Ausstellungsmacher Peter Jezler mit der Figur eines irischen Mönchs.
Schweiz

Von bärtigen Mönchen, schweren Steinen und kostbaren Handschriften

St. Gallen, 19.1.19 (kath.ch) Ab dem 21. Januar zeigt das Weltkulturerbe Stiftsbezirk St. Gallen im neu eröffneten Gewölbekeller die neue Dauerausstellung «Gallus und sein Kloster». Peter Jezler führt durch die neue Dauerausstellung, die auch den windungsreichen Weg des Heiligen Gallus nach St. Gallen aufzeigt.  

Vera Rüttimann

Im Gewölbekeller unter der Stiftsbibliothek, wo bald die Kulturgeschichte des Klosters erzählt wird, ist es lärmig und staubig. Die Arbeiter legen letzte Hand an im ehemaligen barocken Weinkeller, der für diese Präsentation komplett saniert wurde.

Mit vereinten Kräften werden mit schwerem Gerät jahrhundertealte steinerne Zeugen an die richtige Stelle bugsiert. Mitten im Staub steht auch Peter Jezler. Der Ausstellungsmacher, der schon viele namhafte Ausstellungen organisiert hat, sagt: «Von den technischen Anforderungen her war das für mich die bislang schwierigste Ausstellung. Aber ich denke, der Aufwand hat sich gelohnt.»

Das Weltkulturerbe aufwerten

Die Ausstellungsmacher um Peter Jezler wollen daran erinnern, dass an keinem Ort in Europa frühmittelalterliche Handschriften und Urkunden in nur annähernd vergleichbarer Dichte erhalten sind wie in St. Gallen. Peter Jezler sagt: «Es ist ein Bestreben sowohl von der Stiftsbibliothek wie auch vom Kanton, dass wir das Weltkulturerbe St. Gallen mit dieser neuen Ausstellung aufwerten wollen.»

Wie wurde St. Gallen zum Weltkulturerbe? Und wer war Gallus? Der Besucher wird dazu in multimedialen Inszenierungen  dazu angeregt, sich mit dem in 1400 Jahren in St. Gallen entstandenen «Wunder der Überlieferung» auseinander zu setzen.

Gallus’ Weg nach St. Gallen

Die neue Ausstellung spannt den Bogen vom Untergang der Antike über die klösterliche Überlieferung bis zur barocken Fürstabtei und zur Auflösung des Klosters in der Zeit Napoleons. «Die Grundidee der Ausstellung ist,  dass wir zeigen, was für eine Funktion ein Kloster hatte und es sich entwickelt hat», erläutert Peter Jezler.

«In Irland hat sich ein frühes, eigenes Christentum herausgebildet.»

Ein Schwerpunkt liegt auf der irischen Mission und dem Leben des heiligen Gallus. In einem eigens für diese Ausstellung aufwändig erstellten Film wird vor allem der Spezialfall von Irland anschaulich dokumentiert: Ein Land, das nie von den Römern besetzt wurde, von der Völkerwanderung verschont blieb, aber schon um das Jahr 400 missioniert wurde.

«Dort hat sich auf faszinierende Art und Weise ein frühes, eigenes Christentum herausgebildet», erklärt Jezler. Der Film zeige dem Besucher, wie die irischen Mönche im Laufe der Zeit aufs Festland gingen, mit ihrer Arbeit als Missionare begannen und somit das Christentum in unserer Region ins Steinachtal brachten.

Ins beste Licht gerückt

Die Ausstellung «Gallus und sein Kloster» führt anhand von Originalhandschriften und Objekten durch 1400 Jahre Kulturgeschichte. Von der Einsiedlerzelle des Gallus bis zum Unesco-Weltkulturerbe Stiftsbezirk. Als der Gast mit Peter Jezler im Kellergewölbe ankommt, sind einige der Ausstellungsstücke noch im Depot verstaut, andere können bereits in hohen Vitrinen bestaunt werden.

Da liegt beispielsweise die «Lex Alamannorum», eine äusserst wertvolle Handschrift aus dem frühen 8. Jahrhundert. Ebenso bedeutend wie das Germanen-Gesetz sind die ältesten Musiknoten, die es auf der Welt gibt, die hier gezeigt werden. Peter Jezler führt in den hinteren Bereich des Gewölbes, wo schwere Steine liegen. Kaum vorstellbar, mit wie vielen Seilzügen diese hierher kamen.

