Papst Franziskus betet vor der Wallfahrtskapelle "Mater Misericordiae" in Vilnius.
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Papst ruft in Litauen dazu auf, Brücken statt Mauern zu bauen

Vilnius,23.9.18 (kath.ch) Zum Auftakt seiner Baltikum-Reise hat Papst Franziskus dazu ermuntert, «Brücken und nicht Mauern zu errichten». Es gelte, «ein Land aufzubauen, das alle aufzunehmen weiss», sagte er am Samstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Litauen solle der EU als Brücke zwischen Ost- und Westeuropa dienen, sagte Papst Franziskus. In seiner ersten Rede im Präsidentenpalast mahnte er, Toleranz, Gastfreundschaft, Respekt und Solidarität lebendig zu halten. Diese Werte hätten Litauen erlaubt, als Nation zu wachsen und nicht unterzugehen. Besondere Aufmerksamkeit verlangte der Papst für die Jugend.

Prüfungen des 20. Jahrhunderts

Anlass der viertägigen Visite, die auch Lettland und Estland umfasst, ist die Unabhängigkeitserklärung der drei baltischen Staaten vor 100 Jahren. Vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft erinnerte der Papst an die «Prüfungen und Leiden» im 20. Jahrhundert. Um Schmerz und Ungerechtigkeit in eine Chance zu verwandeln, müsse Litauen seine Seele bewahren, die es als Nation geformt habe.

Franziskus verwies auf das Zusammenleben verschiedener Ethnien und Glaubensrichtungen im Land. Erst totalitäre Ideologien hätten die Fähigkeit zur Gastfreundschaft durch Gewalt und Misstrauen zerstört.

Gedenken an ermordete Juden

Auch Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite erinnerte an die Vergangenheit von Krieg und Besetzung und mahnte zu einer menschlichen Gesellschaft. Ausdrücklich verwies sie auf den Gedenktag für die Ermordung der litauischen Juden, der am Sonntag begangen wird.

Am Sonntag besucht der Papst die Gedenkstätte des jüdischen Ghettos in Vilnius sowie das Museum der Besatzungen und des Freiheitskampfs. Zuvor feiert er in Kaunas eine Messe unter freiem Himmel.

Unerwartet machte Franziskus in Vilnius an einem Hospiz Halt, um todkranke Patienten zu segnen, die unter einem Zelt auf der Route des Papamobils warteten.

Rosenkranzgebet in ehemaliger Wehranlage

An Nachmittag betete der Papst vor der «Muttergottes der Morgenröte», einem der bedeutendsten Marienheiligtümer Nordosteuropas, den Rosenkranz. Die Kapelle mit der Marienikone befindet sich im Obergeschoss des letzten verbliebenen Teils der ehemaligen Wehranlage.

Franziskus beschrieb dies als ein Symbol: «Wir haben in unserer Vergangenheit zu viele Festungen gebaut», so der Papst. «Heute aber spüren wir die Notwendigkeit, einander in die Augen zu sehen und uns als Brüder und Schwestern anzuerkennen». (cic)

Papst Franziskus betet vor der Wallfahrtskapelle «Mater Misericordiae» in Vilnius. | © KNA
23. September 2018 | 01:32
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Appell an Nationalbewusstsein bei Jugendtreffen

Papst Franziskus hat junge Katholiken in Litauen in ihrer nationalen Identität bestärkt. Es gebe «keine Menschen ohne Wurzeln», sagte er bei einem Jugendtreffen am Samstag in Vilnius.

Jugendliche sollten die «Wurzeln ihres Volkes», dessen Freuden, Leiden und Werte kennenlernen. Jede Identität setze die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und einem Volk voraus. Zugleich rief er dazu auf, sich Herausforderungen zu stellen und das «Risiko der Begegnung mit anderen» einzugehen.

Litauen ist historisch von einer ethnischen Vielfalt geprägt. Trotz einer Zunahme des litauischen Bevölkerungsanteils gehören noch immer rund 15 Prozent den etwa zehn ethnischen Minderheiten an.

Franziskus warnte die Jugendlichen vor der Versuchung, angesichts von Schwierigkeiten oder Erfolg egoistisch zu werden. Sie sollten vielmehr «gegen den Strom jenes Individualismus schwimmen, der uns isoliert, der uns egozentrisch und eitel macht». Der Glaube könne helfen, Probleme zu bestehen, aber auch gewohnte Vorstellungen aufzugeben und sich zu engagieren. (cic)