Schwester Emmanuela Kohlhaas (61) ist Benediktinerin vom Heiligsten Sakrament.
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Schwester Emmanuela Kohlhaas: «Ich bewundere den Mut, Neues zu beginnen»

Die frühere Priorin Emmanuela Kohlhaas (61) ist aus ihrem Kloster in Köln ausgezogen und hat zusammen mit anderen Schwestern ein neues Kloster eröffnet. Es brauche Offenheit, sagt die Benediktinerin. Sie kritisiert die Art, wie Priester ihrem Bischof Gehorsam versprechen müssen. «Das muss weg.»

Jacqueline Straub

Während viele Klöster schliessen oder zusammengelegt werden, wächst Ihre Gemeinschaft. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Schwester Emmanuela Kohlhaas*: Ich habe keines. Aber ich bin sehr erfreut, dass von den 25 Neueintritten während meiner Zeit als Priorin bislang 17 Schwestern geblieben sind.

Irgendwas müssen Sie doch richtig machen, wenn Sie nun sogar ein neues Kloster gegründet haben.

Kohlhaas: Die Gemeinschaft war schon immer sehr vital. Sie lebt von starken und auch individuellen Persönlichkeiten.

«Die Schwestern waren immer starke Persönlichkeiten.»

Woran hat sich das gezeigt?

Kohlhaas: Wir haben in der Geschichte unsere Gemeinschaft schon in den 20er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts zweimal eine Priorin abgesetzt, die nicht funktionierte. Die Schwestern waren immer starke Persönlichkeiten, die wussten, was sie wollten. Sie haben eine Atmosphäre der Offenheit geprägt. Zudem glaube ich, dass es bei uns schon immer leichter war, neue Aufbrüche zu denken, kritisch zu sein und etwas auszuprobieren und zu verändern.

«Wir sind losgezogen, um ein weiteres Kloster auf den Weg zu bringen.»

Von Rückwärtsgewandtheit also keine Spur…

Kohlhaas: Bei uns gab es nie viel Staub, sondern immer eine aktuelle und vitale Reaktion auf das, was in der Zeit passierte.

Inzwischen sind Sie nicht mehr Priorin der Benediktinerinnengemeinschaft Köln. Nun leben Sie nicht mehr dort.

Kohlhaas: Zusammen mit einer Gruppe Schwestern bin ich losgezogen, um ein weiteres Kloster auf den Weg zu bringen. Seit fast drei Monaten leben wir nun auf einer Anlage zwischen den zwei Metropolen Düsseldorf und Duisburg.

Gebet
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Welche Herausforderungen stehen Ihnen bevor?

Kohlhaas: Offen ist, ob es uns gelingen wird, unseren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Als Orden müssen wir das ja selber. In Deutschland bekommen wir keine Kirchensteuer. Die entscheidende Frage aber ist: Wächst unsere neue Gemeinschaft weiterhin?

Haben Sie eine Prognose?

Kohlhaas: Nein. Ich hoffe und bete, dass die Gemeinschaft weiterhin wächst und für sich selbst sorgen kann.

Das Osterevangelium nach Markus.
Das Osterevangelium nach Markus.

Was können Klöster Ihrer Meinung nach machen, um vital zu bleiben?

Kohlhaas: Die Türen aufmachen, auch innerlich und geistlich, anstatt zuschliessen. Und ansonsten: je näher am Evangelium, umso besser. Wir merken jetzt schon in den ersten Wochen am neuen Ort: Die Menschen reagieren stark darauf, wenn eine Gruppe da ist mit der Botschaft: Wir sind jetzt hier, um ganz schlicht das Leben zu teilen, zu beten, zu arbeiten, den Menschen zu begegnen, Glaubensfragen mit ihnen zu besprechen und einfach unseren Glauben sichtbar zu machen.

Dennoch wird das Evangelium immer weniger gehört.

Kohlhaas: Ich glaube tatsächlich, dass das Evangelium nichts an Leuchtkraft in unserer Zeit verloren hat. Es wird eher wieder stärker. Ich glaube, die Menschen sind langsam zu Recht einfach nur noch genervt über das Gejammere in der Kirche, über dieses Gefühl, dass über allem ein Mehltau liegt.

Im Fokus der Medien: Der Synodale Weg in Deutschland - und in Rom unter Beschuss.
Im Fokus der Medien: Der Synodale Weg in Deutschland - und in Rom unter Beschuss.

Sollte keine Kritik mehr vorgebracht werden?

Kohlhaas: Doch, unbedingt. Kritik ist berechtigt. Konstruktive Kritik ist ganz wichtig. Dennoch: Ich bin nicht wegen eines Bischofs in der Kirche und ich werde diese auch nicht wegen eines Bischofs verlassen. Es geht mir um die Botschaft Jesu. Es geht mir um das Evangelium und darum, wie man es leben kann.

