Daniel Anrig
Schweiz

Entlassener Kommandant wehrt sich: «Ein Gardist muss ohne Wasser Wache stehen!»

Rom, 28.1.2015 (kath.ch) Knall auf Fall musste er gehen: Jetzt bricht der vom Papst entlassene Kommandant der Schweizer Garde, Daniel Anrig, in einem Gespräch mit der liberalen Neuen Zürcher Zeitung NZZ sein Schweigen. Er gesteht, dass er seine abrupten Abgang so «nicht erwartet» hatte, «selbst wenn er den Erneuerungswillen des Pontifex nachvollziehen könne».

Nicht nachvollziehen kann der geschasste Kommandant hingegen die Kritik des Papstes am Wasserverbot für Gardisten während der Wache: «Ein Gardist, der es nicht aushält seine Wache ohne Wasserkonsum an der Öffentlichkeit zu absolvieren, ist ganz einfach am falschen Platz.»

Die Geschichte über die Härte des Gardekommandanten und die Milde und Menschlichkeit des Papstes ist mittlerweile Allgemeingut und wird in der NZZ (29.1.15) so ausführlich mit Anrig besprochen, dass sie wohl stimmen muss: Der Papst sei darüber schockiert gewesen, dass die Gardisten sich während seiner Anwesenheit in der Kasernenküche weder setzen noch trinken durften. Dazu sagt Anrig nun folgendes: Die Geschichte zeige, dass der Heilige Vater «sich um seine Mitmenschen sorge» und damit eine neue Richtung einschlage und neuen Wind bringen wolle.

«Am falschen Platz»

Nichtsdestotrotz gibt Anrig klar zu verstehen, dass er nicht bereit war, sich zu ändern und neue, weniger mittelalterlich-militärische Regeln für die Gardisten aufzustellen. Mehr noch: Soldat Anrig kann die Kritik des Papstes am Wasserverbot schlicht nicht nachvollziehen: «Ein Gardist, der es nicht aushält, seine Wache ohne Wasserkonsum an der Öffentlichkeit zu absolvieren, ist ganz einfach am falschen Platz», donnert der geschasste Gardekommandant in der NZZ.

Auf den Vorwurf, das sei übertriebene Härte, markiert Anrig den harten Mann auch gegenüber sich selber: «Ich weiss, was es bedeutet, acht Stunden Dienst zu leisten. Ich habe es immer geschafft, auch längere Phasen vor dem Publikum auch ohne Wasser auszuhalten. Entscheidend ist, dass man sich vorher ausreichend verpflegt.»

Nie vor Papst absitzen oder Wasser trinken!

Zurück zur Küchenszene: Schlicht unvorstellbar findet es Anrig, dass ein Gardist vor dem Papst absitzt und Wasser trinkt. Zitieren wir dazu nochmals den O-Ton von Anrig in der NZZ: «Als Soldat und Offizier ist es für mich aber ganz klar, dass man nie vor einer solchen Persönlichkeit sich setzen oder trinken würde.»

«Schöne Dienstwohnung war nicht so exklusiv»

Anrig nimmt auch Stellung zu seiner Dienstwohnung im Vatikan, die laut Medienberichten dem Papst zu luxuriös gewesen sein soll: Die Dienstwohnung sei schön gewesen, gibt Anrig zu, «aber nicht so gross und exklusiv wie die Medien berichtet hätten» Und Anrig doppelt nach: «Seine sechsköpfige Familie habe in Glarus in einem Haus mit Garten wohnlicher gelebt als im Vatikan». Luxus sei ihm fremd, er habe stets mit der Familie Ferien auf dem Campingplatz verbracht.

Anrig bereitet nun alles für den Umzug zurück in die Schweiz vor. Erschwerend kommt hinzu, dass sein Rauswurf aus dem Vatikan mitten ins Schuljahr seiner Kinder fällt. Sein Abgang von der Garde per Ende Januar wird laut NZZ am Samstag mit einer Zeremonie im Vatikan gefeiert. Anrig stand seit 2008 an der Spitze der Garde.

