Marienstatue in der Basilika Notre Dame von Lausanne.
Schweiz

Viele wollen der Gottesmutter von Lausanne «Grüezi» sagen

Lausanne, 20.7.18 (kath.ch) Tag für Tag werden unzählige Kerzen vor der Marienstatue in der Basilika Notre Dame von Lausanne angezündet. Am Sonntag besuchen bis zu 2000 Menschen einen der Gottesdienste, die dort angeboten werden. Die Kirche im Zentrum der Kantonshauptstadt ist noch heute wichtig für die Identität der Katholiken in der ehemals reformierten Waadt.

Barbara Ludwig

Die Treppe steigt steil zur Basilika Notre Dame von Lausanne empor. Auf den Stufen sitzen junge Leute, die Kartons mit dem Fastfood neben sich. Mittagszeit im Quartier Valentin, unweit der «Place Riponne». Sanft dringt der Stadtlärm ins Gotteshaus, Licht fällt durch die hellblauen und gelben Scheiben ins Halbdunkel der Seitenschiffe. Bald beginnt der Gottesdienst. Menschen nehmen auf den Stühlen Platz. Zwischen 20 und 30 sind es schliesslich, die an diesem Werktag im Sommer die Messe mitfeiern.

Der Muttergottes «Grüezi» sagen

Anni Harley (68) besucht regelmässig den Gottesdienst in der Basilika. Seit 38 Jahren. «Ich bin eine grosse Verehrerin der Mutter Gottes. Sie sorgt für mich und die Umgebung», sagt die gebürtige Deutschwalliserin auf dem Kirchenvorplatz. Sie zünde Kerzen vor der Marienstatue an, nicht für sich selber, sondern «für Sterbende und die armen Seelen».

Anni Harley glaubt, dass die Basilika wegen der Marienstatue so grossen Zulauf habe. Viele Menschen, die im Stadtzentrum etwas zu erledigen hätten, wollten auch noch der Gottesmutter «Grüezi» sagen. Speziell sei zudem, dass hier das Allerheiligste an allen Werktagen der Woche ausgesetzt werde.

«Die Mutter Gottes sorgt für mich.»

Auch Aude Viquerat (61) gefällt es, dass man in dieser Kirche die «Gegenwart unseres Herrn» erleben könne. Die Stimmung in dem Gotteshaus sei «andächtig», sagt sie nach der knapp halbstündigen Feier. Die Frau aus Vevey arbeitet in Lausanne. Am Donnerstag nutze sie oft ihre Mittagspause, um an der Messe teilzunehmen.

Im Mittelalter pilgerte man zur Kathedrale

In Lausanne gebe es eine ausgeprägte Marienfrömmigkeit, sagt François Dupraz (55), seit zwölf Jahren so genannter Pfarrmoderator (Pfarreiraumleiter) der Seelsorgeeinheit «Notre Dame». «Das zeigt die Zahl der Opferkerzen. Täglich brennen 300 Kerzen vor der Marienstatue», berichtet der Mann mit der Glatze und dem glattrasierten Gesicht, der gleich neben der Basilika wohnt. Lausanne sei schon im Mittelalter ein bedeutender Marienwallfahrtsort gewesen. Damals pilgerte man zur Kathedrale, die seit 1536 reformiert ist.

Wegen der Liebe der Waadtländer Katholiken zu Maria habe man, Jahrhunderte später, das erste katholische Gotteshaus nach Einführung der Reformation der Muttergottes gewidmet, erklärt der Priester. Seit 1835 gibt es deshalb nebst der reformierten Kathedrale eine zweite Kirche, die «Notre Dame» gewidmet ist. Erbaut wurde sie im Quartier Valentin, etwa 10 Gehminuten von der mächtigen Kathedrale entfernt.

Ein identitätsstiftender Ort

Diese erste katholische Kirche sei sehr schnell zu einem «identitätsstiftenden Ort» für die Katholiken geworden, sagt Christophe Godel (48). Der Mann mit rötlichem Bart, Kurzhaarschnitt und offenem Blick ist Bischofsvikar im Kanton Waadt. Auch für Katholiken anderer Pfarreien – in Lausanne, aber auch darüber hinaus – bleibe sie ein wichtiger Ort, erklärt er. 1992 wurde die Kirche von Papst Johannes Paul II. zur Basilika erhoben.

«An diesem Ort ist wirklich möglich, Gott zu finden.»

Als die Journalistin Christophe Godel fragt, ob es etwas in der Waadtländer Kirche gebe, was ihn glücklich mache, antwortet er nach einigen Minuten des Nachdenkens. «Wir haben mit der Basilika Notre Dame von Lausanne ein sehr schönes spirituelles Zentrum.» Sehr viele Menschen besuchten die Kirche. «An diesem Ort ist es wirklich möglich innezuhalten, Gott zu suchen und zu finden, zu beten und zu beichten.»

Mehr Priester und mehr Gottesdienste

Zu dieser positiven Entwicklung trügen die Geschichte des Ortes und die traditionelle Marienwallfahrt bei. Aber nicht nur. Auch ein pastoraler Entscheid spielt demnach eine nicht unwesentliche Rolle.

So habe man beschlossen, etwas mehr Priester in der Seelsorge einzusetzen – mit François Dupraz sind es vier Geistliche – und etwas mehr Eucharistiefeiern anzubieten als an anderen Orten. Zwei Mal täglich gebe es die Möglichkeit zur Beichte.

Zudem sei das Allerheiligste von morgens bis abends ausgesetzt. «Das erlaubt den Menschen, in der Kirche zu verweilen», sagt Christophe Godel. Schliesslich zählt der Bischofsvikar auch noch die Mittagsmesse für werktätige Gläubige auf. Ein Angebot, das eben auch Aude Viquerat, die Frau aus Vevey, entdeckt hat.

Grossandrang am Sonntag

Die Basilika Notre Dame von Lausanne habe eine regionale Bedeutung, erklärt Pfarrmoderator Dupraz. Jeden Sonntag besuchten zwischen 1500 und 2000 Personen eine von insgesamt acht Eucharistiefeiern. Mehr als die Hälfte der Gläubigen stammten von auswärts. «Unser Seelsorgeangebot richtet sich an die ganze Kirche des Kantons.»

François Dupraz versichert, dass sich auch junge Menschen am Leben der Kirche beteiligten. Etwa im Jugendgottesdienst, der jeden Sonntagabend in der Basilika gefeiert wird und der von einem Jugendchor begleitet wird, oder in den Gebetsgruppen, die sich unter der Woche treffen. Der Priester findet die Kirche in Lausanne «sehr lebendig». «Ich bin der Einzige, der tot ist», witzelt der Genfer, der immer wieder einen ironischen Spruch auf Lager hat.

Jung und alt

Aber er gesteht, dass die Gottesdienste nicht überall so intensiv besucht werden wie in der Basilika. Zudem sei das Publikum hier jünger.

Es tauchen tatsächlich junge Menschen auf, an diesem ganz gewöhnlichen Werktag. Nachdem eine alte Frau, graue Strümpfe, violetter Mantel, ihre Kerze angezündet hat, tritt eine sehr junge Frau mit langem, schwarzem Haar und engen Jeans zur Marienstatue. Es könnte eine Asiatin sein. Sie kniet einige Minuten lang nieder, dann steht sie auf und berührt die Statue mit der Hand.

Marienstatue in der Basilika Notre Dame von Lausanne. | © Barbara Ludwig
20. Juli 2018 | 11:05
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