WEF in Davos fragt: «Religion – ein Vorwand für Konflikte?»

Davos, 19.1.2015 (kath.ch) Vor dem Hintergrund der aktuellen Islam-Diskussion will das am Dienstag beginnende 45. Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum/WEF) in Davos auch das – ansonsten in der Schweizer Alpen-Metropole nur sparsamst behandelte – Religionsthema diskutieren. Insgesamt diskutieren 2.500 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft den «neuen globalen Kontext».

Im Rahmen des parallelen Open Forum Davos gibt es am Mittwoch eine Diskussionsveranstaltung zum Thema «Religion – Ein Vorwand für Konflikte?», das vom Chefredakteur der britischen arabischsprachigen Zeitung «Asharq Al-Awat», Mina Al-Oraibi, moderiert wird. Referenten sind u.a. der frühere britische Premierminister Tony Blair, der Kapstädter anglikanische Erzbischof Thabo Makgoba, der israelische Rabbiner und AJC-Dialogverantwortliche David Rosen und der Präsident des kalifornischen muslimischen Zaytuna College, Hamza Yusuf Hanson.

Insgesamt diskutieren am 45. Weltwirtschaftsforum über 2.500 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch viel wichtiger als die offiziellen Themen sind die informellen Kontakte. Leitthema des diesjährigen WEF ist «Der neue globale Kontext». Zwar nimmt die Agenda des WEF keine Rücksicht auf kurzfristige Aktualität. Doch die zwischenstaatlichen Konflikte zählen gemäß einem Bericht, der vom WEF verfasst wurde, zu den größten Bedrohungen für die Welt, vor Unwettern, Regierungskrisen und Staatszerfall. Davos könnte Ausgangspunkt sein für neues Vertrauen und für eine neue Stabilität, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab. Mehr als 300 Veranstaltungen finden bis Samstag statt. Schwerpunkte sind der Klimawandel, technische Revolutionen, die Entwicklungen in Schwellenländern, das Wachstum Chinas oder auch die Stabilität der Finanzmärkte.

Mit Merkel, Kerry und Hollande

An Gesprächsstoff sollte es am diesjährigen WEF nicht fehlen, um Entscheidungen gehe es aber beim WEF nicht, sagen Experten unisono. «Das WEF hat sich über die letzten Jahre etabliert als Ort von informellen Treffen. Politiker, Vertreter von Nicht-Regierungs-Organisationen und der Wirtschaft können sich austauschen ohne den Zwang, zu einem Ergebnis kommen zu müssen», sagte Laurent Goetschel, Professor an der Universität Basel und Direktor der Friedensstiftung Swisspeace: «Zudem treffen sich dort auch Menschen, die sonst kaum miteinander reden würden.» 40 Regierungs- und Staatschefs sind dieses Jahr in Davos. Erwartet werden der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Russland lässt sich durch Minister vertreten. Zum Thema Krise werden auch der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprechen, König Abdullah II. von Jordanien und der irakische Premier Haider al-Abadi. Weiter werden der pakistanische Premierminister Muhammad Nawaz Sharif, der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu und der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi anwesend sein. Aus den USA reist Außenminister John Kerry an. China ist mit einer fünfköpfigen Delegation vertreten, darunter Regierungschef Li Keqiang. Das ist die ranghöchste Delegation seit 2009. Auch der französische Staatspräsident François Hollande wird erwartet, nachdem sich Frankreich in den Vorjahren durch Minister hat vertreten lassen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht zum Thema «Globale Verantwortung im digitalen Zeitalter».

Kritiker stoßen sich seit jeher am Davoser Schulterschluss von Wirtschaft und Politik. «An sich ist das WEF bloß ein weiteres langweiliges Managertreffen», sagte Oliver Classen von der Schweizer Entwicklungs-Plattform «Erklärung von Bern» (EvB): «Doch es gibt eine Bedeutung und Funktion vor, die es als Privatverein nicht haben kann. Das eigentliche Problem ist, dass sich demokratisch legitimierte Politiker in Davos auf Augenhöhe mit Wirtschaftsführern begeben, die nur ihren Aktionären Rechenschaft geben.» Viele der Probleme, die am WEF diskutiert würden, seien durch das Diktat der Wirtschaft in der Politik überhaupt erst entstanden. «Das WEF wäre heute gern Teil der Lösung, bleibt aber Teil des Problems», so Classen. (kap)

19. Januar 2015 | 15:51
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