Irene Gassmann, Priorin des Klosters Fahr
Schweiz

Mit «Gebet am Donnerstag» zur Gleichstellung in der Kirche

Zürich, 11.2.19 (kath.ch) Vier engagierte Frauen sprechen Klartext: Frauen und Männer sind in der Kirche gleich- und vollwertige Mitglieder, die in allen Diensten und Ämtern zur Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaft beitragen. Das aber verkünden sie nicht plakativ, sondern laden zum wöchentlichen Gebet «Schritt für Schritt» ein.

Martin Spilker

«Gott, du unser Vater und unsere Mutter, wir alle wissen, wie es um unsere Kirche steht. Unrecht geschah und geschieht, Macht wurde und wird missbraucht.» So beginnt das «Gebet am Donnerstag», zu dem ab dieser Woche Katholikinnen und Katholiken eingeladen sind. Eine zentrale Position hinter der Aktion nimmt Irene Gassmann, Priorin des Benediktinerinnenklosters Fahr ein. Über das Netzwerk der Benediktinerinnen soll das Gebet weltweit verbreitet werden (siehe separaten Text).

Gebet für Dauerthemen der Kirche

Sowohl die Forderung nach der Gleichstellung von Mann und Frau wie auch die aktuellen Herausforderungen durch Missbrauchsfälle in der Kirche haben vier engagierte Katholikinnen zusammengeführt. Obwohl je in ihrem Tätigkeitsgebiet sehr engagiert, suchen die vier keine laute Aktion, um ihren Anliegen Ausdruck zu geben, sondern laden ein zum Gebet.

Das Gebet wird am 14. Februar, am Valentinstag, erstmals in verschiedenen Gemeinschaften gebetet und ab dann wöchentlich wieder aufgenommen werden.

Priorin, Seelsorgerinnen, Redaktorin

Hinter dem Aufruf stehen neben der Priorin auch Dorothee Becker von der Pfarrei Heiliggeist in Basel, Anne Burgmer, frühere Seelsorgerin im Tabubereich in Basel und heute Redaktorin beim Aargauer Pfarreiblatt «Horizonte», und Jeanine Kosch, Seelsorgerin an der Bahnhofkirche Zürich und Fachverantwortliche Palliative Care der Schweizer Bischofskonferenz.

Statt progressiver Auflehnung oder reaktionärem Widerstand wollen sie das Thema Veränderung mit dem Instrument vergegenwärtigen, das die Kirche von Beginn weg zusammengehalten hat, dem Gebet. «Wenn alles nichts mehr nützt, bleibt das Gebet», sagte Priorin Irene Gassmann gegenüber kath.ch. Und sie fügte lachend an: «Dass mir das nicht früher in den Sinn gekommen ist.»

«Dass mir das nicht früher in den Sinn gekommen ist.»

Den Startschuss zu dieser Aktion, die von der Schweiz aus weit in die Welt getragen werden soll, gab Felix Gmür bei der Vernissage des Buches «Ein weiter Weg» des Projekts «Für eine Kirche mit* den Frauen». Der Bischof von Basel rief Anfang Dezember 2018 die Beteiligten dazu auf, es nicht allein bei einmaligen Aktionen zu belassen, sondern dieses Thema auch kontemplativ weiterzuverfolgen.

Hartnäckige Heilige als Vorbild

Diesen Impuls haben die vier Initiantinnen aufgenommen und innert kurzer Zeit eine Organisationsform entwickelt, ein Gebet geschrieben und das Ganze auf den 10. Februar lanciert. Ganz bewusst wurde dafür der Tag der heiligen Scholastika, der Schwester des Ordensgründers Benedikt von Nursia, ausgewählt. «Sie ist für uns ein Vorbild dafür, ein Anliegen im Gebet mit Ausdauer zu verfolgen», sagt Irene Gassmann.