Sie haben bei der Arbeit am neuen Kirchengesangsbuch einige Male Freiburg in der Schweiz besucht. Was für ein Eindruck haben Sie vom Land?

Kohlhaas: Ich habe auch schon die Benediktinerinnen im Kloster St. Lazarus in Seedorf UR besucht und kenne Priorin Irene vom Kloster Fahr natürlich auch. Ich bin immer wieder fasziniert von den Bergen. Gerne würde ich öfters Ferien in der Schweiz machen, aber es ist natürlich ziemlich weit weg. Und jetzt braucht das neue Kloster meine ganze Präsenz.

«Ich weiss, dass gerade in der Schweiz die Nachwuchssituation dramatisch ist.»

In der Schweiz wird schon lange und hitzig über die Zukunft der Klöster diskutiert. Etwa, ob Klöster umfunktioniert werden sollen. Was raten Sie?

Kohlhaas: Es gibt in der Schweiz ja Gemeinschaften, die beschlossen haben, sich zusammenzuschliessen. Ich bewundere den Mut, Neues zu beginnen – mit oder ohne Nachwuchs. Allerdings tut mir das Herz weh, angesichts der wunderbaren uralten Klöster, die nun nicht mehr belebt sind. Orte mit solch grosser Geschichte aufzugeben, ist schmerzhaft. Ich weiss, dass gerade in der Schweiz die Nachwuchssituation dramatisch ist, ähnlich wie in den Beneluxländern. Ich freue mich, wenn ich von neuen Aufbrüchen höre. Im Grunde muss für jede einzelne Situation eine eigene Lösung gefunden werden. Es gibt aber schon jetzt Beispiele, die zeigen, dass ein Haus gut weitergegeben werden kann.

: Die Benediktinerinnengemeinschaft des Klosters St. Gallenberg in Oberbüren mit Äbtissin Ancilla Zahner (links).
: Die Benediktinerinnengemeinschaft des Klosters St. Gallenberg in Oberbüren mit Äbtissin Ancilla Zahner (links).

Könnten Sie ein Beispiel nennen?

Kohlhaas: Das Benediktinerinnenkloster St. Gallenberg im sanktgallischen Oberbüren schafft mithilfe von Laiinnen und Laien noch immer die Ewige Anbetung. Dort leben nur noch wenige Schwestern.

Sie haben zusammen mit Thomas Frings ein Buch über Ungehorsam herausgeben. Die Silbe «un» ist auf dem Buchcover durchgestrichen. Was bedeutet Gehorsam als Ordensschwester?

Kohlhaas: Priester und Ordensleute haben ein vollständig unterschiedliches Gehorsamsverständnis.

«Wir alle sind an das gleiche Versprechen gebunden.»

Woran ist das erkennbar?

Kohlhaas: Wenn bei uns eine Schwester ihre Gelübde ablegt, verspricht sie Gott den Gehorsam – aber keinem Menschen. Die Priorin geht zur Seite, so dass die Ordensschwester ausschliesslich Christus ihren Gehorsam aussprechen kann. Die Mitfeiernden sind Zeugen dessen. Wir alle sind an das gleiche Versprechen gebunden. Das lässt jede Hierarchie in völlig neuem Licht erscheinen.

Bei den Priestern sieht das aber anders aus.

Kohlhaas: Der Bischof fragt die Priester bei der Weihe: «Versprichst du mir und meinen Nachfolgern Ehrfurcht und Gehorsam?». Das ist ein unmittelbares Gehorsamsversprechen an einen Menschen. Hätte Jesus das so von seinen Jüngern gefordert? Das ist eher ein Lehensgestus – ein ganz menschlicher Gehorsam. Da sollte die Amtskirche mal genauer hinschauen. Dieses Gehorsamsversprechen gegenüber einem Menschen müssen weg. Es passt nicht zum Evangelium.

«Es geht darum, in jedem Augenblick den Anspruch Gottes an mich zu erkennen.»

In Ihrem Buch schreiben Sie über «Gehorsam 2.0». Was meinen Sie damit?

Kohlhaas: Es geht um einen gewaltfreien Gehorsam, bei dem es nicht um Dominanz geht, sondern um radikale Offenheit. Für mich kommt das Gehorsamskonzept des frühen Mönchtums dem am nächsten, was man als Achtsamkeit aus den östlichen Religionen kennt. Es geht darum, in jedem Augenblick den Anspruch Gottes an mich zu erkennen und darauf eine Antwort zu geben und nicht zu tun, was andere Menschen mir sagen.

*Schwester Emmanuela Kohlhaas (61) ist Benediktinerin vom Heiligsten Sakrament. Von 2010 bis 2022 war sie Priorin im Benediktinerkloster Köln-Raderberg. Im Juli 2022 gründete sie ein neues Benediktinerinnenkloster in Düsseldorf-Angermund.


Schwester Emmanuela Kohlhaas (61) ist Benediktinerin vom Heiligsten Sakrament. | © Jacqueline Straub
29. Januar 2023 | 12:00
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