Nuntius Thomas E. Gullickson, Botschafter des Vatikan in der Schweiz
Schweiz

Mittelsmann oder Brief: Vertreter der Kirche suchen Gespräch mit Nuntius

Zürich, 12.2.16 (kath.ch) Katholische Kirchenvertreter suchen das direkte Gespräch mit dem neuen apostolischen Nuntius Thomas Edward Gullickson. Im Bistum Chur ist die Biberbrugger Konferenz diesbezüglich aktiv geworden, in Bern das Dekanat der Katholischen Kirche Region Bern. Bis anhin lief die Auseinandersetzung rund um Gullicksons Aussagen zur Schweizer Kirche via Medien.

Der Zusammenschluss der Kantonalkirchen des Bistums Chur namens Biberbrugger Konferenz hat vor rund zwei Wochen einen Mittelsmann damit beauftragt, Kontakt mit dem Nuntius aufzunehmen. «Uns geht es um die Nachfolge von Bischof Vitus Huonder, das ist ein brennendes Problem», sagt Werner Inderbitzin, Mitglied und Sprecher der Biberbrugger Konferenz, gegenüber kath.ch. «Wir möchten dem Nuntius mitteilen, dass es in Chur endlich einen Bischof braucht, der nicht polarisiert, dialogfähig ist und mit den staatskirchlichen Körperschaften konstruktiv zusammenarbeitet», so Inderbitzin. Das sei unter der Leitung des aktuellen Churer Bischofs leider nicht der Fall. Diese und weitere für die Bischofswahl entscheidende Informationen will die Konferenz dem Nuntius mitteilen. – Die Biberbrugger Konferenz vertritt die Kantonalkirchen des Bistums Chur, also die Kantonalkirchen von Glarus, Graubünden, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zürich.

Gesprächsbereitschaft herausfinden

Einen direkten Kontakt zu Gullickson erachtet Inderbitzin als sehr wichtig angesichts der zentralen Rolle, die der Nuntius in der Nachfolgeregelung des Churer Bischofs einnimmt. Beim Mittelsmann handelt es sich um einen Mann, «der über verschiedene Kanäle verfügt», so Inderbitzin. Er hat die Aufgabe herauszufinden, ob der Nuntius bereit ist, die Vertreter der Kantonalkirchen zu empfangen. Unter Gullicksons Vorgänger kam es zu keinen Gesprächen, trotz Anfrage seitens der Biberbrugger Konferenz.

Nicht um die Nachfolge im Bistum Chur geht es der Katholischen Kirche Region Bern, die ebenfalls den Kontakt zum Nuntius in Bern sucht, und zwar mit einem offenen Brief vom 11. Februar. Dennoch wünscht der Briefverfasser, Christian Schaller, den Gläubigen des Bistums Chur, dass sie einen Hirten erhalten, der «zuhört, was das Volk Gottes will», wie er kath.ch gegenüber sagt.

Offener Brief wegen Vorschlag zu Schliessung von Pfarreien

Die Aussagen des Nuntius in den Medien habe der Kirchenbasis Sorgen bereitet, sagt Schaller gegenüber kath.ch. Schaller ist Co-Dekanatsleiter und führt somit das Dekanat, die Pastoralräume und die Fachstellen des Dekanats Region Bern. Gleichzeitig leitet er als Pfarrer die französischsprachige katholische Pfarrei Bern. Die Sorgen der Kirchenbasis seien an der letzten Dekanatsversammlung im Januar zum Ausdruck bekommen, sagt er. Da habe die Versammlung beschlossen, den Brief zu verfassen, was er selbst dann tat.

Speziell aufgestossen war den Berner Kirchenvertretern, dass der Nuntius die Schliessung von Pfarreien vorgeschlagen hatte, denen kein Priester vorsteht. Diesen Vorschlag betrachteten sie als «seelsorgerisch unklug», schreibt Schaller im Brief. Er informiert darin, dass von den fünfzehn Pfarreien der Region nur noch drei von Priestern geleitet würden. «Das Wichtigste ist doch, dass das Wort Gottes verkündet wird», sagt Schaller gegenüber kath.ch. Um das zu gewährleisten, sei er angewiesen auf die Tätigkeit der Katechetinnen und Laientheologen.

Zeigen, wie die Ortskirchen funktionieren

«Gern möchte ich Sie in unsere Pfarreien einladen, damit Sie selbst erfahren können, wie die Botschaft Jesu verkündet und gelebt wird», schreibt Schaller im Brief. Es gehe nicht darum, dem Nuntius die Leviten zu lesen, sagt Schaller gegenüber kath.ch. Man wolle das Gespräch suchen und ihm zeigen, wie die Ortskirchen funktionieren, «damit er weiss, worüber er spricht».

Ob Gullickson auf die Gesprächsangebote eingehen wird, ist unklar. Auf eine entsprechende Anfrage von kath.ch reagierte der Nuntius am 12. Februar nicht. Ende Januar hatte er in der Nachrichtensendung «Rundschau» von Schweizer Fernsehen SRF erklärt, er werde vorerst nicht auf Presseanfragen eingehen. In den nächsten Monaten werde er die besondere Situation der Kirche in der Schweiz besser kennen lernen.

Nach seiner Ankunft in der Schweiz hatte sich der Nuntius in verschiedenen Medien zur Kirche Schweiz geäussert, was zu geharnischten Leserbriefen führte. Die Allianz «Es reicht» kritisierte darauf am 28. Januar in einer Medienmitteilung den Nuntius als vatikanischen Botschafter, der einem überholten Kirchenbild verpflichtet sei und die Situation der katholischen Kirche Schweiz völlig verkenne. Gleichzeitig äusserte die Allianz ihre Befürchtung, dass es unter diesem Nuntius zu einer erneuten «Fehlbesetzung» bei der Nachfolge des Churer Bischofs kommen könnte. Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) und der Theologe Markus Arnold fragten Ende Januar in einem Schreiben an Bundesrätin Doris Leuthard und Bundespräsident Johann Schneider-Ammann um Unterstützung nach. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) teilte indes am 1. Februar gegenüber kath.ch mit, es werde in der Angelegenheit «keine Massnahmen» treffen. (rp)

Nuntius Thomas E. Gullickson, Botschafter des Vatikan in der Schweiz | © 2016 screenshot SRF
12. Februar 2016 | 17:10
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