Asylbewerber im Zentrum Juch in Zürich
Schweiz

Muslimische Seelsorge: Trotz positiver Bilanz nicht weiter finanzierbar

Bern, 16.2.18 (kath.ch) Im Juli 2016 startete das Staatssekretariat für Migration ein Pilotprojekt muslimische Seelsorge im Bundesasylzentrum Juch in Zürich. Trotz positiver Resultate bei Asylsuchenden und Betreuenden fehlen die finanziellen Mittel für eine Fortsetzung. Ausserdem brauche es Weiterbildungen für die muslimischen Seelsorger, hiess es an der Medienkonferenz vom 16. Februar in Bern.

Sylvia Stam

Sowohl aus Sicht der Asylsuchenden, der Mitarbeiter in der Betreuung und der christlichen Seelsorger habe sich die muslimische Seelsorge als Mehrwert erwiesen, sagte Hansjörg Schmid, Leiter des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG), an der Medienkonferenz. Das SZIG hat das Projekt während einem Jahr wissenschaftlich begleitet.

Hansjörg Schmid, Leiter des SZIG | © Sylvia Stam

Bei den Asylsuchenden hätten die Gespräche mit den muslimischen Seelsorgern eine entspannende Wirkung gehabt, da diese Hoffnung und Zuversicht vermitteln konnten. Sie hätten ausserdem eine Brückenfunktion zwischen der Herkunftskultur und dem schweizerischen Kontext übernommen.

  Radikalisiserungsprävention

Mehrfach wurde an der Medienkonferenz betont, dass die muslimischen Seelsorger bei den religiösen Asylsuchenden einen Islam vermittelten, der mit dem Rechtsstaat, den schweizerischen Werten und dem Säkularismus kompatibel sei. «Die Seelsorger haben sich nicht aufgedrängt, sie waren keine Missionare», so Schmid. Vielmehr trügen sie zur Konflikt- und Radikalisierungsprävention bei. Schmid erwähnte das Beispiel eines Falls, wo ein Verdacht auf Radikalisierung dem Staatssekretariat für Migration (Sem) mitgeteilt worden sei.

Muslimische Seelsorgerin erforderlich

Belkis Osman, Vize-Präsidentin der Vioz und muslimische Seelsorgerin | © Sylvia Stam

Auch der interreligiöse Aspekt des Projekts wurde mehrmals betont: «Unsere Anwesenheit hat bei christlichen Seelsorgern das Bild muslimischer Seelsorge verändert», sagte Belkis Osman, die als muslimische Seelsorgerin im Zentrum Juch tätig ist. Im Verlauf des Projekts habe sich gezeigt, dass die Präsenz einer muslimischen Seelsorgerin erforderlich ist: Von den 18 Prozent Frauen im Zentrum Juch hätten 34 Prozent die muslimische Seelsorge in Anspruch genommen.

Auf ehrenamtlicher Basis weiterführen

David Keller, Leiter der Abteilung Verfahrenszentren beim Sem | © Sylvia Stam

Trotz dieser Erfolge wird das Projekt aus finanziellen Gründen nur bis Ende Juni 2018 vom Sem finanziert, danach wird es auf ehrenamtlicher Basis weitergeführt, wie David Keller, Leiter der Abteilung Verfahrenszentren beim Sem, ausführte. Auch für eine flächendeckende muslimische Seelsorge in allen Schweizer Bundesasylzentren fehlten die Mittel. Keller nannte dafür den Betrag von einer Million Franken. Die muslimischen Vereine könnten dies nicht finanzieren, es gehe aber auch nicht, dass Muslime ihre Seelsorger bezahlt bekämen, während die christlichen diese selber finanzieren müssten, so Keller.

Weiterbildung vonnöten

Ausserdem stehen derzeit laut Keller nicht genügend Personen als muslimische Seelsorger zur Verfügung. «Wir wüssten nicht, wo wir sie fänden». Das Projekt habe denn auch gezeigt, dass es Weiterbildungs- und Supervisionsangebote für muslimische Seelsorger braucht. Für eine Ausweitung müsse ausserdem geklärt werden, welche Partner auf muslimischer Seite dazu zur Verfügung stünden. Bislang verfügen laut Schmid die Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (Vioz) und das waadtländische Pendant Uvam (Union Vaudoise des Associations Musulmanes) über die dazu nötigen Strukturen und Seelsorgekonzepte.

Enttäuschung ist gross

Auch der Interreligiöse Runde Tisch im Kanton Zürich (IRT) nimmt die überaus positiven Resultate des Pilotprojekts «Muslimische Seelsorge im Bundesasylzentrum Juch» erfreut zur Kenntnis. Vor allem, so der IRT in ihrer Mitteilung, weil er im Jahr 2013 beim Bundesamt für Migration die interreligiöse Erweiterung der Seelsorge angeregt und das Projekt im Bundesasylzentrum Juch intensiv begleitet hatte.

Andererseits bedaure der Runde Tisch «zutiefst, dass dieses von allen Beteiligten als positiv bewertete Projekt vor allem aus finanziellen Gründen auf Ende Juni beendet wird.» Die Vertreter des Runden Tisches hätten es  begrüsst, «wenn zumindest für das Bundeszentrum in Zürich Mittel und Wege gesucht worden wären, die muslimische Seelsorge im Juch auch künftig zu ermöglichen».

Der Interreligiöse Runde Tisch sei jedoch auch in Zukunft bereit, die Bundesbehörden in diesem Gebiet zu unterstützen. Sei es bei der Erarbeitung der nötigen Finanzierungsgrundlagen und bei der fachlichen Aus- und Weiterbildung für muslimische Seelsorgerinnen und Seelsorger.

Demnächst erscheinen auf kath.ch Interviews mit Hansjörg Schmid und mit Belkis Osman.


Asylbewerber im Zentrum Juch in Zürich | © Keystone
16. Februar 2018 | 15:35
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Pilotprojekt muslimische Seelsorge

Seit Juli 2016 sind im Bundesasylzentrum Juch in Zürich zwei muslimische Seelsorger und eine Seelsorgerin mit insgesamt 70 Stellenprozenten im Einsatz. Das Staatssekretariat für Migration (Sem) hat dieses Pilotprojekt in enger Zusammenarbeit mit den Landeskirchen und dem israelitischen Gemeindebund entwickelt. Mit der Umsetzung wurde die Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (Vioz) betraut. Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SGIZ) an der Universität Freiburg hat das Projekt im ersten Jahr wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Es hat untersucht, wie sich die muslimische Seelsorge auf das Zusammenleben in einem Zentrum für Asylsuchende und deren Integration auswirkt und wie sich ein solch erweitertes Seelsorgekonzept auf Bundesasylzentren ausweiten liesse. (sys)