Daniel Kosch
Schweiz

Tages-Anzeiger provoziert Kirche Schweiz mit Papst-Kritik

Zürich/Basel, 14.1.15 (kath.ch) Die katholische Kirche ist zu keinem Wandel fähig, schrieb kürzlich der Kirchenjournalist Michael Meier im Tages-Anzeiger. RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch und der prominente Schweizer Theologe Xaver Pfister widersprechen und gehen davon aus, dass Änderungen unter Papst Franziskus möglich sind. Der Papst brauche aber die Hilfe der ganzen Kirche. Im Alleingang sei es dem Papst nicht möglich, Reformen durchzusetzen – auch nicht beim Zölibat.

Scherrer Georges

Papst Franziskus agiere nach dem Prinzip «Neuer Stil, alte Lehre» schrieb Michael Meier,  in einem Kommentar im Tages-Anzeiger: «Selbst viele kleine Reformschritte machen keine Revolution. Den Vorwurf kann man ihm nicht ersparen, dass er durch seine vielsagenden Gesten und markigen Reden falsche Hoffnungen schürt», hiess es weiter.

Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) lässt diese Kritik so nicht stehen. Der neue Stil des Papstes aus Argentinien komme in einer «neuen Form der Amtsausübung» zum Ausdruck. In diesem «symbolisch stark aufgeladenen Amt» sei dies mehr als Kosmetik. Wenn der neue «Stil» verbindlich und wirksam sein solle, braucht es aber strukturelle, rechtlich bindende Reformen, welche die Zuständigkeiten anders verteilten, antwortete Kosch in einer Replik im Tages Anzeiger Kirchenkritiker Meier. Für die Umsetzung eines neuen «Kirchenmanagements» brauche es einen breiten Rückhalt auf allen Ebenen der Kirche und einen Kulturwandel: «Nicht einmal ein Papst kann diesen allein durchsetzen», so Kosch.

Franziskus fordert Dezentralisierung der Kirche

Auf Anfrage führte Kosch gegenüber kath.ch seine Forderung weiter aus. Im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium (2013) forderte Papst Franziskus eine Dezentralisierung der Kirche. Diese könne die katholische Kirche nur verwirklichen, wenn sie die Kompetenzen der nationalen oder kontinentalen Bischofskonferenzen neu definiert, so Kosch.

Rom muss nicht immer für Schweiz entscheiden

Nicht alles, was für die Schweiz Gültigkeit haben soll, müsse in Rom entschieden werden. Dazu gehören etwa Personalfragen. Kosch verweist auf den künftigen Kardinal und ehemaligen Nuntius in der Schweiz, Karl-Josef Rauber, der in einem Interview mit kath.ch mehr Mitspracherecht der Laien bei Bischofswahlen forderte. Kosch: «Bischöfe müssen nicht überall auf der Welt nach dem gleichen Prozedere ausgewählt werden. Die Kirche könnte Rücksicht auf die verschiedenen Kulturen nehmen».

Auch im Bereich der Liturgie könne kulturellen wie sprachlichen Eigentümlichkeiten Freiraum gewährt werden. Rom hat in den vergangenen Jahren bei Übersetzungen für Messbücher oder Rituale für Beerdigungen sehr stark seinen Einfluss geltend gemacht, was sogar unter den Bischöfen zu Unmut führte. «Eine solche Verantwortung könnte mit den Ortskirchen besser geteilt werden.»

In «Disziplinfragen» wie das Zölibat könnte man sich überlegen, ob in der lateinischen Kirche verschiedene Lösungen möglich sind. In den orientalisch-katholischen Kirchen ist das Zölibat nicht Pflicht. Solche Disziplinfragen kann die katholische Kirche in der Schweiz aber nicht allein entscheiden. Sie müssten unter Einbezug eines ganzen Kulturraumes diskutiert werden. Für Europa denkt Kosch an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE).

Auch streitbarer Kirchenmann hofft auf Papst

Verschiedene Zeichen, mit welchen Papst Franziskus seine Haltung markiert, lassen voller Hoffnung in die Zukunft blicken, sagt der Basler Theologe und streitbare Kirchenmann Xaver Pfister. Dazu gehört dessen offene Haltung zu Kindern. Er stört sich nicht daran, wenn Mütter ihre Kinder im Gottesdienst stillen. Er taufte Kinder von Unverheirateten, sagt Pfister. Das sind Signale für eine offene Kirche, in welcher die kirchliche Lehre «pastoral und nicht doktrinär gedeutet wird».

