Schwester Joanna Jimin Lee
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«So wird eine Pianistin Ordensfrau und bleibt Pianistin» – Ein Porträt

Wien, 29.4.16 (kath.ch) Mehr Ordensfrau oder Konzertpianistin? Joanna Jimin Lee muss nicht nachdenken: «Beides», antwortet sie prompt und plötzlich breitet sich ein weites, hörbares Lachen über das Gesicht der zierlichen Koreanerin aus. Seit 2013 lebt Schwester Joanna als «Missionarin Christi» in Wien. Ihr Talent fürs Klavierspielen führte sie von Korea über St. Petersburg nach Wien.

Jennifer Mostögl

Ihr Herz pendelte zwischen der Leidenschaft für die Musik und ihrer Beziehung zu Jesus – heute ergänzen sich ihre beiden Berufungen, aus dem «entweder oder» ist ein «sowohl als auch» geworden: «So wird eine Pianistin Ordensfrau und bleibt Pianistin.»

Ihr erstes Gelübde legte Joanna als Kind ab, still und für sich bei ihrer Erstkommunion in Pohang, im Süden Koreas. Die Familie der Konzertpianistin gehört zur katholischen Minderheit, die Hausarzt-Praxis des Vaters lag auf dem Grund der Pfarrei neben dem Pfarrhaus.

Die Wechselbeziehung zwischen Musik und Glaube bestimmte bereits die Kindheit der Koreanerin. Beide Töchter sollten so gut Klavier spielen, «dass wir eine Messe passabel begleiten können», so der Wunsch der Mutter. Aus dem «passabel Begleiten» wurde eine Berufung

Mit dem Publikum eins sein

Die Mutter erkannte das Talent der Tochter und mit dieser Erkenntnis kam die Bestrebung, die Begabung ordentlich zu fördern. Dass Joanna Jimin Lee heute Konzertpianistin ist, verdankt die zierliche Koreanerin aber einem Auftritt mit dem Seoul Symphony Orchestra. Joanna war damals 14, auf dem Konzertprogramm stand ein Mendelssohn-Konzert. Den Auftritt beschreibt sie als «besonderes Gefühl, als Empfinden mit dem Publikum eins zu sein». Dieses Gefühl war fortan Motivation für ihr Klavierspiel.

Wettbewerbe und Konkurrenzdruck ließen die eigentliche Motivation der damals 14-Jährigen mit der Zeit in den Hintergrund treten, mit der Folge, «dass ich unzufrieden war und mich fragte, wieso mache ich das eigentlich?». Für Ruhm, Ehre und Reichtum wollte sie nie spielen.

Weg zur Pianistin verlangt Opfer

Mit 15 ging sie nach St. Petersburg. Der Weg zur erfolgreichen Konzertpianistin verlangte nicht nur dem Teenager, sondern auch der Familie Opfer ab. Die ersten Erfolge Joannas gaben dem Elternhaus recht. Als 16-Jährige hatte die Tochter ihren ersten internationalen Erfolg beim Chopin-Wettbewerb in Darmstadt. Sie war Preisträgerin bei international angesehenen Wettbewerben in Porto, Zaragoza und Genf. 2007 nahm sie die Professur an der Ewha Womans University in Seoul an.

Ihren Glauben hatte die junge Pianisten nie ganz verloren. Das weltweit in allen Sonntagsmessen verlesene Evangelium gab ihr das Gefühl, mit ihrer Familie verbunden zu sein, im Gebet suchte sie Kraft und Unterstützung. Und trotzdem sei ihre Glaube noch unreflektiert gewesen. Die tiefe Jesus-Beziehung, die ihr Leben heute kennzeichnet, reifte erst nach einer Glaubenskrise in Wien. «Ich habe plötzlich nicht mehr alles unhinterfragt geglaubt. Wer ist dieser Jesus eigentlich, wie kann er Gott und Mensch zu gleich sein und wie ist eine jungfräuliche Geburt möglich?», spukte es damals durch ihren Kopf.

Ein Jesuit habe sie damals gefragt, ob sie schon einmal darüber nachgedacht habe, Ordensschwester zu werden. «Ich hab einfach gespürt, das passt jetzt.» Die Wahl der Ordensgemeinschaft war schnell getroffen. Sie kannte die «Missionarinnen Christi», war zuversichtlich, dass sie sich dort nicht verbiegen und ihre Persönlichkeit einer Ordensgemeinschaft ganz unterordnen müsse.

Auch in der «Nonnen-WG» wird heiss diskutiert

Seit 2013 teilt sich Joanna eine Doppelhaushälfte mit zwei Mitschwester. Den gemeinsamen Haushalt beschreibt sie ähnlich dem in einer «weltlichen Wohngemeinschaft». Auch in der «Nonnen-WG» wird heiss über Putzpläne und Badezimmerzeiten diskutiert. Bis zum Ordenseintritt führte die 39-Jährige ihren Alltag nach ihren Vorgaben. Heute sind Absprachen nötig.

Im Orden hat Joanna jenes Gefühl wieder gefunden, das sie als 14-Jährige dazu bewogen hatte, Pianistin zu werden. Heute spielt sie nicht mehr für Ruhm und Erfolg. Heute lässt sie wieder teilhaben an jenem Leben, «wie ich es in der Musik empfinde». (kap)

Die Ordensfrau im Konzert:

Schwester Joanna Jimin Lee | © Ordensgemeinschaften Österreich/Manu Nitsch
29. April 2016 | 15:08
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