Wegen Gewalt sagen ägyptische Kirchen Sommeraktivitäten ab

Kairo/Rom, 17.7.17 (kath.ch) Wieder wurde Gewalt gegen Ägyptens koptische Gemeinschaft ausgeübt: In Alexandria attackierte am Samstag ein Angreifer einen Sicherheitsmann vor einer koptischen Kirche mit einem Messer. Angesichts der andauernden prekären Sicherheitslage haben Ägyptens christliche Kirchen beschlossen, ihre Sommeraktivitäten für den Monat Juli ganz abzusagen.

Die Kirche war bereits im Jänner 2011 Ziel eines schweren Terroranschlages mit vielen Toten und Verletzten geworden. Der Securityman der Al-Qiddissine-Kirche in Alexandria hatte am Samstag laut Medienberichten die Tasche des 24-jährigen Muslims kontrollieren wollen, der in die Kirche hineingehen wollte. Der Mann stach ihm daraufhin laut Medienberichten in den Nacken, dem Wachposten gelang es allerdings, den Angreifer zu überwältigen.

Patriarch sagt öffentliche Veranstaltungen ab

Erst vor wenigen Tagen hatte es noch Warnungen gegeben, dass es in Ägypten neuerlich zu Angriffen auf christliche Kirchen kommen könne. Patriarch Tawadros II. hatte daraufhin alle Versammlungen auf öffentlichen Plätzen vor Kirchen und Klöstern sowie Konferenzen und öffentliche Kundgebungen abgesagt, wie «Radio Vatikan» am Montag berichtete.

An Palmsonntag hatte ein schwerer Doppelanschlag die koptische Gemeinschaft erschüttert: Islamisten verübten Sprengstoffattentate auf die Markus-Kathedrale von Alexandria und die Georgs-Kirche von Tanta. Im Mai waren 29 christliche Pilger in einem Bus von Terroristen des Islamischen Staates getötet worden.

Angriffe auch auf Touristen verschärfen Lage

Neben den gezielten Angriffen auf koptische Kirchen sorgen auch Angriffe auf Touristen in Ägypten für Sorge. Der Anschlag auf den Wachmann vor der Kirche in Alexandria ereignete sich nur wenige Tage nach dem erschreckend kaltblütig ausgeführten Angriff auf Touristen am Strand von Hurgada, dem zwei deutsche Frauen zum Opfer fielen. Vier weitere Touristen wurden durch die Messerstiche verletzt, mit denen ein junger Mann, der schwimmend von einem Nachbarstrand aus das Touristenzentrum erreicht hatte, offensichtlich Ausländer treffen wollte.

Augenzeugen berichteten im Anschluss, der Mann habe sich auf Deutsch mit den Frauen unterhalten, die er dann erstochen hatte. Auf Arabisch hätte er hingegen gerufen, er wolle keine Ägypter treffen. Immer wieder werden in Ägypten auch Touristen zur Zielscheibe von Attentätern.

Anschläge verfolgen klare Strategie.

Derartige Anschläge verfolgten ein klares Ziel, erklärte im «Radio Vatikan»-Interview der koptisch-katholische emeritierte Bischof von Gizeh, Antonios Aziz Mina: «Es handelt sich hierbei um eine Aktion, die Teil einer Kampagne ist, die Wirtschaft Ägyptens zu zerstören, das Land zu destabilisieren, Unsicherheit zu schüren und den Frieden zu stören.»

Tourismus gefährdet

Ein Drittel der Einnahmen Ägyptens speisten sich aus dem Tourismus-Sektor, betonte der Bischof. Die Messerattacke von Hurgada dürfte dem schwächelnden Geschäft weiter zusetzen. Ägyptens Wirtschaft gehe es derzeit extrem schlecht, so Bischof Mina, wozu der Terror beitrage. «Die Regierung hat sehr drastische Massnahmen ergreifen müssen. Die Preise sind verdoppelt, wenn nicht verdreifacht worden. Vorher hatte die Zentralbank noch das ägyptische Pfund gestützt, das ist jetzt nicht mehr der Fall; es wurde maximal abgewertet. Um ein Beispiel zu nennen: Der Euro wurde für acht Pfund oder ein bisschen mehr eingetauscht, jetzt ist ein Euro schon 20 Pfund wert.»

Hinter den Anschlägen stecken für Bischof Mina Sympathisanten der Dschihadisten des Islamischen Staates. Denn allen Anschlägen sei ein Muster gemein. Was allerdings nicht heisse, dass alle Muslime mit der Gewalt einverstanden seien, so Mina weiter. Der Bischof warnte vor einem Generalverdacht und pauschalen Verurteilungen: «Die Mehrheit der Muslime ist friedlich, aber es genügen ein, zwei Prozent, um die Ruhe und den Frieden in der ganzen Welt zu stören, nicht nur in Ägypten. Die Terroristen können schwache, verzweifelte und ignorante Menschen beeinflussen, aber auch Menschen, die davon überzeugt sind, mit diesen Taten Gott zu dienen.»

Folgen für Kirchliche Jugendarbeit

Die Tatsache, dass aus Sicherheitsbedenken kirchliche Sommeraktivitäten abgesagt worden seien, gehe vor allem zu Lasten der kirchlichen Jugendarbeit, so Bischof Aziz Mina. Denn wenn Schulen und Universitäten geschlossen seien, versammelten sich die jungen Menschen normalerweise zu Freizeitaktivitäten, die etwa von Kirchen organisiert werden.

Diese Programme seien jetzt wegen terroristischer Bedrohungslage ausgesetzt worden: «Wenn die Leute derartige Tätigkeiten organisieren, dann nutzen sie alle Kommunikationsmittel, die sie zur Verfügung haben: sie rufen sich gegenseitig an, schreiben sich auf Facebook, um zu organisieren, Zeiten auszumachen, die Namen der Teilnehmer auszutauschen. Und so liefern sie unfreiwillig auch denjenigen, die ein Attentat gegen sie vorbereiten wollen, Informationen.» (kap)

17. Juli 2017 | 17:09
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