Papst Franziskus in Tallinn
International

Papst räumt in Estland Versagen der Kirche ein

Tallinn, 25.9.18 (kath.ch) Papst Franziskus hat in Estland institutionelles Versagen der Kirchen eingeräumt. Viele Jugendliche sprächen offen aus, dass Kirchenvertreter kein Gehör mehr fänden und ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten, sagte er am Dienstag bei einem ökumenischen Jugendtreffen in der lutherischen Karlskirche von Tallinn. Auch seien sie empört über Missbrauchs- und Finanzskandale.

Franziskus sagte, allzu oft hätten sich die Kirchen in sich verschlossen und zu wenig zugehört. Ihnen wie auch «allen institutionellen Religionsgemeinschaften» falle es oft leichter zu reden, als sich anfragen und belehren zu lassen. Viele junge Menschen erwarteten inzwischen nichts mehr von der Kirche; sie sei als Gesprächspartner für ihr Leben bedeutungslos geworden.

Fehlende Authenzität

Jugendliche wendeten sich auch ab, weil sie in der Kirche Kompetenz und Gespür für ihre Anliegen vermissten oder ihnen die Möglichkeit aktiver Teilhabe vorenthalten werde, sagte Franziskus. Diese Fragen wolle die im Oktober tagende Bischofssynode im Vatikan angehen.

Als Grund für den Kontaktverlust der Kirche zur Jugend nannte Franziskus auch fehlende Authentizität der Seelsorger. Junge Menschen suchten einen Begleiter, der keine Angst vor der eigenen Schwäche habe.

Appell zur Freiheit

Zum Abschied aus dem Baltikum hat Papst Franziskus eindringlich an den Freiheitsgedanken appelliert. Bei einer Messe auf dem Freiheitsplatz in der estnischen Hauptstadt Tallinn am Dienstag erinnerte er an die «Singende Revolution» gegen die Sowjetherrschaft und an den «Baltischen Weg» von 1989, eine Menschenkette von zwei Millionen Personen von Tallinn bis Vilnius. Eine Absage erteilte er Demonstrationen nationaler Stärke in militärischen Drohungen und Truppenaufgeboten. Dies sei nicht der Weg Gottes.

Nicht nur Katholiken

Der nach Teilnehmerzahlen kleinste Gottesdienst während der viertägigen Baltikumreise war zugleich der emotionalste. Viele Angehörige der katholischen Minderheit in Estland, die nur 0,5 Prozent der Bevölkerung ausmacht, begrüssten ihr Oberhaupt sichtlich bewegt. Offenbar wohnten der Feier auch etliche nichtkatholische Christen und Konfessionslose bei.

Die katholische Kirche zählt unter den 1,3 Millionen Einwohnern rund 6500 Mitglieder. Das sind 0,5 Prozent der Bevölkerung. (kna)

Papst Franziskus in Tallinn | © KNA
25. September 2018 | 16:41
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