Das Interesse hier gilt der karolingischen Gozbert-Basilika mit ihren aussergewöhnlichen Kapitellen. Der Ausstellungsleiter steht vor den wuchtigen Kapitellen und archäologischen Funde aus der 837 eingeweihten Gozbertbasilika. Diese, erklärt Jezler, stehe für die frühmittelalterliche Architektur in der Zeit des St. Galler Klosterplans.

«Dieser Fund ist der vielfältigste, den es in Europa gibt.»

Fundament, Kapitell, Plattform und Säule – aus diesen Elementen wuchsen Gotteshäuser gen den Himmel. Diese Kapitelle waren einst im Fundament der gotischen Kirche eingemauert und konnten bei Grabungen in den 1960er-Jahren geborgen werden. «Dieser Fund ist der vielfältigste, den es in Europa gibt. Wir haben die Stücke hier ins beste Licht gerückt.»

Das schönste Evangelium der Welt

Als Höhepunkt der Ausstellung gilt das «Evangelium Longum», geschaffen von den St. Galler Mönchen Sintram (Schrift) und Tuotilo (Einband) um das Jahr 895. Von vielen Experten wird das prächtige Buch als  das schönste Evangelium der Welt bezeichnet.

Das untere Relief stellt die legendäre Begegnung des heiligen Gallus mit dem Bären dar. Auf Gallus’ Befehl bringt das Tier Feuerholz. Zum Dank schenkt der Heilige ihm ein Brot. Die älteste bildliche Darstellung von Gallus zeige, so Peter Jezler, dass er als Heiliger nicht einmal vor einem Bär Angst hatte.

Dieses Buch bedeutet dem Kurator besonders viel. Er sagt: «Es gibt keine karolingische Handschrift, die so spannend und intensiv dokumentiert ist aus dieser Zeit und auch noch so gut erhalten ist.»

Irischer Druide mit Sommersprossen

Im «irischen» Teil der Ausstellung ist das irische Evangeliar von St. Gallen zu sehen. Evangelientexte, illustriert mit zwölf Schmuckzierseiten, von irischen Mönchen um 750 in Irland geschrieben und illuminiert. Fachleuten gilt das Buch als schönste irische Handschrift in der Stiftsbibliothek St. Gallen. Peter Jezler erinnert an diesem Ort daran, dass St Gallen die Bibliothek mit dem grössten Bestand an irischen Handschriften ist.

«Die bärtige Figur wurde für die Ausstellung extra angefertigt.»

In diesem Teil der Ausstellung, wo auch der Film über das frühe irische Christentum gezeigt wird, steht in einer gut ausgeleuchteten Ecke eine mannshohe Figur, die einen irischen Mönch darstellt. Die bärtige Figur mit dem langen Habit wurde für die Ausstellung extra angefertigt und weist «über 150’000 eingezogene Haare und irisch anmutende Sommersprossen» auf, wie Peter Jezler nicht ohne Stolz vermerkt.

Eruiert wurde das Aussehen der Figur aufgrund von handschriftlichen Überlieferungen. Jezler resümiert: «Für mich war es eine neue Erkenntnis, dass irische Mönche nicht wie Mönche aussahen, sondern eher wie Druiden.»

Spannungsgeladene Geschichte

In einem eigenen Bereich wird die spätere Entwicklung der Fürstabtei und ihre Beziehung zur Stadt St. Gallen dargestellt, die oft spannungsgeladen war. Sakrale Kostbarkeiten aus Kirchenschatz und einer Kuriositätensammlung  lassen die Blütezeit des Barock aufleben. Ein veritabler Blickfang schuf Gabriel Loser»«¨ in den Jahren 1751/1752. Der St. Galler Klosterbruder gestaltete aus Holz und Gips ein barockes Modell für die geplante Klosterkirche.

Vier Jahre Vorbereitung

Vor vier Jahren begann Peter Jezler mit der Arbeit an der Dauerausstellung «Gallus und sein Kloster». Es sei eine grosse Herausforderung gewesen, aus der Fülle des vorhandenen Materials, das sich aus einer so grossen Zeitspanne speise, ein Konzentrat herauszuarbeiten, was für die Besucher attraktiv und interessant sei. Besonders gern erinnert er sich jetzt an die Zusammenarbeit mit den Menschen, die hier im Klosterbezirk St. Gallen arbeiten.

Peter Jezler, der schon in vielen Museumsbetrieben gearbeitet hat, sagt: «Die Leute hier sind hilfsbereit, engagiert und enorm motiviert bei der Sache.»

Ausstellungsmacher Peter Jezler mit der Figur eines irischen Mönchs. | © Vera Rüttimann
19. Januar 2019 | 14:48
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