Heidi Demuth im Zimmer ihres verstorbenen Mannes
Porträt

Partnerin Heidi Demuth über «Röbi geht»: «Ich hegte bis zuletzt Hoffnung»

Der neue Dok-Film «Röbi geht» beleuchtet die letzten Monate des schwerkranken Robert Widmer. «Es war furchtbar traurig, aber auch eine sehr gute Erfahrung», sagt Heidi Demuth über den Hinschied ihres Partners mit Unterstützung von Exit. Sie erinnert sich an die «wunderbare Zeit» mit ihm. Die beiden lernten sich bei den Sozialwerken von Pfarrer Sieber kennen.

Regula Pfeifer

«Es tut weh, richtig körperlich», sagt Heidi Demuth. Die Frau mit hochgesteckten grauen Kraushaaren hält eine Hand an ihre Brust und kämpft mit den Tränen. Freundin und Hausärztin Claudia Landerer merkt den Stimmungswechsel sofort. Die Freundin und Hausärztin rückt näher auf dem roten Sofa und streicht Heidi Demuth sanft über den Arm.

«Ihre Hilfe war während der ganzen Zeit und ist auch heute noch unbezahlbar», sagt Heidi Demuth, rasch wieder gefasst. Claudia Landerer wohnt gleich im Haus nebenan.

Heidi Demuth (r.) mit ihrer Freundin und Hausärztin Claudia Landerer
Heidi Demuth (r.) mit ihrer Freundin und Hausärztin Claudia Landerer

Die beiden Frauen waren die engsten Begleiterinnen des krebskranken Robert Widmer-Demuth. Sie haben in nächster Nähe miterlebt, was der Dokumentarfilm «Röbi geht» von Christian Labhart und Heidi Schmid aufzeigt: nämlich die letzten Monate, Wochen und Tage im Leben eines Schwerkranken, der sich für eine palliative Behandlung und Begleitung entschieden hatte.

«Röbi wollte den Tod mit vollem Bewusstsein erleben.»

Claudia Landerer, Freundin und Hausärztin

Gestorben ist Robert Widmer am 18. August letzten Jahres, mit 77 Jahren. Und zwar mit der Sterbehilfeorganisation Exit. «Röbi wollte den Tod mit vollem Bewusstsein erleben», sagt Claudia Landerer.

«Er war tatsächlich bis am Schluss geistig voll da.» Die beiden Frauen schauen sich an, nicken. «Kurz vor dem Tod hat er sich verabschiedet», fügt die Hausärztin an.

Engster Kreis beim Ableben da

«Es war furchtbar traurig, aber auch eine sehr gute Erfahrung», sagt die Ehefrau des Verstorbenen. Die engsten Verwandten und die Hausärztin waren im Zimmer des schwerstkranken Robert Widmer dabei, als der Exit-Vertreter kam.

Gegen Ende des Films erzählt Robert Widmer seiner Frau, welch schwierige Momente er morgens jeweils erlebt – mit starken Schmerzen und extremer Müdigkeit. Das könne er bald nicht mehr aushalten.

Und er sagt mehrmals im Film: Vor dem Tod habe er keine Angst. Er habe ja selber Menschen in den Tod begleitet. Auch den Obdachlosenpfarrer Ernst Sieber half das Ehepaar Widmer-Demuth gegen Lebensende mitpflegen.

Buch zum Film "Röbi geht" – mit Tagebuchnotizen des Verstorbenen
Buch zum Film "Röbi geht" – mit Tagebuchnotizen des Verstorbenen

Der Tod als «Ort des Willkommenseins»

«Im Film erzählt Röbi, wie er sich den Tod vorstellt: als Ankommen an einem Ort des Willkommenseins», sagt Heidi Demuth. Sie nimmt das Buch zur Hand, das parallel zum Film entstanden ist. Es enthält Filmstills und Tagebuchnotizen von Robert Widmer – unter anderem eine Passage über den Tod. Diese stammt von 2012 – lange, bevor er von seiner Krebserkrankung erfuhr.

Robert Widmers Gesundheit verschlimmerte im vergangenen August rapide. «Es war aussichtslos», erzählt Heidi Demuth. «Und dennoch hegte ich bis zum letzten Tag Hoffnung. Es hätte ja ein Wunder passieren können», sagt sie, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Nun aber fehlt ihr ihr Mann schmerzlich. «Wir waren 47 Jahre zusammen und hatten eine wunderbare Zeit», sagt sie.

«Röbi war das Beste, was mir passieren konnte im Leben»

Heidi Demuth

Robert Widmer half bis am Schluss mit, soviel er konnte. Er führte etwa den Hund Gassi, was ihr wegen einer Gehbehinderung unmöglich ist. Auf der Kommode im Eingang liegt nun eine Liste – mit Namen der verschiedenen Hunde-Begleitenden.

Heidi Demuth und Robert Widmer am 11. August 2022 – Filmstill aus "Röbi geht"
Heidi Demuth und Robert Widmer am 11. August 2022 – Filmstill aus "Röbi geht"

«Röbi war das Beste, was mir passieren konnte im Leben», sagt Heidi Demuth im Film. «Wir verstanden einander, passten zueinander», versucht sie beim Besuch ihr Beziehungsglück zu erklären. «Wir waren immer zufrieden, wenn wir zusammen waren, bis zu seinem Tod».

