Simone Curau-Aepli
Schweiz

«Papst Franziskus ist sich nicht bewusst, was im Bistum Chur vor sich geht»

Luzern, 5.5.17 (kath.ch) Die Allianz «Es reicht!» ist sehr enttäuscht, dass Bischof Huonders Amtszeit verlängert wurde. Im Interview mit kath.ch erklärt Simone Curau-Aepli, die in der Allianz den Schweizerischen Katholischen Frauenbund vertritt, was dies für das Anliegen der Allianz bedeutet. Sie nimmt ausserdem Stellung zu den Vorwürfen, die Vitus Huonder in der «Luzerner Zeitung» (5. Mai)  gegen seine Kritiker erhob und gibt Auskunft über Informationen, die der Nuntius der Allianz über sein Vorgehen bei der Suche nach Kandidaten mitgeteilt hat.

Sylvia Stam

Wie gross ist Ihre Enttäuschung über die Amtsverlängerung von Vitus Huonder?

Simone Curau-Aepli: Wir sind sehr enttäuscht, dass der Papst diesen Weg einschlägt und die Option eines Administrators nicht auswählt. Das ist für uns ein klares Signal dafür, dass es zu einer ordentlichen Bischofswahl kommen wird.

Kann es nicht auch ein Signal sein, dass er noch Zeit braucht und sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen will?

Curau-Aepli: Ich habe keine Anhaltspunkte für eine solche Interpretation. Wir wissen leider nicht, ob unsere Petition angenommen wurde und wer davon Kenntnis hat. Es wäre reine Mutmassung, aufgrund welcher Überlegungen Papst Franziskus so entschieden hat.

Was für eine Erklärung haben Sie denn für seine Entscheidung?

Curau-Aepli: Papst Franziskus ist sich offenbar nicht bewusst, was im Bistum Chur vor sich geht. Er ist sich auch nicht bewusst, was der Nuntius und das Domkapitel, also die für die Bischofswahl zuständigen Personen und Stellen, für eine Haltung haben.

Ziel des Nuntius Thomas E. Gullickson ist es, dass eine ordentliche Wahl stattfinden kann. Das hat er uns bestätigt. In diesem Sinn hat er ein Etappenziel erreicht.

Vitus Huonder spricht von einem Vertrauensbeweis, der Papst setze auf Kontinuität. Halten Sie das für möglich?

Curau-Aepli: Es ist ein Vertrauensbeweis! Man weiss doch, wann ein Bischof seinen Rücktritt einreichen muss. Man hätte vorher schon Massnahmen ergreifen können, die zu einer Kursänderung nach dem Rücktritt führen. Dass 14 Tage nach Einreichen des Rücktritts, die Meldung kommt, er dürfe noch zwei Jahre im Amt bleiben, kann man tatsächlich als Vertrauensbeweis bewerten. Die Frage ist, aufgrund welcher Informationen der Papst entschieden hat.

Im Interview mit der «Luzerner Zeitung» sagt Huonder: «In der Öffentlichkeit haben sich in den letzten Jahren immer wieder die gleichen 10 bis 20 Personen gegen mich gestellt.» Ist das eine realistische Einschätzung?

Curau-Aepli: Wenn man im Bistum Chur angestellt ist, ist es sehr schwierig, sich in der Öffentlichkeit kritisch gegenüber seinem eigenen Vorgesetzten zu äussern, weil die eigene Missio auf dem Spiel steht. Das braucht viel Mut! Die Zahlen, die er nennt, zeigen allerdings auch, wie wenig Relevanz diese Kritik für ihn hat.

Die Allianz «Es reicht!» zählt jedoch nicht zu diesen 20 Personen. Denn sie spricht im Namen von 14 Basisorganisationen und grossen Verbänden. Davon hat allein schon der SKF 130’000 Mitglieder. Die Allianz hatte auch nie die Person Vitus Huonders im Visier, sondern setzt sich in der Öffentlichkeit für eine andere Lösung nach seinem Rücktritt ein.

Im Interview wirft Huonder seinen Kritikern vor, nicht das Gespräch mit ihm zu suchen. Man solle nicht nur über, sondern mit dem Bischof reden. Wurde das denn nicht gemacht?

