Annette Studer in Olten
Schweiz

«Vielen Katholiken fehlt der Mut zu konvertieren»

Olten, 24.6.17 (kath.ch) Annette Studer macht bei der «Gemeinschaft des heiligen Johannes des Täufers» mit. Diese gehört zur Christkatholischen Kirche der Schweiz. Studer, Mitglied der ersten Stunde, erzählt im Interview mit kath.ch von der Glaubenspraxis der Gemeinschaft und den Sympathien von Katholiken für ihre Kirche. Am Samstag tagt in Olten das Generalkapitel der Johannes-Gemeinschaft.

Vera Rüttimann

Wie kam es zur Gründung dieser Gemeinschaft?

Annette Studer: Ich bin mit der christkatholischen Kirche von Kindheit an stark verwurzelt. Schon meine Eltern und Grosseltern waren Christkatholiken. So erfuhr ich im August 1968 aus meinem engen Umfeld, dass die «Gemeinschaft des heiligen Johannes des Täufers», die das Wort «Bruderschaft» in ihrem Namen trug, aufgrund einer Initiative der drei Solothurner Christkatholiken Andreas Amiet, Margret Koch und Urs von Arx gegründet wurde. Ein Jahr später stiess ich als erstes Mitglied dazu. Die Initianten wollten Leute um sich scharen, die dem täglichen Gebet nach einer vorgegebenen Form im Alltag einen zentralen Stellenwert geben wollten.

Was mir gefällt: Unsere Kirche ist sehr traditionsbewusst.

Wie sieht Ihre Glaubenspraxis konkret im Alltag aus?

Studer: Man verpflichtet sich, nach Möglichkeit am Sonntagsgottesdienst teilzunehmen und jeden Tag morgens die Laudes oder abends die Vesper zu beten. Ebenso zentral ist die Teilnahme an unseren Retraiten und am Generalkapitel, das jeweils nahe am 24. Juni, dem Geburtstag von Johannes dem Täufer, stattfindet. Das Gebet ist uns sehr wichtig. Ganz klar richten wir uns nach der Tradition der Klöster, wo diese Tagzeiten gepflegt werden. Die römisch-katholische Kirche ist mir auch in dieser Hinsicht sehr nahe.

Was mir gefällt: Unsere Kirche ist sehr traditionsbewusst. Wir haben in unserer Liturgie viele Elemente, die ältere Mitglieder der römisch-katholischen Kirche noch von früher her kennen. Ein Beispiel ist das sogenannte Stufengebet in jeder Messe.

Was passiert an diesen Retraiten?

Studer: Zu den zweitägigen Retraiten unserer Gemeinschaft, die seit 2002 jeweils im März und November stattfinden, versammeln sich unsere Mitglieder und weitere Interessierte aus der ganzen Schweiz. Urs von Arx, – wir haben mit ihm einen hervorragenden spirituellen Leiter -, gelingt es stets, interessante Referenten zu engagieren, die uns in diesen Tagen geistliche Impulse vermitteln.

Leider können wir noch keine gemeinsame Eucharistiefeier abhalten.

Mit den dort lebenden Kapuzinerinnen feiern wir jeweils vier Tagzeiten: Das Mittagsgebet, die Vigil am Samstag, die Laudes und die Vesper am Sonntag. Zwei davon nach unserem Ritus, zwei nach ihrem. Leider können wir noch keine gemeinsame Eucharistiefeier abhalten. Ein Höhepunkt ist jeweils das gemeinsame Speisen mit den Kapuzinerinnen in ihrem Refektorium.

Welchen Bezug haben Sie zu Johannes dem Täufer?

Studer: Ich hatte vor meinem Eintritt in die Gemeinschaft keinen grossen Bezug zu diesem Heiligen. Das änderte sich erst nach und nach. Als ich in Colmar erstmals den Isenheimer Altar mit dem Werk von Matthias Grünewald sah, wo Johannes der Täufer mit einem riesigen Zeigefinger dargestellt wird, der auf Jesus hinzeigt, begann ich, mich mit ihm noch näher zu beschäftigen. Johannes der Täufer war der Vorläufer von Jesus. Er ist sein Wegbereiter. Unsere Gemeinschaft möchte das auf ihre Weise auch sein.

Das Thema «Bildung» spielt bei der Johannes-Gemeinschaft eine zentrale Rolle.

Studer: Ja. Die christkatholische Kirche ermöglicht ihren Kirchengliedern, dass sie Mitverantwortung übernehmen. Ja, sie ermutigt sie geradezu dazu! Verantwortung übernehmen kann man jedoch nur, wenn man über einen gewissen Bildungsstand verfügt. Darum ist Erwachsenenbildung für uns so wichtig. Nicht umsonst heisst der Titel des Referates von Pfarrer Adrian Suter anlässlich des Domkapitels «Bildung schafft Bindung».

Die christkatholische Kirche ist vielen unbekannt. Wie kommt das?

Studer: Richtig. Olten gilt als die «Wiege der Christkatholiken». Es gibt jedoch viele Orte, wo niemand weiss, was «christkatholisch» heisst. Wir sind eine der drei Landeskirchen, sind aber eine sehr kleine Glaubensgemeinschaft. Es gibt viel Unwissen über Christkatholiken. Erstaunt sind viele, wenn sie erfahren, dass die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern von der Christkatholischen Kirche bejaht wurde und somit in der Seelsorge sowohl Diakoninnen als auch Priesterinnen mit ihren männlichen Kollegen zusammenarbeiten.

Wir sind in vielen Teilen die Kirche, die sie sich wünschen

Für manche römisch-katholische Christen klingt das attraktiv.

Studer: Ich habe oftmals das Gefühl, dass Mitglieder der römisch-katholischen Kirche uns Christkatholiken grosse Sympathien entgegenbringen, weil wir in vielen Teilen die Kirche sind, die sie sich wünschen. Aber ich denke, vielen fehlt der Mut zu konvertieren, weil sie sich in ihren Pfarreien heimisch fühlen.

Annette Studer in Olten | © 2017 Vera Rüttimann
24. Juni 2017 | 18:00
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