Grabungen als Hobby

Um ihren Mann näher vorzustellen, geht Heidi Demuth voran in sein Zimmer. Das ist vollgestellt mit Büchern und Gegenständen. Sie zeigt auf eine Amphore, gut einen Meter hoch. Das Gefäss habe ihr Mann im Meer ausgegraben.

Versteinerungen und Steinsperspitzen: Sammelobjekte des Verstorbenen
Versteinerungen und Steinsperspitzen: Sammelobjekte des Verstorbenen

«Röbi ist oft graben gegangen, hier in der Umgebung und in den Ferien», erzählt Heidi Demuth. Sie fischt zwei kleine Stein-Speerspitzen aus einem Plastiksack. Die sehen aus, als stammten sie von Steinzeitmenschen.

Zwei Engagierte für Randständige

Heidi Demuth und Robert Widmer haben sich in den Sozialwerken von Pfarrer Ernst Sieber kennen gelernt. Und zwar im Bunker unter dem Helvetiaplatz im Zürcher Kreis Vier. Dort, wo sich Randständige und Drogenabhängige aufhielten.

Pfarrer Ernst Sieber, 2017
Pfarrer Ernst Sieber, 2017

Heidi Demuth hatte die Handelsschule abgeschlossen und arbeitete als erste Mitarbeiterin von Pfarrer Ernst Sieber. Insgesamt zwölf Jahre wirkte sie, zuerst im Pfarramt Uitikon-Waldegg und anschliessend im Pfarramt in Zürich-Altstetten. Den Zürcher Pfarrer kannte sie, weil er an ihrem damaligen Wohnort Uitikon-Waldegg ihr Religionslehrer war. Die Sieber-Jahre unterbrach Heidi Demuth für ein halbes Jahr in Paris – als Mitarbeiterin des Obdachlosenpfarrers und Kapuziners Abbé Pierre.

Inmitten der 68er-Unruhen

«Ich habe ein verrücktes Leben geführt», sagt Heidi Demuth. Mehr will sie erst nicht sagen – denn Homestories sind ihr ein Gräuel. Dann erzählt sie doch: Bei den 68er-Unruhen in Zürich besetzten Autonome den Lindenhofbunker – auch Hells Angels waren da. Heidi Demuth ging da ein und aus – und wirkte im Bunkerrat mit, auch im Auftrag von Pfarrer Sieber, wie sie meint.

Im Helvetiaplatz-Bunker war Heidi Demuth aktiv präsent – auch nachts. Da sei sie für alles zuständig gewesen – und habe auch als Mediatorin gewirkt. «Ich hatte nie Angst», sagt sie. Aber das Risiko sei ihr bewusst gewesen. Sie war teilweise tags und nachts im Einsatz. Und kam meist erst nach Mitternacht ins Bett. «Ich hatte praktisch kein Privatleben», sagt Demuth.

Im Bunker arbeitete bald auch Robert Widmer. Die beiden heirateten, bekamen zwei Söhne und zogen nach Wetzikon-Robenhausen in ein altes Haus – in Hausgemeinschaft mit einer anderen Familie. Im Quartier waren die 68er-Bewegten erst Exoten: als Linke, Grüne und Pazifisten. Erst recht, als sie eine Wohngenossenschaft mitbegründeten.

Es habe sich im Quartier aber über die Jahre eine gut gelebte Nachbarschaft entwickelt, sind sich die beiden Frauen einig.  

Gut vernetzt in Robenhausen

Im Dorf Robenhausen hat sich das Ehepaar Widmer-Demuth aktiv vernetzt. Man lade sich gegenseitig zum Essen ein, organisiere gemeinsame Feste und Filmabende, sagen die beiden Frauen. Im Film sagt Robert Widmer – im Gespräch mit einem Nachbarn: «Wir versuchen hier im Kleinen etwas zu bewirken – und so einen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten, auch global.»

So sind soziale Kontakte entstanden, die Heidi Demuth nun besonders schätzt. Sie mag die Nähe ihrer Familie und Besuche aus der Nachbarschaft. «Ich habe ja Glück, ich bin hier gut aufgehoben», sagt sie.

Nach dem Gespräch steht sie unter die Haustüre und ruft den Nachbarskindern freundlich zu. Diese kommen gleich an den Gartenzaun.

Der Film «Röbi geht»

Heidi Schmid und Christian Labhard haben mit «Röbi geht» einen eindrücklichen Dokumentarfilm über die letzten sechs Monate im Leben des schwerkranken Robert Widmer gemacht. Der Mann hat Lungenkrebs und verzichtet auf Chemotherapie und Bestrahlung. Denn diese würden das Leben nur wenig verlängern. Zu sehen ist der Alltag von Robert Widmer und seiner Frau Heidi Demuth, Spaziergänge mit Hund, Besuche durch Bekannte, Gespräche über das Sterben.

Am Donnerstag ist Filmstart in den Schweizer Kinos.

Link zum Filmtipp «Röbi geht»

Link zur Webseite «Röbi geht»


Heidi Demuth im Zimmer ihres verstorbenen Mannes | © Regula Pfeifer
9. Mai 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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