Umfrage zu kirchlichen Berufen: Jugend will glaubwürdige Kirche

Luzern, 14.5.16 (kath.ch) Wie attraktiv ist die katholische Kirche als Arbeitgeber für junge Menschen? Die Verantwortlichen wollten es von Jugendlichen selber wissen und starteten eine Umfrage. Die Resultate zeigen überraschende und positive Ergebnisse, aber auch klare Erwartungen (siehe Text rechts). Ist das Nachwuchsproblem in der Kirche damit gelöst? Dies wollte kath.ch von Thomas Leist, Leiter der Informationsstelle kirchliche Berufe (IKB) wissen.

Martin Spilker

Thomas Leist, entspricht das Ergebnis der Umfrage Ihren Erwartungen?

Thomas Leist*: Ja, durchaus. Man erkennt in den Resultaten deutlich die verschiedenen kirchlichen «Räume», in denen sich Jugendliche bewegen. Es haben ja vor allem junge Leute geantwortet, die sich bereits in der Kirche in unterschiedlichen Gruppen engagieren oder beteiligen. Das Ergebnis deckt sich denn auch stark mit meinen Erfahrungen aus der Praxis. Allerdings war die Hürde bei dieser Umfrage ungleich höher als beispielsweise bei der Plakatkampagne «Jesus ist…», wo auch spontane Äusserungen möglich waren.

Die wichtigsten Aussagen zu dem, was Kirche aus Sicht der jungen Leute bieten soll, sind Gemeinschaft und Glaubwürdigkeit. Finden das junge Leute heute in den Pfarreien vor?

Leist: Berufe in der Kirche sind ja hauptsächlich Tätigkeiten mit Leitungsaufgaben. Von da her stellt sich die Frage eigentlich anders. Es geht nicht zuerst darum, ob jemand diese sehr bedeutenden Werte vorfindet, sondern ob bei einem selber die Bereitschaft besteht, diese in einer Pfarrei, einer Gemeinde auch verwirklichen zu wollen. Aus Sicht künftiger kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt sich also die Frage: Will und kann ich mich für Gemeinschaft und Glaubwürdigkeit einsetzen? Denn das ist eine Voraussetzung, um in der Kirche tätig zu sein.

Will und kann ich mich für Gemeinschaft einsetzen?

Das tönt nach einer hohen Hürde für einen Berufseinstieg. Wie steht es um das Interesse, die Nachfrage an kirchlichen Berufen heute?

Leist: Zu der hohen Hürde: Kirchliche Berufe werden in einem Lebensabschnitt gewählt, in dem die jungen Menschen bereits erste Berufs- oder Studienerfahrung mitbringen. Dem Interesse für einen kirchlichen Beruf liegt also eine gut abgewägte Entscheidung für eine neue berufliche Ausrichtung und Tätigkeit zugrunde.

Momentan haben wir bei der IKB wieder mehr Anfragen und Beratungen, vor allem bei den Berufen Religionspädagoge und Sakristan. Letzteres ist eine Tätigkeit, die übrigens oft vergessen geht, wenn von kirchlichen Berufen die Rede ist. Eher geringer ist die Nachfrage für den Beruf des Pastoraltheologen, der Pastoraltheologin.

Das wäre aber doch gerade ein Beruf, der viel Entwicklungsraum offen lässt.

Leist: Das stimmt, aber das Berufsbild des Pastoralassistenten, der Pastoralassistentin ist unklar. Viele junge Leute wissen nicht, was bei dieser Tätigkeit zu tun ist. Kommt dazu, dass dieser Beruf ein abgeschlossenes Theologiestudium erfordert. Für Leute, die einen Zweitberuf wählen, die vielleicht schon Familie oder andere Verpflichtungen haben, kommt das kaum mehr in Frage.

Die Universität Luzern bietet doch neu ein Fernstudium in Theologie an.

Leist: Ja, aber die Anforderungen, damit auch der Aufwand, bleiben die gleichen. Ein volles Studium neben der Arbeit oder Verantwortung in der Familie zu meistern, ist eine sehr grosse Anstrengung. – Ich weiss nicht, ob ich das geschafft hätte!

Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse der Umfrage für Ihre Arbeit als Leiter der Informationsstelle kirchliche Berufe?

