmann ist unterwegs für die Stiftung Don Bosco Walterswil
René Zihlmann ist unterwegs für die Stiftung Don Bosco Walterswil

Unter den ihnen befanden sich auch Halbwaisen und «Illegitime» (also uneheliche Kinder) sowie Kinder aus zerrütteten Familien. Das steht im Buch «Ort der Heilung, Ort der Bildung – Die Geschichte von Walterswil bei Baar», das die Stiftung zum Jubiläum herausgegeben hat. Die Kinder besuchten die obligatorische Schule. Betreut, unterrichtet und ernährt wurden sie von den Benediktinerinnen des Klosters Heiligkreuz in Cham.

«Die Priester hatten eine seelsorgerliche Absicht», sagt Zihlmann. Es sei ihnen nicht primär um ihren beruflichen Nachwuchs gegangen, beantwortet er eine entsprechende Frage. Dieser sei an den Gymnasien der Umgebung gefördert worden.

«Bisher sind keine Hinweise auf sexuelle Übergriffe zutage gekommen.»

René Zihlmann

Die Klosterschule war streng, wie Zihlmann aus den Forschungen zum Buch erfuhr. «Aber bisher sind keine Hinweise auf sexuelle Übergriffe zutage gekommen», sagt er. Dabei habe er die Forschenden ermutigt, auch Negatives aus den Quellen aufzugreifen.

Drei Schülerinnen des Internats Walterswil, 1953
Drei Schülerinnen des Internats Walterswil, 1953

Vom Heim übers Internat zur Expat-Privatschule

Aus dem Kinderheim wurde 1955 ein katholisches Internat. Dieses wurde Mitte 1997 geschlossen. «Die erforderliche Anstellung von entlöhnten Lehrpersonen war zu teuer», sagt Zihlmann. Kurz darauf zog die englischsprachige International School of Zug and Luzern in Walterswil ein, als Mieterin. «Die Expats sind jeweils hell begeistert, wenn sie sehen, wo ihre Kinder zur Schule gehen werden», sagt Zihlmann.

Die Privatschule kostet Eltern zwischen 25’000 und 35’000 Franken jährlich, wie auf der Webseite zu erfahren ist. Ein Angebot für Wohlhabende also. Doch das Ziel, benachteiligte Kinder zu unterstützen, will die Stiftung Don Bosco Walterswil weiterhin im Auge behalten. In Zukunft wolle sie die katholischen Schulen im Kanton Zürich finanziell unterstützen, sagt Zihlmann. Das ist als Stiftungszweck auch so festgehalten.

René Zihlmann erzählt aus der Geschichte des Kinderheims Walterswil.
René Zihlmann erzählt aus der Geschichte des Kinderheims Walterswil.

Die 1992 gegründete Stiftung ist nach dem heiligen Don Bosco (1815 – 1888) benannt, der in Turin als legendärer Jugendseelsorger und Ordensgründer wirkte. Die Stiftung bewahrt – wie ihre Vorgängerorganisation – das Kulturgut von Walterswil.

Das Anwesen umfasst drei denkmalgeschützte Bauten, darunter eine Kirche, sowie eine Schulanlage mit Wiesen und Wald. Und die Stiftung sorgt dafür, dass in Walterswil regelmässig Gottesdienste stattfinden, die laut dem Stiftungsratspräsidenten gut besucht sind. «Das ist eine edle Aufgabe», so Zihlmann.

Hier führten die Zürcher Priester ein Kinderheim: Walterswil bei Baar
Hier führten die Zürcher Priester ein Kinderheim: Walterswil bei Baar

Walterswil sei kein Investitionsobjekt der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, verneint Zihlmann eine entsprechende Frage. Die Anlage schreibe schwarze Zahlen, habe aber nach dem Neubau eines Schulgebäudes Abschreibungsbedarf. Zudem müsse laut naturschützerischer Vorgabe demnächst ein Bach freigelegt werden – eine erneut teure Angelegenheit. «Die Zürcher Katholikinnen und Katholiken haben uns immer wieder finanziell unterstützt», sagt Zihlmann.

Walterswil hat eine Vorgeschichte: Es war Pilgerort und Badeheilanstalt – und gehörte zeitweise dem Zisterzienserkloster Wettingen. Da badeten nicht nur normal Sterbliche, sondern auch die Mönche –  je in Einzelbadewannen, wie dem Buch zu entnehmen ist.

Die Don Bosco Wallfahrtskirche Walterswil mit der Madonna (links)
Die Don Bosco Wallfahrtskirche Walterswil mit der Madonna (links)

«Noch heute ist Walterswil ein regionaler Wallfahrtsort», sagt Zihlmann. Zur rund 500-jährigen Madonnenstatue in der Kirche pilgern Gläubige weiterhin. Die Leute würden ihre Gebetsanliegen vorbeibringen, weiss der Stiftungsratspräsident. Und aus den Gottesdienstbesuchenden und den Zürcher Geistlichen sei eine Glaubensgemeinschaft entstanden. «Man trifft sich regelmässig und kennt sich», sagt Zihlmann.

Der Festgottesdienst «50 Jahre Stiftung Don Bosco Walterswil» findet am Sonntag um 10 Uhr statt – «aus Platzgründen mit den traditionellen Gottesdienstbesuchenden und einigen Gästen, die mit der Kirche Walterswil besonders verbunden sind», heisst es in der Einladung. Es folgen ein Apero und ein Festprogramm im Zelt.

Buchhinweis: «Ort der Heilung, Ort der Bildung. Die Geschichte von Walterswil bei Baar», von Ruth Wiederkehr, Philippe Bart, Alfred Borter und René Zihlmann, Kalt Medien, 2022.

Exkursion nach Walterswil

Die Volkshochschule Zürich bietet am 8. Oktober eine Exkursion nach Walterswil an. Dies unter dem Titel «Heilbad, Kinderheim, International School: Walterswil bei Baar».


Bischof Joseph Bonnemain und Peter Henrici | © Arnold Landtwing
13. August 2022 | 17:15
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