Leonardo Boff im Jahr 2009
International

«Was die Kirche retten kann, sind die Basisgemeinden»

Wien, 26.9.16 (kath.ch) Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff misst den Basisgemeinden eine entscheidende Rolle für die Zukunft der katholischen Kirche zu. In einem Interview im österreichischen «Kurier» am Montag äusserte sich der 77-Jährige skeptisch über die Kraft der Kirche unter der Führung Roms, sich selbst zu reformieren.

«Was die Kirche retten kann, sind die Basisgemeinden. Denn die Lebendigkeit des Christentums ist heute an der Peripherie zu finden, wo man ein anderes Bild der Kirche ausgeprägt hat.» Boff wies darauf hin, dass es in Europa nur noch 24 Prozent aller Katholiken weltweit gebe. Der argentinische Papst Franziskus sage nicht umsonst immer wieder von sich selbst: «Ich komme vom Ende der Welt.»

Hoffen auf Anerkennung durch Franziskus

Boff äusserte die Hoffnung, dass Franziskus die Basiskirche anerkennt. «Für mich ist sie das Zentrum, das, was Kirche eigentlich ausmacht.» Es gebe rund 100’000 Basisgemeinden, die nach wie vor Träger der Theologie der Befreiung seien – auch wenn diese «vielleicht nicht mehr so sichtbar wie früher» sei.

Am lebendigsten seien die Basisgemeinden im Nordosten Brasiliens und in Amazonien. Dort würden keine Priester gebraucht, «aber Rom akzeptiert das nicht». Boff ortet hier eine «Gegenüberstellung zwischen einer Kirche der Tradition und einer Kirche des Evangeliums». Der Fokus auf das Institutionelle führe die Kirche in eine «totale Niederlage», warnte der Theologe.

Die Ausrichtung der Befreiungstheologie sei aktueller denn je, legte Boff im «Kurier»-Interview dar: Die danach orientierten Gläubigen versuchten bestehende Gegensätze in der Gesellschaft wahrzunehmen, sie «mit scharfem Blick auf die Bibel zu analysieren und schliesslich im Handeln der Armen und mit den Armen umzusetzen».

Die Fluchtbewegungen der letzten Jahre nach Europa sieht Boff als späte Konsequenz des Kolonialismus: Europäer seien in den Herkunftsländern präsent gewesen und hätten dort die Ressourcen ausgebeutet. Die klassische Befreiungstheologie mit der Option für die Armen wurde um die Option für die Erde erweitert, weil – so Boff – die Grenzen der Belastbarkeit des Planeten erreicht seien: «Wir verbrauchen weit mehr Ressourcen, als uns die Erde zur Verfügung stellen kann. So können wir nicht mehr weitermachen.» (kap)

Leonardo Boff im Jahr 2009 | © kna
26. September 2016 | 16:26
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