Curau-Aepli: Wir hatten zwei Gespräche mit dem Präsidium der Bischofskonferenz, bei einem davon war Huonder dabei. Er hat sich aber in den fünf Viertelstunden nicht geäussert. Er hat uns kaum angeschaut.

Aber direkte Gespräche zwischen der Allianz und Bischof Huonder gab es demnach nicht?

Curau-Aepli: Nein. Was hätten wir mit Bischof Huonder besprechen sollen? Wir sind an den Nuntius und an den Papst gelangt, weil es uns nur darum ging, dass seine Nachfolge anders aufgegleist wird.

Aber Vitus Huonder hätte ja seine Haltung ändern können, zum Beispiel im Fall der Eucharistie für Menschen in irregulären Situationen.

Curau-Aepli: Für die Allianz war von Anfang an die Bischofskonferenz Ansprechpartnerin, weil wir fanden, das sei nicht nur das Problem von Vitus Huonder. Das, was im Bistum Chur passiert, hat Auswirkungen auf die ganze Kirche in der Schweiz und sogar darüber hinaus in die Gesellschaft.

Welche weiteren Schritte unternimmt die Allianz nun?

Curau-Aepli: Als nächsten Schritt werden wir die anderen Bischöfe kontaktieren, dem Nuntius Kandidaten aus ihrem Bistum zu melden, die fähig und willens sind, im Bistum Chur bestehende Gräben aufzufüllen und neue Brücken zu bauen. In Chur können nämlich auch Priester aus anderen Bistümern Bischof werden. Deshalb sind auch die anderen Bischöfe in der Pflicht. Der Nuntius hat uns darauf hingewiesen, dass er das auch von ihnen erwarte.

Wie will Nuntius Gullickson denn konkret vorgehen?

Curau-Aepli: Er hat uns informiert, dass er eine Liste mit etwa 20 Namen von Personen zusammenstellen wird, die er für geeignet hält. Zu diesen Personen wird er nach gewissen Kriterien Umfragen in deren Umfeld durchführen. Aus diesen Rückmeldungen wird er eine Fünferliste nach Rom schicken. Aus der Fünferliste wird der Apostolische Stuhl drei Personen auswählen. Diese Dreierliste wird ans Churer Domkapitel geschickt, das einen davon auswählt.

Und die Allianz will darauf hinwirken, dass die anderen Bischöfe Kandidaten nennen, die auf die Liste mit den zwanzig Namen kommen soll?

Curau-Aepli: Am liebsten auf die Fünferliste, aber das liegt in der Gunst des Nuntius. Da kann ihm niemand dreinreden! Der Nuntius hat uns zweimal gesagt, Bischof Vitus sei der beste Bischof, den die Schweiz habe. Daher sind die Chancen ganz klein, dass es im Bistum Chur zu einem Kurswechsel kommt. Nichtsdestotrotz stellen wir unsere Aktivitäten nicht ein. In der Hoffnung, dass Gottes Geist auch dort wirkt, wo es einfach nötig ist!



Simone Curau-Aepli | © SKF
5. Mai 2017 | 12:02
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Die Allianz «Es reicht!»

Simone Curau-Aepli ist Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds. Dieser ist Mitglied der Allianz «Es reicht!». Dies ist ein Zusammenschluss von 14 katholischen Verbänden, die sich für Reformen in der katholischen Kirche einsetzen. Dazu gehören auch die Herbert-Haag-Stiftung, die Katholische Arbeitnehmerinnen-und Arbeitnehmer-Bewegung, die Pfarrei-Initiative, Jungwacht und Blauring, der Verein Tagsatzung.ch, der Verein der vom Zölibat betroffenen Frauen sowie weitere Gruppierungen.
Die Allianz trat als solche erstmals im März 2014 an die Öffentlichkeit, als sie mit einer Demonstration in St. Gallen den damaligen Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz, Markus Büchel, aufforderte, sich für einen Administrator im Bistum Chur einzusetzen. Ende 2016 lancierte die Allianz eine Petition zuhanden des Nuntius, damit dieser sich nach Huonders Rücktrittbeim Papst für die Einsetzung eines Administrators im Bistum Chur einsetze. Die Petition wurde im Februar dem Nuntius übergeben. (sys)