Schweiz zeigt in Wittenberg Pavillon der «dreifachen Freundschaft»

Wittenberg/Bern, 21.5.17 (kath.ch) Wenige Tage vor dem grossen Festwochenende zum Reformationsjubiläum ist am Samstag in Wittenberg die Weltausstellung Reformation «Tore der Freiheit» eröffnet worden. Am selben Tag fand im Beisein von viel kirchlicher Prominenz auch die Vernissage zur Eröffnung des Pavillons «Prophezey – die Schweizer Reformation» an der Weltausstellung statt. Es war ein besonderer Tag für alle Beteiligten.

Die Schweiz ist in der Lutherstadt Wittenberg schon akustisch kaum zu überhören. Unweit des Bahnhofs und unter einem 30 Meter hohen Turm in Form einer Bibel spielt die Gruppe «joel musy» aus dem waadtländischen Gland mit ihren Blasinstrumenten schmissige Melodien. Sie lassen sich auch nicht von einer Gruppe pöbelnder junger Männer aus der Ruhe bringen, die den Auftakt zu den Feierlichkeiten stören wollen.

Sie stehen vor dem Truck vom «Europäischen Stationenweg», der am Samstagmorgen am Hauptbahnhof Wittenberg eingetroffen ist, nachdem er 25’000 Kilometer durch 19 europäische Länder getourt ist. Das passt, denn die Gruppe «joel musy» hatte schon beim Start des Trucks am 3. November in Genf gespielt.

Countdown zur Eröffnung

Um 13.30 Uhr beginnt der Countdown für die Eröffnung der Weltausstellung «Tore der Freiheit» auf der Bühne auf dem Marktplatz. Der Wettergott meint es gut. Unter den markanten Türmen der Stadtkirche St. Marien und bei Sonnenschein versammeln sich Tausende auf dem Marktplatz zu einem ökumenischen Gottesdienst.

Den Worten von Margot Kässmann, Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem deutschen Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier und von Christina Aus der Au, Präsidentin des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags, lauschen auch kirchliche Persönlichkeiten aus der Schweiz, darunter Markus Büchel, Bischof von St. Gallen, Gottfried Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) und Charles Morerod, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK). Sie werden Zeugen davon, wie der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford- Strohm, die Weltausstellung «Tore der Freiheit» feierlich eröffnet. Blaue und rote Luftballone steigen in die Luft.

«Prophezey – die Schweizer Reformation»

Nach dem ökumenischen Gottesdienst stromern die Besucher gutgelaunt über den grossen Markplatz. «Es ist friedlich geblieben, auch dies ist ein Geschenk», sagt ein Wittenberger. Bischof Markus Büchel und alle anderen Gäste aus der Schweiz zieht es nun zum «Torraum 7» – zur Vernissage der Ausstellung «Prophezey – die Schweizer Reformation» im Rahmen der Weltausstellung Reformation in Wittenberg.

Der Andrang ist riesig. Das gemeinsame Konzept von SEK und SBK, lesen die Besucher auf Info-Tafeln, ist der kulturhistorischen Bedeutung und Wirkung der Reformation und Gegenreformation in der Schweiz gewidmet und stellt besonders die Zürcher Bibel von 1531 als gemeinsame Grundlage des Glaubens ins Zentrum.

Eröffnet wird die Ausstellung von Christine Schraner Burgener, der Botschafterin der Schweiz in Berlin. Sie zeigt sich sichtlich bewegt, als sie sagt: «Es ist wichtig, dass die Schweiz hier mit einer eigenen Ausstellung vertreten ist. Das Thema Reformation ist ein weiteres Beispiel, bei welchem sich die Schweiz mit Deutschland verbunden fühlt und das dennoch unterschiedlich ist in der Auswirkung wie auch in der Sache.» Das Reformationsjubiläum erinnere daran, «dass es Mut und Hartnäckigkeit braucht, um Dinge zu verändern und dass es auch heute genauso wichtig ist, durch Druckerzeugnisse seine Meinung frei äussern zu dürfen.»