Nachfolger noch nicht bekannt

 

Italienische und Schweizer Medien spekulieren seit Tagen, dass Papst Franziskus mit der Doppelstruktur Gendarmerie-Schweizergarde nicht zufrieden ist und Veränderungen durchsetzen möchte. Sogar von einem kompletten Aus für die Garde ist die Rede. Stattdessen wolle sich der Pontifex lieber auf die gut ausgebildete Gendarmerie des Vatikan verlassen.

Anlass der Spekulationen ist, dass der Papst noch keinen Nachfolger für den Ende des Vorjahrs abgesetzten Kommandanten Daniel Anrig ernannt hat. Laut der italienischen Presseagentur ANSA wünscht sich Franziskus jedenfalls eine weniger militärische und menschlichere Garde.

Radio Vatikan: Lateinstunde über Gendarmerie

Über die Arbeit der vatikanischen Gendarmerie können sich Lateinliebhaber ab sofort auch in der Sprache der alten Römer informieren. Am Dienstag schaltete Radio Vatikan auf seiner Webseite einen Radiobeitrag des Buchautors und Vatikanexperten Ulrich Nersinger frei, gelesen von einer Sprecherin auf Latein. In dem Text berichtet Nersinger über die Aufgaben und Zugangsvoraussetzungen der Polizeitruppe des Papstes. Er ist auf der Webseite von Radio Vatikan aber auch auf Deutsch nachlesbar.

Dass die Arbeit der Gendarmerie jetzt sogar von Radio Vatikan für Latein-würdig befunden wird, heizt derweil bei den Vatikanologen die Gerüchteküche über den Status der Schweizer Garde weiter an.

Neben der Schweizergarde ist die Gendarmerie das zweite Sicherheitskorps des Vatikan. Während die Garde als einzige Aufgabe den Schutz des Papstes hat, nimmt die Gendarmerie auch Aufgaben als Staats-, Justiz-, Finanz- und Verkehrspolizei im Vatikanstaat wahr. (dsw/kap)

 

Daniel Anrig | © Oliver Sittel
29. Januar 2015 | 11:17
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Unterschriftenaktion pro Garde ein Flop

Zürich, 29.1.15 (kath.ch) Eine Gruppe ehemaliger Gardisten rief nach Anrigs Absetzung eine Unterschriftenaktion ins Leben, um den Papst zum Erhalt der Garde zu bewegen. Die Aktion wurde jedoch kurze Zeit später auf Betreiben der Leitung der Vereinigung der ehemaligen Gardisten wieder eingestellt, wie kath.ch bereits bereits früher berichtet hat. Nur 322 Personen hatten bis am 8. Januar die Online-Petition unterschrieben.

Es gebe «keinerlei objektive Anhaltspunkte», dass der Papst die Garde abschaffen könne, heisst es dazu in einer Mitteilung der Vereinigung. Man sei überzeugt, dass die Garde auch weiterhin «das uneingeschränkte Vertrauen und die Wertschätzung» des Oberhaupts der katholischen Kirche genieße.

Der abrupte Abgang Anrigs sorgte für heftige Schlagzeilen weltweit. Ehemalige Gardisten warfen ihm vor, «jede Bodenhaftung» verloren zu haben und «arrogant und überheblich» gewesen zu sein. Auch der Bau eines neuen großen Appartements auf dem Gelände der Kaserne der Schweizer Garde für Anrig und seine Familie sei beim Bescheidenheit predigenden Franziskus nicht gut angekommen. Nach Ansicht der Vereinigung der Ex-Gardisten sei dies eine «Rufmordkampagne» gewesen.

Anrig war früher Kripo-Chef des Kantons Glarus. Er geriet schon dort in die Schlagzeilen, weil er mitverantwortlich war für eine umstrittene Polizei-Razzia in einem Asylbewerberheim. Ein Strafverfahren nach einer Anzeige von Amnesty International gegen ihn wurde eingestellt, aber Anrig musste laut Wikipedia einen Teil der Prozesskosten selber tragen. (bal/dsw)