Jerry Pillay
International

Von Südafrika nach Genf: Ein Reformierter wird neuer Generalsekretär des Weltkirchenrats

Eine Frau an der Spitze des Weltkirchenrats? Das scheint noch undenkbar. In einer Kampfabstimmung setzt sich Jerry Pillay aus Südafrika gegen Elizabeth Joy aus London durch. Der neue Generalsekretär setzt auf Dialog – auch mit der russisch-orthodoxen Kirche.

Esther Suter und Norbert Zonker

Der künftige Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Jerry Pillay, ist in den internationalen kirchlichen Organisationen kein Unbekannter. Der 1965 in Südafrika geborene Theologe, der am Freitag vom ÖRK-Zentralausschuss zum achten Generalsekretär des 1948 gegründeten Weltkirchenrates gewählt wurde, wird der zweite Afrikaner in diesem Amt sein. Sein Vorvorgänger war von 2004 bis 2009 der methodistische Kenianer Samuel Kobia.

Er erlebte die Apartheid in den Townships

Der presbyterianische Kirchenhistoriker Pillay bringt viel internationale Erfahrung mit. Er war von 2010 bis 2017 Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), zu der sich 2013 dieVorgängerorganisationen Reformierter Weltbund und Reformierter Bund zusammengeschlossen hatten.

Jerry Pillay
Jerry Pillay

Schön früh als Kind, erzählt er, fühlte er sich zum ordinierten Amt berufen, und seit seiner Jugendzeit sei die Ökumene für ihn zur Realität geworden. Prägende Erlebnisse hatte er in Townships während der Zeit der Apartheid.

Lebensfreude statt Leiden

Dort begegnete er der leidenden schwarzen Bevölkerung, die ihre Lebensfreude und Fröhlichkeit in Tanz und Gesang ausdrückte, als Form von Spiritualität und Resilienz. Für Pillay waren dies nach eigenen Worten tiefgehende spirituelle Erfahrungen von der Fülle des Lebens, die ihn geprägt hätten.

Er studierte Theologie an der Universität Durban-Westville und wurde in der damaligen Presbyterianischen Kirche des Südlichen Afrika zum Pfarrer ordiniert. An der Universität von Kapstadt promovierte er 2002 in Missionswissenschaft, Kirchengeschichte und Neues Testament.

Dialog mit Moskau

Leitungserfahrungen machte er als Generalsekretär der Uniting Presbyterian Church in Südafrika, bevor er die Weltgemeinschaft der Reformierten leitete. 2018 wurde er als Dekan der Fakultät für Theologie und Philosophie an der Universität Pretoria gewählt.

Der russische Patriarch Kyrill in der Osternacht.
Der russische Patriarch Kyrill in der Osternacht.

Zu den aktuellen Herausforderungen des ÖRK zählt der Konflikt um den Umgang mit der russisch-orthodoxen Kirche – der grössten Mitgliedskirche des Weltkirchenrats. Auf Kritik stösst vor allem Patriarch Kyrill I. und seine den Krieg Russlands gegen die Ukraine unterstützende Haltung. 

Keine Sanktionen gegen Kyrill

Erst am Montag hatten die Schweizer Reformierten einen Antrag gestellt, die Suspendierung der russisch-orthodoxen Kirche zu prüfen. Und die Unionskirche in Schweden hatte Sanktionen gegen Kyrill gefordert. Der Zentralausschuss lehnte dies ab und beschloss, den Dialog mit Moskau fortzuführen und keine Sanktionen gegen die russisch-orthodoxe Kirche zu verabschieden.

Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.
Wladimir Putin bekreuzigt sich in der Osternacht 2022.

Auch Pillay betonte vor Journalisten, wie wichtig ihm der Dialog sei. Dies gebiete schon die Verfassung des ÖRK. Zugleich erhofft er sich davon die Chance, die Ursachen von Konflikten anzugehen und miteinander einen Weg zu finden zu einer Lösung, die die Kirchen weiterhin miteinander verbindet. Forderungen nach Suspendierung einer Mitgliedskirche griffen zu kurz und blickten zu wenig voraus.

Eine Frau an der Spitze? Noch undenkbar

Pillay hatte sich in geheimer Abstimmung gegen die aus Indien stammende und in London lebende Elizabeth Joy durchgesetzt, die als erste Frau für das Amt des ÖRK-Generalsekretärs nominiert war. Erstmals wurde mit ihr auch eine orientalisch-orthodoxe Kirche berücksichtigt: die malankarische syrisch-orthodoxe Kirche, eine der ältesten Kirchen, deren Tradition sich auf den Apostel Thomas beruft.

Nach deren Lehre kann Joy nicht Priesterin sein, und auch innerhalb der ÖRK-Mitgliedskirchen wäre eine ordinierte Pfarrerin oder gar Bischöfin als Generalsekretärin noch undenkbar.

Im Januar 2023 geht’s los

Pillay tritt sein Amt als Generalsekretär im Januar 2023 an. Bis dahin wird weiterhin der rumänisch-orthodoxe Priester und Theologieprofessor Ioan Sauca amtieren, der dies bereits seit April 2020 geschäftsführend ausübt. (kna)


Jerry Pillay | © WCC
18. Juni 2022 | 12:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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