Patriarch Kyrill I. in der Russisch-orthodoxen Auferstehungskirche Zürich
International

Streit wegen der Stellung orthodoxer Kirchen in der Ukraine verschärft sich

Minsk, 15.10.18 (kath.ch) Im Streit um die orthodoxe Kirche in der Ukraine erwartet der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. nach wie vor einen guten Ausgang für seine Kirche. Das Leitungsgremium der russisch-orthodoxen Kirche, der Heilige Synod, will an diesem Montag in Minsk seine Antwort auf die umstrittene Initiative des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel festlegen, in der Ukraine eine eigenständige ukrainisch-orthodoxe Landeskirche zu bilden.

«Wir glauben, dass keine säkulare Kraft erfolgreich sein wird, die das Ziel hat, die Kirche zu zerstören», sagte das Kirchenoberhaupt am Wochenende in der weissrussischen Hauptstadt Minsk. Die Lage in der Ukraine sei zwar schwierig, aber die Kirche werde auch diese «schwere Prüfung» überstehen wie schon andere in der Vergangenheit. Beobachter rechnen allerdings mit einer Verschärfung der bereits im September beschlossenen russisch-orthodoxen Sanktionen gegen Konstantinopel.

Kommt es zur Kirchenspaltung?

Der Aussenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, sprach bereits von einer Kirchenspaltung. Konstantinopels Anerkennung zweier für die Spaltung verantwortlicher ukrainischer Kirchenführer «setzt uns ausserstande, mit dem Patriarchat von Konstantinopel vereint zu sein», sagte der Metropolit im russischen Fernsehen.

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew versammelten sich am Sonntag unterdessen Tausende Menschen auf dem Sophienplatz, um Konstantinopel für seine Entscheidung zu danken. Sie feierten, dass Konstantinopel die Gründung einer vereinten, eigenständigen orthodoxen Landeskirche in der Ukraine befürwortet.

Eigenständige Landeskirche für die Ukraine

Der vom Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, geleitete Heilige Synod hatte am Donnerstag in Istanbul zwei vom orthodoxen Moskauer Patriarchat abgespaltene Kirchen in der Ukraine anerkannt. Das Konstantinopler Leitungsgremium hob den Kirchenbann auf, den die russisch-orthodoxe Kirche gegen den ukrainischen Oberhirten, Patriarch Filaret von Kiew, und den Primas der kleineren, bereits 1920 gegründeten «Ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche», Metropolit Makarij, verhängt hatte.

Bartholomaios I. unterstützt in der Ukraine die Bildung einer von vielen dort lebenden orthodoxen Christen gewünschte eigenständige (autokephale) Landeskirche. Die russisch-orthodoxe Kirche will aber ihre Oberhoheit über die orthodoxe Kirche in der Ukraine behalten. Das Moskauer Patriarchat betrachtet das osteuropäische Land als sein kanonisches Territorium.

Vorwurf von «widerrechtlichen Aktivitäten»

Mitte September hatte die russische Kirche erstmals in der neueren Kirchengeschichte offiziell mit dem völligen Bruch mit Konstantinopel gedroht: «Für den Fall, dass das Patriarchat von Konstantinopel seine widerrechtlichen Aktivitäten auf dem Territorium der ukrainischen orthodoxen Kirche fortsetzt, werden wir gezwungen sein, die eucharistische Gemeinschaft mit dem Patriarchat von Konstantinopel vollständig abzubrechen», heisst es in der Erklärung des Heiligen Synods. (kna)

Patriarch Kyrill I. in der Russisch-orthodoxen Auferstehungskirche Zürich | © Georges Scherrer
15. Oktober 2018 | 15:12
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Russisch-orthodoxe Kirche

Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand grösste orthodoxe Nationalkirche. In Russland bekennen sich gut zwei Drittel der Bevölkerung zu ihr, etwa 100 Millionen Menschen. Fast alle übrigen früheren Sowjetrepubliken zählt das Moskauer Patriarchat ebenfalls zu seinem kanonischen Territorium.

Seit Februar 2009 steht Patriarch Kyrill I. (71) an der Spitze der Kirche. In seiner Amtszeit verbesserte sich das lange angespannte Verhältnis zur katholischen Kirche spürbar. Höhepunkt war bislang die historische Begegnung mit Papst Franziskus im Februar 2016 auf Kuba. Stark verschlechtert hat sich jedoch das Verhältnis zwischen dem Moskauer Patriarchat und dem geistigen Zentrum der Weltorthodoxie, dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel.

Die Zahl der Priester und Bistümer stieg nach dem Ende des kirchenfeindlichen kommunistischen Regimes stark an. Heute zählt sie mehr als 40’000 Geistliche, fast 400 Bischöfe und 303 Eparchien (Diözesen). Allein seit 2009 wurden 144 neue Bistümer gegründet. Weltweit gibt es rund 37’000 Kirchen und Kapellen.

Die russische Kirche entstand im Jahr 988 mit der Taufe des Kiewer Grossfürsten Wladimir. Ende des 16. Jahrhunderts verlieh Konstantinopel der Kirche von Moskau den Rang eines Patriarchats. (kna)