"Flashmob" während der Aktion 16 Tage gegen Gewalt in Sursee LU
Schweiz

Tanzen gegen Gewalt und für ein gutes Zusammenleben

Luzern, 11.12.15 (kath.ch) Während 16 Tagen sind in der Zentralschweiz Frauen umhergezogen, um auf überraschende Weise auf ein verdrängtes Thema aufmerksam zu machen: Gewalt im Alltag, häusliche Gewalt. Die Theologin Regula Grünenfelder ist Bildungsbeauftrage beim Schweizerischen Katholischen Frauenbund (SKF) und leitet die Fachstelle Feministische Theologie der Frauen-Kirche Zentralschweiz. Dieser ökumenische Verein engagiert sich seit 1987 für frauenspezifische Anliegen in Kirchen und Gesellschaft. Regula Grünenfelder blickt für kath.ch in einem Gastbeitrag auf die Aktion «16 Tage gegen Gewalt» zurück.

Die Arbeitsgruppe 16 Tage gegen Gewalt an Frauen Zentralschweiz 2015 hat sich zum Ziel gesetzt, mit der Botschaft gegen Gewalt und für ein friedliches Miteinander von Frauen und Männern Städtchen und Dörfern der Zentralschweiz zu besuchen. Frauen, denen Gewalt widerfahren ist, ziehen sich oft zurück, verlieren ihre Freude am Körper und trauen sich nicht mehr, ihre Leidenschaft zu leben. Deshalb haben Frauen weltweit Gefallen gefunden am gemeinsamen Tanzen in der Öffentlichkeit. Und so wird es dort auch hell und laut, wo das «Dancemobil» hält: Im bunten Scheinwerferlicht tanzen Frauen, Mädchen und einige Männer gegen Gewalt und für selbstbestimmtes, leidenschaftliches Leben in Sicherheit.

Als Frauen-Kirche mit anderen gegen eine Epidemie

In der Schweiz ist immer noch jede fünfte Frau von häuslicher Gewalt betroffen. Die Polizei rückt in der Schweiz täglich zwanzigmal aus wegen häuslicher Gewalt. Und jede Woche gibt es in der Schweiz einen versuchten oder vollendeten Tötungsversuch an einer Ehefrau, Freundin oder Ex-Partnerin. Ebenfalls laut Bundesstatistik sind mit den Frauen 27’000 Kinder von häuslicher Gewalt betroffen. Wer für dieses Thema sensibilisiert, tut das auch mit Männern, die mehrheitlich nicht wollen, dass Frauen Gewalt angetan wird. Und das hilft auch Tätern, die so lange in der Gewaltspirale gefangen bleiben, bis die Gewalt ans Licht kommt und sie Verantwortung übernehmen. Die Verantwortung liegt – und da sind sich Fachpersonen einig – bei der Gewalt ausübenden Person, ob Mann oder Frau. Das gemeinsame Engagement der Frauen-Kirche mit Frauenhäusern, Opferberatungsstellen, anderen Frauenorganisationen und kantonalen Gewaltpräventionsstellen entspricht dem Leitbild. Darin heisst es: «Frauen schöpfen seit Jahrtausenden aus den Quellen der Religionen. Frauen leiden seit Jahrtausenden an Ausgrenzung, Unterdrückung und Gewalt, die religiös begründet werden. Aus dieser Spannung sind Befreiungs- und Erneuerungsbewegungen entstanden, zu der die Frauen-Kirche gehört.» Auch häusliche Gewalt wird zum Teil religiös begründet – oder aber aus religiösen Motiven verschwiegen.

Kirchen geben Raum

Manche reformierte und katholische Kirchen der Zentralschweiz beteiligen sich an der Kampagne durch die kostenfreie Raum- und Platzbenützung, Mithilfe beim Mobilisieren, Geldspenden, personelle Ressourcen bei Podiumsgesprächen. Hilfe ist auch eine Gemeindeleiterin, die nach dem Notwendigen fragt und den Zusammenhang zur Familiensynode herstellt, oder eine Pfarreisekretärin, die sagt: «Ja, ich helfe, ich bin auch eine Betroffene. Wie gut, dass ihr das macht!»

«Ja, ich helfe, ich bin auch eine Betroffene.»

Ganz konkret hielt das «Dancemobil» an 15 verschiedenen Orten: In Zug sind die katholische Pfarrei St. Johannes und die reformierte Kirche des Kantons Zug beteiligt. In Pfäffikon SZ und in Sempach werden die Pfarreisäle zum Eintanzen geöffnet, und die Aussenflächen von bis zu 160 Frauen, Mädchen und Männern «betanzt». An fast allen Stationen – Luzern, Baar, Stans, Rotkreuz, Pfäffikon, Willisau, Sursee, Escholzmatt, Zug, Hochdorf, Sempach, Cham, Kriens, Emmenbrücke, Steinhausen – beteiligen sich SKF-Frauenvereine, Blauringgruppen oder Pfarreien. Die Anlässe wurden zusammen mit lokalen Jazztanzgruppen, Musikschulen, Selbstverteidigungs- und Migrantinnengruppen, Schulklassen und Freundinnen organisiert, die einander gegenseitig zum Mittanzen einladen.

Ziel erreicht?

Die Arbeitsgruppe 16 Tage gegen Gewalt an Frauen Zentralschweiz, zu der über 15 Organisationen gehören, hat in diesem Jahr einen vielsprachigen Flyer mit Grundinformationen und den wichtigsten Anlaufstellen herausgegeben. Es ist eindrücklich, Frauen und Männern auf der Strasse den Flyer zu überreichen, beispielsweise mit den Worten: «Legen Sie ihn zu Ihren Akten, für sich, oder eine Tochter, Freundin, Nachbarin, eine Fremde. Sie können ihn bei Bedarf weitergeben und sagen: «Schau ‘mal, du bist nicht allein, es gibt Hilfe.» Viele Menschen nehmen den Flyer mit verständnisvoller Ernsthaftigkeit entgegen. Manchen Frauen kommen mitten in der tanzenden, lachenden Menge die Tränen. Auch Betroffene sind da, selbstverständlich. Statistisch gesehen sind es sogar viele. Aber sie sind nicht allein.

Ressourcen und das Reich Gottes

Die Frauen-Kirche Zentralschweiz hat in diesem Jahr die Leitung der Kampagne übernommen. Es wird gespart und die Kolleginnen haben immer weniger Zeit für diese wichtige Präventionsarbeit. Die Frauen-Kirche ist in die Lücke gesprungen. Wie es weitergeht, das müssen wir überlegen. Diese erste Kampagne in Städtchen und Dörfern hat allerdings Lust gemacht auf mehr: Wir kämpfen ja nicht «nur» gegen Gewalt, sondern engagieren uns für ein friedliches Zusammenleben. Wenn wir dies erfolgreich und mit Freude, tanzend und lachend, tun können, dann sollten wir vielleicht nicht gleich wieder damit aufhören, sondern mehr davon zur Welt bringen. Phantasievoll und herzlich: Segen für Familien und die ganze Gesellschaft.» (rg)

Bei der Fachstelle Koordination Gewaltprävention des Kantons Luzern können verschiedene Unterlagen zum Thema Gewaltprävention bestellt werden.

Frauen-Kirche Zentralschweiz

Schweizerischer Katholischer Frauenbund

www.16tage.ch

www.gewaltpraevention.lu.ch

«Flashmob» während der Aktion 16 Tage gegen Gewalt in Sursee LU | © zVg
11. Dezember 2015 | 11:06
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