Papst Franziskus fährt mit dem Papamobil über den Mailänder Domplatz.
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Papst Franziskus als Superstar in Mailand

Mailand, 26.3.17 (kath.ch) Noch nie zog Papst Franziskus in Italien ausserhalb Roms so viel Menschen an wie bei seinem Mailand-Besuch vom Samstag. Sein Programm wirkte wie das Drehbuch «Evangelii gaudium»: Erst zu Muslimen in die Peripherie, dann zu Priestern in den Dom.

Thomas Jansen

Eine Zweizimmerwohnung im vierten Stock einer heruntergekommenen Wohnkaserne: Auf dem Tisch stehen gefüllte Datteln, getrocknete Früchte und Milch. Mihoual Abdel Karim, seine Frau Tardane und die drei Kinder haben alles vorbereitet: Der Papst kommt zu Besuch. Franziskus tritt ein, trinkt ein Glas kalte Milch, Tardane erzählt ihm, wie es ist, als Muslime aus Marrokko in Italien zu leben.

Der sechs Jahre alte Mohammed malt derweil ein Bild für den Gast: ein Basketballplatz mit einer Kirche und einer Moschee. Und schliesslich noch ein Gruppenfoto: Franziskus ganz in weiss, Tardane im blauen Kopftuch, Mihoual und die drei Kinder. «Ich habe gemerkt, der Papst denkt auch an uns Muslime», berichtet Tardane später. Nach ein paar Minuten verabschiedet sich Franziskus wieder, besucht noch einen alten Mann im dritten Stock, dann fährt er zum Mailänder Dom.

So begann am Samstag der erste Besuch von Franziskus in der bedeutendsten Wirtschaftsmetropole und dem grössten Bistum Italiens. Bei keiner seiner früheren Reisen innerhalb Italiens – abgesehen vom Besuch auf Lampedusa – war die Symbolik so augenscheinlich wie in Mailand. Das Besuchsprogramm des eintägigen Besuchs wirkte wie das Drehbuch zu seinem Schlüsseltext «Evangelii gaudium».

Mailänder Risotto – Mittagstisch mit Häftlingen

Der Papst besuchte erst eine muslimische Familie in einer schäbigen Hochhaussiedlung am Stadtrand, bevor er sich zu Priestern und Ordensleuten in die bedeutendste Kirche Norditaliens begibt. Gut eine Stunde verbringt er im Dom, betet am Grab des heiligen Karl Borromäus, antwortet auf Fragen von Geistlichen. Dann geht es weiter ins Gefängnis San Vittore. Hier bleibt Franziskus ganze drei Stunden. Inmitten von 100 Straftätern isst er an einem 50 Meter langen Tisch Mailänder Risotto und Kotelett. «Ich fühle mich bei euch zu Hause», sagt der Papst. Im Zimmer des Gefängniskaplans macht er eine halbstündige Mittagspause.

Franziskus’ Besuch in Mailand war ein Triumphzug. Er zeigte, wie populär der lateinamerikanische Papst in Italien weiter ist. Solche Menschenmassen hat er bislang bei keinem anderen Besuch auf der Apenninhalbinsel angezogen: Nach Schätzungen der Organisatoren sollen eine Million Gläubige zum Gottesdienst in den Park von Monza gekommen sein. Vorsichtigere Schätzungen sprechen immer noch von mehr als einer halben Million. So sei der Papst bislang nur in Rio de Janeiro und in Manila empfangen worden, schrieb ein italienischer Kommentator am Sonntag.

Papst auf WC-Häuschen am Strassenrand

Einmal mehr zeigte sich Franziskus in Mailand als Papst der Gesten und Bilder. Das meiste davon war eingeplant, doch dieser Zwischenstopp wohl nicht: Franziskus suchte ein ganz normales WC-Häuschen auf, das für die Menschen am Strassenrand aufgestellt worden war. Kein Geringerer als der Papstvertraute und Jesuitenpater Antonio Spadaro verbreitete das Foto dazu über Twitter. «Der Papst benutzt eine chemische Toilette wie alle Leute», schrieb er.

Die Botschaft die Franziskus für die multikulturelle Metropole Mailand mitbrachte, lautete: Die Kirche muss keine Angst vor multikultureller Vielfalt und weltanschaulicher Pluralität haben. Sie habe viel Erfahrung damit, erklärte er den Priestern und Ordensleuten im Mailänder Dom. Für Eltern hatte der Papst später bei einem Treffen in einem Mailänder Fussballstadion noch einen praktischen Erziehungstipp parat: Gemeinsam mit anderen Familien erst in die Sonntagsmesse und dann in einen Park zum Spielen. So könne man seinen Kindern Glauben vermitteln.

Papst statt EU-Chefs auf den Frontseiten der Zeitungen

Die Reise war ein nationales Ereignis. Auf dem Titelbild der meisten grossen italienischen Tageszeitungen waren am Sonntag nicht die Staats- und Regierungschefs der EU zu sehen, die sich am Vortag in Rom zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge trafen, sondern der Papst in Mailand. «Francesco Superstar» titelte die linksliberale «La Repubblica», «der Papst wie ein Rockstar» schrieb «La Stampa».

Besonders aufmerksam registrierten Beobachter auch, wie herzlich Franziskus von Mailands Kardinal Angelo Scola begrüsst wurde. In der Vergangenheit spekulierten Medien wiederholt über angebliche Spannungen und Differenzen zwischen dem als konservativ geltenden Scola und Franziskus. Im Konklave von 2013 waren beide Rivalen. Scola galt als der Mann der Ratzinger-Fraktion. Solche Spekulationen erhielten dadurch Auftrieb, dass die Mailand-Reise des Papstes mehrfach verschoben wurde. Wie dem auch sei: In Mailand, so schrieb eine Zeitung, hätten nun auch Scola und der Papst wieder zueinander gefunden. (cic)

Papst Franziskus fährt mit dem Papamobil über den Mailänder Domplatz. | © KNA
26. März 2017 | 16:00
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