Weltwirtschaft – Frachter im Suez-Kanal
Schweiz

Wachstumsmanie in der Wirtschaft stösst an irdische Grenzen

Luzern, 24.5.16 (kath.ch) Starwars auf Erden: Das Imperium der Geldwirtschaft schlägt zurück. Die Wachstumsmanie wirkt zerstörerisch. Der Mensch erfährt dies zunehmend in erschreckendem Ausmass. Auf diesen Nenner lässt sich die Diskussion bringen, die anlässlich des 41. Dialogs offener Katholizismus vom 23. Mai im Romero Haus Luzern geführt wurde. Zwei bedeutende Referenten legten den roten Faden durch den Abend.

Alois Odermatt

Die Diskussionen führten zur Folgerung: Die Zivilisation muss sich grundlegend wandeln. Der Mensch braucht Visionen für eine lebensdienliche Ökonomie. In auffallender Übereinstimmung rufen dazu der Ökumenische Rat der Kirchen und der Bischof von Rom auf. Solche Visionen sind konkret: Wirtschaft kommt erst dann zum Blühen, wenn sie sich im Dienst des Lebens entfaltet.

Die Dialoge werden vom Forum für offene Katholizität in Zusammenarbeit mit dem Romerohaus Luzern und dem Verein tagsatzung.ch durchgeführt .

Der Theologe und Sozialethiker Thomas Wallimann-Sasaki wies auf eine erstaunliche Tatsache hin: Die Ökonomie verkündet ihre eigenen «Glaubenssätze», die mit Zahlen und grafischen Darstellungen auftreten, den Eindruck von Genauigkeit erwecken und die Wirtschaftswelt mit Sachzwängen verbinden.

Konkurrenz und Gemeinwohl

Die Ökonomie offenbare ein Menschenbild, das Konkurrenz, Wettbewerb und die Ungleichheit der Menschen für entscheidend halte, sagte der Leiter des Sozialinstituts der Katholischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbewegung Schweiz (KAB) und Präsident der Kommission Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz (SBK). Zugleich missachte die Ökonomie jene Sinnorientierung, die ihr religiöse und philosophische Quellen im Blick auf Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit anbieten.

Kirchen tragen Wesentliches in die Diskussion

Der reformierte Theologe und Philosoph Beat Dietschy hat sich in Lateinamerika mit der Befreiungstheologie auseinandergesetzt. Er war bis zu seiner Pensionierung von 2007 bis 2015 Geschäftsleiter des reformierten Hilfswerks «Brot für alle» und veröffentlichte Schriften zur «Ökonomie des Lebens». In Luzern unterstrich er: Das unbegrenzte Wirtschaftswachstum ist mit den planetaren Grenzen nicht zu vereinbaren. Zu einer Umorientierung haben die Kirchen Wesentliches beizutragen.

Namentlich die jüngsten Verlautbarungen von Papst Franziskus und des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) haben «die zerstörerischen Auswirkungen des Imperiums des Geldes» und die «sakralisierten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems» angeprangert, das «in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen kristallisierte Böse» namhaft gemacht und zur Entwicklung einer lebensdienlichen Ökonomie aufgerufen.

Irrige Glaubenssätze durchschauen

In der Diskussion wurde betont, dass kirchliche Kreise wenig Erfahrung damit hätten, irrige «Glaubenssätze» zu erkennen, versklavende Strukturen zu entlarven und Experimente einer Gemeinwohl-Ökonomie anzustossen, die auf Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit baut. Aber nicht nur den kirchlichen, auch den wirtschaftlichen Kreisen selbst mangle es offenbar an ganzheitlichem ökonomischem Wissen.

Die Dialoge offener Katholizität stellten im Bildungsjahr 2015-2016 «prophetische Einwürfe zu gesellschaftlichen Brennpunkten» vor. Die aktuelle Veranstaltung schloss die Reihe unter dem Stichwort «Mammon oder Mensch» ab. Moderator des Dialogs war der Theologe Thomas Staubli, Dozent für Altes Testament an der Universität Freiburg (Schweiz) und Mitbegründer des dortigen Bibel+Orient Museums.

* Alois Odermatt ist Historiker und Theologe sowie Mitglied des Kernteams «Forum offene Katholizität».

Weltwirtschaft – Frachter im Suez-Kanal | © Georges Scherrer
24. Mai 2016 | 12:56
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Dialoge offene Katholizität

Der 42. Dialog findet am 24. Oktober im Romerohaus Luzern statt. Er widmet sich der Frage «Säkularismus und Christentum in Europa» und eröffnet die sechs Dialoge offener Katholizität der kommenden Saison zum allgemeinen Thema «Christentum und säkulare Gesellschaft». Die Organisatoren erachten eine Diskussion zu dieser Fragen für immer dringlicher, nachdem weltweit die Tendenz wachse, religiöse, politische und wirtschaftliche Positionen fundamentalistisch zu begründen. Was bedeute das für die Schweiz, die gemäss empirischen Erhebungen das säkularste Land Europas sei.

Die Dialoge offener Katholizität wollen besonders auch Vermittlerinnen und Vermittler der befreienden christlichen Botschaft ansprechen, die in Seelsorge, Religionsunterricht, theologischer Forschung, Lehre, spiritueller Begleitung, religiöser Weiterbildung sowie Leitungs- und Öffentlichkeitsarbeit tätig sind. Sie richten sich auch an Menschen, die sich für Fragen des Glaubens und der Kirche interessieren.