Die Bischofssynode im vergangenen Herbst habe jedoch andere Signale ausgestrahlt. Papst Franziskus hielt sich am Treffen zurück. Die Synode habe als vorläufiges Ergebnis die bestehende Doktrin in der Familien- und Ehepastoral nicht geändert. Pfister: «Vom Abschlusspapier bin ich enttäuscht. Ich habe aber die Hoffnung, dass das vorliegende Papier im zweiten Teil der Bischofssynode geändert wird.» Pfister engagiert sich darum heute sehr dafür, dass möglichst viele Gläubige im Anschluss an die erste Synode ihre Meinung zur Haltung der Kirche zu Ehe, Familie und Partnerschaft bei den Bischofskonferenzen kundtun und auf diese Weise einem Aufruf von Papst Franziskus folgen. Dieser hat die Gläubigen aufgefordert, Stellung zum Abschlussdokument zu nehmen. «Ich habe noch nicht abgeschrieben, dass Änderungen in der Doktrin der katholischen Kirche unter dem heutigen Papst möglich sind.»

Zölibat: Ball bei Bischofskonferenzen

Ein Hauptproblem in vielen Diözesen ist gemäss Pfister der Priestermangel. Papst Franziskus sollte erlauben, dass auch verheiratete Männer geweiht werden können. Wichtig sei, dass diese Diskussion in der Schweizer Bischofskonferenz angeworfen werde, um mit den entsprechenden Forderungen an den Vatikan zu gelangen. Pfister verweist auf den in Brasilien wirkenden österreichischen Bischof Erwin Kräutler.

Dieser habe bei einer Begegnung mit Papst Franziskus erklärt, das Hauptproblem in seiner Diözese Xingu bleibe der Mangel an Priestern. Der Papst möge die Weihe für verheiratete Männer zulassen. Der Papst habe geantwortet, die brasilianische Bischofskonferenz solle sich auf einen Vorschlag einigen. Spreche sich diese für die Weihe verheirateter Männer aus, dann werde er dies tun.

Papst in die Schweiz einladen

Ein Besuch des Papstes in der Schweiz sei sinnvoll, so Pfister. Wichtig sei aber, dass die Bischöfe gemeinsam mit den Laien diese Einladung aussprechen, so dass das «gesamte Volk Gottes vertreten ist. Das ist das erste. Das zweite ist, dass in der Schweiz die prophetischen Zeichen, die der Papst setzt, in der Kirche auch aufgenommen werden.» Dazu gehöre unter anderem die klare Hinwendung der Kirche Schweiz zu Randständigen, Flüchtlingen und Angehörigen anderer Religion. «Wenn ich an die Bischofskonferenz denke, dann traue ich dieser diese Kreativität nicht zu. Einfach einen grossen Gottesdienst in der Schweiz zu organisieren, an welchem der Papst teilnimmt, genügt nicht. Eine solche Feier befriedigt lediglich das Interesse der Schaulustigen.» Der Papst müsste direkt Orten besuchen, wo Menschen am Rand der Schweizer Gesellschaft leben. Dann wäre ein solcher Besuch «lebendiger und nachhaltiger».

Verschiedene Schweizer Politiker haben Papst Franziskus bereits eingeladen. In der Abtei Saint-Maurice würde man wünschen, dass der Pontifex aus Anlass des 1500-Jahr-Jubiläums des Klosters anreist. (gs)

 

Daniel Kosch | © Josef Bossart
15. Januar 2015 | 10:33
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Xaver Pfister forderte Papst-Rücktritt

Xaver Pfister ist heute «in Rente». Zuvor nahm er verschiedene Aufgaben in der katholischen Kirche Basel wahr. Der streitbare Theologe war unter anderem Informationsbeauftragter der Landeskirche Basel-Stadt und Leiter der katholischen Erwachsenenbildung beider Basel. Er wirkte zudem als Wort-zum-Sonntag-Sprecher beim Schweizer Fernsehen. 2007 zeichnete ihn die «Herbert Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche» aus und würdigte damit sein Bemühen, dass er Differenzen in der Kirche offen austrage. Er war 2004 Initiant eines offenen Briefes, in dem 41 katholische, zum Teil prominente Schweizer Kirchenleute den Rücktritt von Papst Johannes-Paul II. fordern. Die Unterzeichnenden erklärten damals, der Gesundheitszustand des 84-jährigen Kirchenoberhauptes führe zu einer Erosion der päpstlichen Autorität. (gs)