Ausdauer. Das ist auch ein Stichwort, das Anne Burgmer zum Mitmachen antreibt. Sie sei angesichts der immer wieder aufkommenden Debatten über die Themen Stellung der Frau in der Kirche und Missbrauch tatsächlich etwas müde. Aber das heisse nicht, dass sie sich der Auseinandersetzung entziehen wolle, so Burgmer gegenüber kath.ch.

Anliegen nach Veränderung ausdrücken

Die grossen, publikumswirksamen Aktionen entsprechen ihrem Charakter aber nicht. – Und sie hat den Eindruck, dass es sehr vielen Frauen und Männern in der Kirche so gehe. Mit der Gebetsinitiative wollen die Initiantinnen einen Ort anbieten, wo Menschen ihrem Anliegen nach Veränderung Ausdruck geben können.

Hier unterscheidet Burgmer allerdings zwischen innerkirchlichen Fragen wie der Stellung der Frau, die, so ihre Überzeugung, Zeit brauchen. Beim Thema Missbrauch allerdings lässt sie dies nicht gelten. Da müssten die Fakten auf den Tisch gelegt und gehandelt werden, denn schliesslich gehe es hier um strafrechtliche Aspekte.

«Das alles liegt doch in der Luft.»

Doch auch bei den kirchlichen Themen lehnen sich die Initiatinnen mit dem Gebetstext weit hinaus: «Frauen und Männer sind durch die Taufe gleich- und vollwertige Mitglieder der Kirche. Im Miteinander in allen Diensten und Ämtern können sie zu einer Kirche beitragen, die erneuert in die Zukunft geht», heisst es darin.

Für Irene Gassmann sind diese Aussagen, auch wenn über sie theologisch heftig debattiert wird, gar nicht revolutionär. «Das alles liegt doch in der Luft», sagt die Priorin schlicht. Neu oder anders sei, dass diesem Anliegen hier «Schritt für Schritt» mit einem Gebet Nachdruck verliehen werden soll.

«Dieses Anliegen kommt von innen heraus», ist die Benediktinerin überzeugt. Und dem soll mit dem «Gebet am Donnerstag» Ausdruck gegeben werden. Am 14. Februar erstmals und dann jede Woche wieder neu.

Irene Gassmann, Priorin des Klosters Fahr | © Oliver Sittel
11. Februar 2019 | 17:01
Lesezeit: ca. 3 Min.
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«Schritt für Schritt» bereits in fünf Sprachen

Die Initiative für ein regelmässiges Gebet für Veränderungen in der Kirche lädt dazu ein, an ganz unterschiedlichen Orten regelmässig donnerstags eine Gelegenheit zu schaffen, das neu verfasste Gebet «Schritt für Schritt» zu beten. Auf der Internetseite der Initiative sind die – aktuell noch wenigen – Orte aufgeführt. Es sollen immer mehr werden, so die Hoffnung der Initiantinnen.

Bei der Bekanntmachung wird auf persönliche Netzwerke zurückgegriffen. Bewusst wird auf klassische Informationskanäle wie Landeskirchen oder Bistümer verzichtet. Vielmehr wird darauf vertraut, dass die Idee weite Kreise zieht.

Sie habe bereits viele positive Rückmeldungen erhalten, sagt Priorin Irene Gassmann. Im Kloster Fahr wird das Gebet ab dieser Woche in den festen Gebetsablauf aufgenommen und in der Komplet, dem Abendgebet, gemeinsam gebetet. Weiter will sich die Priorin an das weltweite Netzwerk der Benediktinerinnen wenden und dort «Schritt für Schritt» das Gebet bekannt machen.

Ein Anliegen ist den vier Frauen, dass das ihre Initiative nicht als Deutschschweizer Impuls wahrgenommen wird. Darum wurde das Gebet von Beginn weg in vier weiteren Sprachen zugänglich gemacht. Und ein Weiteres präzisiert die Priorin: «Das ist kein Projekt für Frauen sondern für die Gemeinschaft der Kirche.» (ms)