Ökumenischer Auftritt zum Reformationsjubiläum

Gespannt sind die Gäste – wie der anwesende künstlerischer Leiter der Landesausstellung «Expo.02» Martin Heller – auf die Worte von Gottfried Locher. Er spricht von wegweisenden Impulsen für die Umbrüche vor 500 Jahren aus der Schweiz, vornehmlich von Zwingli, Bullinger und Calvin. Für Gottfried Locher ist das gemeinsame Werk des SEK und der SBK zur Weltausstellung zudem «ein Pavillon der dreifachen Freundschaft»: zwischen Lutheranern und Reformierten, zwischen Deutschland und der Schweiz und zwischen evangelischen Christen und Katholiken.

Der Präsident des Rates des SEK betont: «Dieser Pavillon wurde ganz von der SBK und dem SEK verantwortet und bezahlt. Es ist ein ökumenischer Aufritt, und dies zu einem Ereignis wie der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum. Das ist nicht selbstverständlich.»

Vorreformatorische Bibelübersetzung beigesteuert

Charles Morerod sagt: «Dass die Schweizer Bischofskonferenz eine deutsche Bibelübersetzung nach Wittenberg mitgebracht hat, die in der Schweiz vor der Reformation geschrieben wurde, ist auch ein Zeichen der Kontinuität, die wir heute besser anerkennen können.» Peter Schmid, Vizepräsident des Rates des SEK, hofft, «dass dieser Pavillon die Menschen anspricht, die noch eine Beziehung haben zum Christentum und hier eine Oase finden. Für die Menschen, die gar keiner Kirche mehr angehören, hoffe ich, dass sie das Christentum als gesellschaftlich relevante Kraft wahrnehmen.»

Der Schweizer Pavillon bietet den Besuchern, so ein neugieriger Wittenberger Bürger, «ein informatives, atmosphärisches und bemerkenswert schönes ästhetisches Erlebnis.» Die Gäste der Vernissage lassen sich von den Architekten Emanuel Christ und Christoph Gantenbein aus Basel, die den Pavillon entworfen haben, die Anlage zeigen, die an Menschen, Momente, Objekte und Orte der Schweizer Reformation erinnert. Der Pavillon ist in vier thematische Zonen unterteilt: Veranda, Prophezey – die Zürcher Bibel, Froschauer – die Druckerpresse, Künstlerei – der Engel der Apokalypse. Herzstück der Ausstellung ist eine nachgebaute Gutenbergpresse. Als Gottfried Locher, Charles Morerod und Christine Schraner Burgener damit Seiten drucken wollen, ist das ein Fest für die Fotografen.

Käse und Kappeler Milchsuppe

Beim anschliessenden «Apéro riche» können die Gäste neben helvetischen Käsespezialitäten auch eine «Kapeller Milchsuppe» geniessen. Unter Schatten spendenden Bäumen ergeben sich gute Gespräche. Charles Morerod und andere Gäste zieht es jedoch in die Innenstadt. In Sichtweite befindet sich nämlich die Schlosskirche mit der legendären Tür, an der Martin Luther seine Thesen angebracht haben soll. Auch die Ausstellung «Katholisch in Lutherstadt», die Wittenbergs Katholiken anlässlich der Weltausstellung auf die Beine gestellt haben, wäre einen Besuch wert. Doch der Zeitplan ist an diesem Tag eng. Das nächste Mal, die meisten Gäste wollen wiederkommen.

Unter den prominenten Gästen der Vernissage ist auch Heinrich Bedford-Strohm. Der Ratsvorsitzende der EKD freut sich sichtlich über die Schweizer Präsenz an diesem idyllischen Ort. Den Pavillon findet er «überaus gelungen». Zur Schweiz hat Bedford-Strohm eine enge Verbindung. Er sagt: «Ich spendete den Segen, als der Reformations-Truck in Genf zum Europäischen Stationenweg aufbrach. Heute habe ich ihn hier in der Lutherstadt-Wittenberg wieder begrüssen können. Für mich schliesst sich heute ein wunderbarer Bogen mit der Schweiz.»

Gottfried Locher, Heinrich Bedford-Strohm, Margott Kässmann | © Vera Rüttimann
21. Mai 2017 | 14:43
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