Meinrad Furrer als Seelsorger an der Predigerkirche Zürich, 2016
Schweiz

Meinrad Furrer: «Halleluja und die Dada-Sprache entstanden aus dem Lallen»

Zürich, 8.2.16 (kath.ch) Der katholische Theologe Meinrad Furrer sucht nach einer unverbrauchten Sprache und entdeckt dabei erstaunliche Parallelen zwischen Religion und Dada. Portrait eines experimentierfreudigen Seelsorgers.

Sylvia Stam

«Ich bin kein Dada-Pfarrer», stellt Meinrad Furrer (50) gleich zu Beginn des Gesprächs lachend klar. Seine Funktion zum 100-Jahr-Jubiläum des Cabarets Voltaire in Zürich bestehe lediglich darin, Urkunden zu unterschreiben. 165 Dadaisten sollen 2016 je einen Feiertag erhalten, die Urkunde wird dies bestätigen.

Die Idee mit den dadaistischen Feiertagen gefällt ihm: «Ein freier Tag zu Ehren von jemandem, das ist ein zutiefst christlicher Gedanke!» Und dies in einer Zeit, in der man rund um die Uhr alles machen könne und die speziellen Zeiträume verschwunden seien – ein Thema, das Furrer auch schon mal in seiner Funktion als Sprecher des «Worts zum Sonntag» aufgegriffen hat. «Da einen Feiertag zu setzen, ist eigentlich religiös!»

Lallen und Halleluja

Die Verbindung von Dada und Religion sei schon durch Hugo Ball gegeben, einem der Gründer des Dadaismus, der ein sehr religiöser Mensch gewesen sei, weiss Furrer. «Auch Dada ringt um eine Sprache, die nicht durch den Gebrauch verbraucht ist, sondern ein neues Verständnis eröffnet.» Wie der Jubelruf «Halleluja» aus dem Lallen entstand und eigentlich «ein Jodeln für Gott meint», so Furrer, so entstehe auch die Dada-Sprache aus dem Lallen und lege Qualitäten von kreativem Staunen frei.

Etablierte Formen aufzubrechen, das reizt Furrer auch an seiner Aufgabe als katholischer Seelsorger an der ökumenisch getragenen Predigerkirche in Zürich. Da feiert er denn auch schon mal eine Liturgie «zur Heiligsprechung des Organischen» oder lockt in einem Gottesdienst zum Buch der Weisheit die Besucher mit Bällen aus den Kirchenbänken. Er macht keinen Hehl daraus, dass solche Gottesdienste mitunter nicht viele Besucher anzögen. Das hindert ihn aber nicht, so etwas wieder einmal zu machen. Denn schliesslich hat er diese Stelle im Sommer 2015 angetreten, um «noch experimenteller unterwegs zu sein», um noch einen Schritt weiter zu gehen, als er dies als Gemeindeleiter von Fällanden konnte.

Urvertrauen wiederfinden

Furrer spricht präzis, überlegt einen Moment, streicht bisweilen mit beiden Händen durch das kurze, grau melierte Haar, ehe er antwortet. Er sei «ein Brüter», sagt er von sich, es brauche Zeit, bis er etwas rauslasse. Vielleicht sei das ein Relikt aus seiner Kindheit auf einem Bauernhof im Kanton Luzern. Umgekehrt sagten ihm Leute, er könne «Raum schaffen, in dem man sagen kann, was ist, ohne bewertet zu werden». Auch gelinge es ihm, für kirchlich verletzte Menschen eine Sprache zu finden.

Sein eigenes Verständnis von Christ-Sein beschreibt Furrer so: «Aus einem Grund- und Urvertrauen heraus zu leben und dieses immer wieder zu suchen.» Das bedeute auch, all die Strategien, die dies verhinderten – Kontrolle, Sucht, Sicherheitsdenken – immer wieder zu hinterfragen. Der Weg zurück zu diesem Urvertrauen bedeute oft Trauerarbeit. In einem Projekt mit der Psycho-Onkologin Monika Renz ist Furrer der Frage nachgegangen, wie man Seelsorge so betreiben könnte, dass solche Prozesse nicht erst beim Sterben angestossen werden. Im Christentum finde sich hierfür ein grosser Schatz an Bildern, wie beispielsweise die Passions- und Auferstehungsgeschichte.

Was brauchen Männer?

Ein Thema, das Furrer dieses Jahr speziell umtreiben wird, ist das Fehlen von Männern in spirituellen Angeboten. «Was brauchen Männer?», will er wissen. In einer monatlich stattfindenden Männerrunde soll der Frage nachgegangen werden, «wie ich als Mann in der Gesellschaft wirke und welche Rolle die Spiritualität dabei spielt.»

Was er selber mehr bräuchte, sind Ruhe und Rhythmus in seinem Alltag, wie er unumwunden zugibt. Sich täglich hinzusetzen und «in die Präsenz zu gehen», vermisst er zurzeit. Auf die Frage, woran das liegt, meint er schlicht: «Man müsste es einfach machen!» (sys)

Meinrad Furrer spricht am 13. Februar das «Wort zum Sonntag» auf Schweizer Fernsehen SRF zum Dadaimus.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift «Aufbruch» (Februar 2016).

Hugo Ball – Der Bischof vom Cabaret Voltaire

 

Meinrad Furrer als Seelsorger an der Predigerkirche Zürich, 2016 | © Sylvia Stam | © Sylvia Stam
8. Februar 2016 | 09:05
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