Leist: Zuerst einmal ist es eine Ermutigung für unsere Tätigkeit. Die grosse Anzahl Rückmeldungen freut mich sehr und die differenzierten Antworten geben uns die Möglichkeit, unsere Arbeit in der Information und Beratung zu justieren. Ich denke hier besonders an die Aussagen zur Glaubwürdigkeit. Wichtig ist aber genauso, dass die Ergebnisse nun in den Pfarreien, konkret in den Pfarreiräten, diskutiert werden. Denn von dort aus können positive Zeichen an junge Leute gesandt werden.

Differenzen schlagen sich sofort auf das Bild der Kirche nieder

Immer wieder diese Glaubwürdigkeit. Was hat es damit auf sich?

Leist: Die starke Betonung der Glaubwürdigkeit als Grundlage für eine kirchliche Tätigkeit ist ein Signal, gerade auch an die Leitung der katholischen Kirche, die Schweizerische Bischofskonferenz. Denn wenn es innerhalb der Kirche Differenzen gibt, die nach aussen dringen, dann ist das ein Ärgernis. Es schlägt sich aber auch unmittelbar auf das Bild der Kirche als mögliche Arbeitgeberin nieder. So wirkt kirchliches Personal nach aussen unglaubwürdig.

A propos Differenzen: Die Theologiestudentin Jacqueline Straub, die nach eigenen Aussagen erste katholische Priesterin werden will, ist in den Medien sehr präsent. Hat dies Auswirkungen auf die Nachfrage nach kirchlichen Berufen, speziell bei Frauen?

Leist: Nein, das stelle ich nicht fest. Ich stehe diesem Ansatz auch kritisch gegenüber. Hier wird eine Tätigkeit in der Kirche über Mängel beurteilt. Konkret der Mangel, dass eine Frau in der katholischen Kirche nicht geweihte Priesterin werden kann. Das Priestertum wird dabei aber auf die Weihe und ein Amt reduziert. Der Begriff Priester jedoch, wie ihn schon Martin Luther definierte, meint zuerst das Handeln zwischen Gott und den Menschen. Das steht allen offen, die in der Kirche tätig sind, Männern und Frauen. Und das wird ja in allen Pfarreien auch entsprechend ausgeübt. Zudem wäre es meiner Ansicht nach ein sehr einschränkendes Bild von Kirche, wenn die Tätigkeit in der Seelsorge allein vom Amt abhängig gemacht würde. (ms)

* Der Theologe Thomas Leist ist seit 2011 in einem halben Pensum Leiter der Arbeitsstelle Information kirchliche Berufe mit Sitz in Luzern. Zudem leitet er zusammen mit seiner Frau Petra Leist die Pfarrei Birmensdorf ZH.

Kirche Schweiz sucht verstärkt das Gespräch mit der Jugend

Jugendseelsorge | © Andrea Neuhold zVg
14. Mai 2016 | 11:15
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Trost, Halt und Offenheit

Im Rahmen des Projekts Chance Kirchenberufe wurde auf Pfingsten hin eine breite Befragung unter dem Titel «Was will ich?» durchgeführt. An der Umfrage haben über 500 Jugendliche und junge Erwachsene teilgenommen. Die Resultate sind übersichtlich zusammengefasst unter www.was-will-ich.ch zu finden. Die Umfrage kann auch weiterhin ausgefüllt werden.

Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) in St. Gallen hat eine erste Auswertung der Befragung durchgeführt und stellt fest, dass Jugendliche und junge Menschen in der Kirche zuerst nach Gemeinschaft suchen. Gefragt sind nicht Experimente und Abenteuer, sondern «eine Kirche, die Trost und Halt gibt, aber auch offen ist für verschiedene Meinungen und Ansichten», schreibt Urs Winter-Pfändler vom SPI in einem Kurzkommentar zur Umfrage. Kirche werde mit Religiosität, Spiritualität und sozialem Engagement verbunden.

Der Begriff, der in den Antworten im Zentrum steht, ist die Glaubwürdigkeit der Kirche. Glaubwürdigkeit sei das «Herzstück jeder sinn- und werteorientierten Organisation» schreibt Winter-Pfändler weiter. Und das erfordere, wie die Aussagen vieler Jugendlicher gezeigt hätten, von Seiten der Kirche Offenheit in vielerlei Hinsicht. (ms)