Public Eye übergibt 2016 die Petition gegen Dirty-Diesel
Schweiz

Seit 50 Jahren stellt «Public Eye» unbequeme Fragen

Bern, 26.5.18 (kath.ch) Was 1968 mit einem Manifest aus theologisch-reformierten Kreisen begann, ist heute eine renommierte NGO: Die Organisation «Public Eye», bis 2016 unter dem Namen «Erklärung von Bern» bekannt, feiert am Samstag ihr 50-jähriges Bestehen. kath.ch hat nachgefragt, was aus den theologischen Wurzeln geworden ist.

Sylvia Stam

Geblieben sei die Grundhaltung, dass man beim Einsatz für eine gerechtere Welt nicht die Symptome bekämpfen, sondern «nach den Ursachen graben» wolle, sagt Mediensprecher Oliver Classen gegenüber kath.ch. Gemeint ist das Aufdecken von Ungerechtigkeiten, die ihren Ursprung in der Schweiz haben, wie «Public Eye» auf seiner Website schreibt.

«Uns darf es eigentlich nicht brauchen!»

Der runde Geburtstag sei durchaus ein Grund, stolz zu sein, meint Classen, insbesondere für die Pioniere, die schon damals den Menschen in der Schweiz unbequeme Tatsachen zugemutet hätten. Grundsätzlich arbeite die Organisation aber an der Selbstabschaffung: «Uns darf es eigentlich nicht brauchen!», sagt Classen dezidiert.

Losgelöst von religiösen Zusammenhängen sei die Organisation heute nach wie vor wertegeprägt und orientiere sich an der Erklärung der Menschenrechte. «Dieser säkulare Wertekanon müsste Richtschnur des Handelns aller Menschen, insbesondere aber der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft sein», so Classen.

Zusammenarbeit mit kirchlichen Hilfswerken

Dem Grundsatz der Pioniere – «Es geht nicht so sehr darum, mehr zu geben, als weniger zu nehmen» – ist «Public Eye» bis heute treu. Dieses Credo sei komplementär zur Arbeitsweise vieler kirchlicher Hilfswerke. Dennoch bestehe eine enge Zusammenarbeit etwa mit Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft von Caritas, Fastenopfer, Brot für alle, Heks, Swissaid und Helvetas.

Classen wünschte sich trotzdem mehr Einmischung der Kirchen und ihrer Hilfswerke in politische Probleme. «Die Konfrontation mit unbequemen zeitkritischen Fragen scheint mir allerdings zutiefst unkirchlich», so Classen. Denn die Kirche sei von ihrem Rollenverständnis her dialogorientiert, wirke oftmals auf De-Eskalation hin. Als Beispiel nennt er die «fragwürdige Partnerschaft» des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes mit dem World Economic Forum (WEF) in Davos, die über Jahre hinweg gemeinsam das Open Forum Davos organisiert haben.

«Stilbildende Leuchttürme»

Highlights aus den vergangenen 50 Jahren mag Classen nicht nennen, erwähnt aber als «stilbildende Leuchttürme» dennoch Kampagnen wie «Public Eye on Davos», die langjährige Gegenveranstaltung zum WEF, «Jute statt Plastik» oder «Dirty Diesel». Leztere forderte von Schweizer Unternehmen wie Trafigura, Afrika nicht länger mit giftigem Treibstoff zu überfluten. 19’071 Menschen haben die Forderung 2016 unterschrieben.

Eigentliche Tiefpunkte nennt er nicht, erwähnt aber, dass die immer aggressiveren juristischen Anfeindungen zahlreicher Konzerne viele Ressourcen binden würden.  «Solche Attacken sind für uns zwar mühsam, aber nicht nur eine schlechte Nachricht. So bekommen wir und damit die Sache immer auch mehr Aufmerksamkeit.»

Abstimmungskampf für die Kovi

Ein aktuelles Hauptthema ist die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi), zu deren Initianten die Organisation gehört. Zusammen mit fast 100 weiteren Organisationen ist «Public Eye» dabei, sich auf den Abstimmungskampf vorzubereiten.

Für die Zukunft von «Public Eye» wünscht sich Classen von den Verantwortungsträgern in Politik und Wirtschaft tiefer reichende Einsichten in die Konsequenzen ihres Handelns. Im Idealfall wäre es in 50 Jahren nicht mehr nötig, «ihnen auf die Finger zu schauen und zu klopfen.» Optimistisch ist er diesbezüglich nicht.

Die Rolle der Zivilgesellschaft

Vielmehr stelle sich die Organisation die Frage, welche Rolle der Zivilgesellschaft zukomme in einer Welt, in der etablierte Parteien Ratlosigkeit verbreiteten und «demokratierelevante Medien vor sich hin kriseln».  Diese Frage wird denn auch im Zentrum des Geburtstagsfests stehen, das am Samstag in Bern gefeiert wird.

Hinweis: Geburtstagsgala mit Diskussion über die «Rolle und Zukunft der Zivilgesellschaft in unserer globalisierten Wirtschaftswelt», am 26. Mai 2018, 19.30 Uhr, im Theatersaal des Berner Hotel National.


 

 

 

 

Public Eye übergibt 2016 die Petition gegen Dirty-Diesel | © Mark Henley / Panos
26. Mai 2018 | 05:29
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50 Jahre «Public Eye»

Im Jahr 1968 forderten 10’000 Unterzeichnende des Manifestes «Erklärung von Bern» eine solidarische Schweiz. Dies legte den Grundstein für die entwicklungspolitische Organisation, die bis 2016 «Erklärung von Bern» (EvB) hiess, heute «Public Eye». Sie setzt sich mittels Recherchen, Lobbyarbeit und Kampagnen dafür ein, dass Schweizer Unternehmen und die Politik ihre Verantwortung zur weltweiten Achtung der Menschenrechte wahrnehmen. «Public Eye» hat laut eigenen Angaben heute über 25’000 Mitglieder aller Alterskategorien.

Die EvB legte sich in den 70er Jahren mit dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé an und unterstützte die Bankeninitiative. Seit den 90er Jahren weist die NGO auf Ungerechtigkeiten in der Textilindustrie hin, im Jahr 2000 gründete sie mit «Public Eye on Davos» eine Gegenveranstaltung zum World Economic Forum. 2009 prangerte sie die Kinderarbeit bei der Herstellung von Schweizer Schokolade an. In jüngerer Zeit ist die Rolle der Schweiz im Rohstoffhandel Thema. 2015 lancierte die NGO gemeinsam mit anderen Organisationen die Konzernverantwortungsinitiative, die derzeit im Parlament diskutiert wird. 2016 änderte die EvB ihren Namen in «Public Eye». (sys)