Der Mensch in der Menge
International

Studie untersucht erstmals Motive der Kirchenbindung in Deutschland

München, 22.1.19 (kath.ch) Was weiss die katholische Kirche in Deutschland eigentlich über ihre Mitglieder? Man müsste sie einfach einmal fragen. Als am Dienstag in München eine neue Studie des Heidelberger Sinus-Instituts präsentiert wurde, war die letzte vergleichbare repräsentative Erhebung auf Bundesebene immerhin schon 50 Jahre alt.

Christoph Renzikowski

Die Erkenntnisse der aktuellen Umfrage sind dazu angetan, die Sorgenfalten auf den Stirnen der Kirchenverantwortlichen noch einmal zu vermehren. Doch es gibt auch einige überraschende positive Befunde.

Das Datenmaterial ist nicht mehr ganz frisch. Zwischen Ende Juli und Mitte November 2017 wurden bundesweit 1.369 erwachsene katholische Christen interviewt. Jedes Gespräch auf Basis eines standardisierten Fragebogens dauerte im Schnitt eine knappe halbe Stunde.

Die katholische Unternehmensberatung MDG und das Erzbistum München und Freising haben es sich 150’000 Euro kosten lassen, um zu erfahren, was Katholiken an ihre Kirche bindet, allen Skandalen und Vorbehalten zum Trotz. Da nicht nach aktuellen Beweggründen, sondern grundsätzlichen Einstellungen gefragt wurde, gehen die Auftraggeber davon aus, dass die Ergebnisse im Wesentlichen bis heute gültig sind.

Schon seit längerem kehren jedes Jahr ein halbes bis ein Prozent der Mitglieder der Institution den Rücken. Doch das ist nur ein Bruchteil derer, die schon einmal über einen Austritt nachgedacht haben, nämlich 41 Prozent aller deutschen Katholiken. Warum die meisten diesen letzten Schritt der Distanzierung scheuen, lässt sich nun auf gut 200 Seiten im Detail studieren.

Die Familie

Die Tradition der Familie entfaltet nach wie vor eine mächtige Bindewirkung. Der Enkel bleibt trotz großer Distanz zur Kirche drin, damit die gläubige Oma nicht weinen muss. Vielleicht braucht er die Mitgliedschaft auch bald noch einmal, und sei es, um die Angetraute auf deren Wunsch vor den Altar zu führen. Und wer weiss, ob man auf den Laden bei der Jobsuche nicht doch angewiesen ist. Für nicht wenige, so hat die Studie erbracht, sind letztlich der Gang zum Standesamt und die dort zu erledigenden Formalitäten zu mühsam.

Die Person Jesus

Was Forscher und Auftraggeber gleichermassen überrascht hat: Jesus Christus «schneidet besser ab als erwartet», sagte MDG-Projektleiterin Jana Goetzke. 70 Prozent aller Befragten gaben an, der Glaube sei ihr wichtigster Grund, in der Kirche zu sein und zu bleiben. Wichtiger noch, als das geschätzte soziale Engagement der Kirche.

Das mit Abstand populärste kirchliche Angebot? Ist der Gottesdienst, vor allem zu Weihnachten und Ostern, aber auch zu Lebenswenden, wenn der Partner geehelicht, ein Kind getauft oder ein Angehöriger zu Grabe getragen wird.

Über den Glauben reden

Drei Viertel aller Befragten gaben an, sie hätten kein Problem, über ihren Glauben zu sprechen. Das widerspricht der landläufigen Ansicht, die Christen in Deutschland hätten das weitgehend verlernt.

Vielleicht fehlt es dafür nur an Räumen, gab der bei der MDG beschäftigte Theologe Thomas Nahrmann zu denken.

In der Studie sind nicht nur Befragungsergebnisse fein säuberlich in Grafiken und Tabellen umgesetzt. Ihrem methodischen Ansatz folgend haben die Heidelberger Sozialforscher aus ihren Daten ein Set von sieben Katholikentypen geformt, von den Bekennenden über die Gemeindeverwurzelten zu den Dienstleistungsorientierten und religiösen Freigeistern.

Die Benennung kann bisweilen zu Kurzschlüssen führen: So sind die «Kompromisslos Beharrenden» trotz ihres vergleichsweise sehr konservativen Profils «nicht als ignorante katholische Hardliner zu verstehen», liest man da.

So meinten fast die Hälfte der Katholiken dieses Typs, dass sich alle Weltreligionen im Grossen und Ganzen ähnlich seien. Auch werde von diesen Katholiken das Frauenbild der katholischen Kirche kritisiert, jedoch weniger oft als im Durchschnitt. (kna)

Der Mensch in der Menge | © pixabay KeithJJ CC0
22. Januar 2019 | 16:20
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