Broschüre der Schweizer Jesuiten zu den "Reduktionen"
Schweiz

Reduktionen – Die Jesuiten begehen ein drittes «R»-Gedenkjahr

Zürich, 4.9.17 (kath.ch) Die Jesuiten in der Schweiz erinnern in diesem dichten Gedenkjahr 2017 mit drei Publikationen und vielen Veranstaltungen an bekannte und weniger bekannte Ereignisse:  Ranft und Bruder Klaus, Reformation und Reduktionen. Die Broschüre zum dritten «R» gibt Einblick in Entstehung, Aufbau und – vor 250 Jahren – Auflösung der «Reduktionen» genannten Jesuiten-Missionen in Lateinamerika.

Martin Spilker

«Zwischen Utopie und Geschichte» heisst ein Kapitel in der Publikation über die «Reduktionen». Die Rede ist von den im 17. und 18. Jahrhundert von mehreren Orden und Gemeinschaften in Südamerika errichteten Missionsstationen. Diese waren viel mehr als Seelsorgeposten. Die Siedlungen der Jesuiten waren eine interessante Erfolgsgeschichte: Die Jesuiten boten den zum Christentum konvertierten Indios Struktur, Sicherheit vor den Sklavenhändlern und Bildung.

Eigenständige Gemeinschaften

Auf dem Gebiet der heutigen Länder Paraguay und Bolivien schufen die Jesuiten – sie waren in dieser Zeit nicht die einzigen missionierenden Orden – ein Netz solcher Siedlungen für die indigene Bevölkerung. Diese Missionen, auch Reduktionen genannt, funktionierten als eigenständige Gemeinschaften innerhalb des Missionsgebietes.

Die Leitung und Überwachung der Arbeitsabläufe lag allein bei der missionierenden Gemeinschaft, wie im Beitrag des südamerikanischen Wissenschaftlers Guillermo Wilde in der Publikation zu lesen ist. Gleichzeitig wurde grosser Wert auf die Bewahrung der Muttersprache der indigenen Bevölkerung, dem Guaraní, und der Selbstversorgung und Ausbildung der lokalen Bevölkerung gelegt. 140’000 indigene Bewohner wurden im 18. Jahrhunderts in den Reduktionen gezählt.

Indigene Traditionen bewahrt

1767 aber mussten die Jesuiten auf Befehl des spanischen Vizekönigs in Lateinamerika nicht nur die Missionen, sondern auch gleich den Kontinent verlassen. Die weltliche Herrschaft des spanischen Königshauses in Lateinamerika enteignete die Jesuiten denn auch gleich; deren Modelle gemeinschaftlichen Lebens passten nicht ins Bild einer Kolonialmacht.

Denn innerhalb der Reduktionen erfolgte nicht nur der Schritt zur Sesshaftigkeit und christliche Gemeinschaftsbildung der Urbevölkerung. Die Indios wurden bald in die Verwaltungsaufgaben einbezogen, organisierten sich zu einem guten Teil selbst und bildeten sich auch in bewaffneter Verteidigung aus.

Erfolg und Nachhaltigkeit der Jesuiten-Missionen sind bis heute Inhalt intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Den religiösen Leitern der Reduktionen scheint es gelungen zu sein, die Bevölkerung vor Ort in einer für die damalige Zeit ganz neuen Form zu organisieren, ihnen dabei aber auch ihre Traditionen zu lassen.

Fotoreise zurück

In dieser Broschüre findet sich sehr ansprechend und bildstark dargestellt, wie die Reduktionen entstanden sind, wie sie sich entwickelten und wo die Grenzen lagen. Die kurz gehaltenen Beiträge ermöglichen einen leichten Überblick und eröffnen dabei auch überraschend neue Zugänge zu Fragen der Kolonialisierung und Mission Lateinamerikas.

Illustriert ist das Heft auch mit einer ganzen Reihe Schwarz-weiss-Fotos von der Reise des Schweizer Jesuitenpaters Felix Plattner aus den 1950er-Jahren. Diese haben zwar nichts mehr mit dem Alltag in den Reduktionen zu tun, aber sie vermitteln eindrückliche Bilder von Menschen und Landschaften des Kontinents, vor allem aber auch zeigen sie zahlreiche Aufnahmen von Kirchen und Gebäuden, die auf die Zeit der Jesuiten-Missionen zurückgehen.

Anfang September hatte das Theaterstück «Das heilige Experiment» in Solothurn Premiere. Das Drama, welches die Auflösung der Reduktionen zum Inhalt hat, wurde von den Schweizer Jesuiten im Rahmen des Gedenkens unterstützt.

Die Jubiläums-Publikation zum Gedenkjahr «Reduktionen»

Broschüre der Schweizer Jesuiten zu den «Reduktionen» | © Regula Pfeifer
4. September 2017 | 10:05
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Ranft und Reformation

In der gleichen Aufmachung wie die Publikation zu den Reduktionen hat die Schweizer Provinz der Jesuiten je eine Publikation zum Jubiläumsjahr «600 Jahre Bruder Klaus» sowie zum Gedenkjahr «500 Jahre Reformation» herausgegeben.

Unter den Titel «Ranft» und «Reformation» werden darin insbesondere die Bezüge zwischen der Spiritualität der Jesuiten und dem Heiligen aus dem Ranft beziehungsweise der Lehre der Reformation gezeigt. In allen drei Publikationen äussert sich der Provinzial der Schweizer Jesuiten, Christian Rutishauser, in einem Beitrag zum Thema.

Alle Broschüren können auf der Internetseite der Jesuiten angesehen und heruntergeladen werden. In gedruckter Form sind sie bei der Stiftung Jesuiten weltweit per Email zu bestellen unter prokur@jesuiten-weltweit.ch (ms)