Medienkonferenz über Alterssuizid: Hansruedi Huber, Wolfgang Bürgstein, Bischof Felix  Gmür, Sabine Zgraggen, Hübert Kössler (v.l.n.r.)
Schweiz

Bischof Felix kämpft gegen den Alterssuizid der Gesunden

Bern, 1.7.16 (kath.ch) Immer mehr Schweizer treten Sterbehilfeorganisationen bei, neuerdings auch alte Menschen, die noch gesund sind. Sie wollen aus Alterssattheit ihrem Leben ein Ende setzen. An der heutigen Medienkonferenz in Bern nahmen Wolfgang Bürgstein von der Kommission «Justitia et Pax», Bischof Felix Gmür und Seelsorger entschieden gegen eine solche Ausweitung der Suizidbeihilfe Stellung. Jedes Leben sei lebenswert, bis zum Schluss, sagen sie und stützen sich dabei auf eine neue Studie von «Justitia et Pax».

Francesca Trento

Selbstbestimmung, Autonomie und Kontrolle. Wer wünscht sich das nicht? Auch «alt werden will jeder und jede. Aber alt sein will niemand», sagte Wolfgang Bürgstein, Generalsekretär der Kommission der Schweizer Bischofskonferenz «Justitia et Pax». Er eröffnete in Bern die Medienkonferenz. Der aufkommende Wunsch von alten Menschen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, ohne todkrank zu sein, habe stark mit dem Wandel der heutigen Wertvorstellungen zu tun, so Bürgstein. «Die Marktfähigkeit steht heute im Zentrum des Lebens. Die Produktivität ist unsere Maxime geworden. Wer nicht produktiv ist, ist wertlos», pflichtete der Basler Bischof Felix Gmür bei. Somit würden Alte, Gebrechliche und Behinderte aus der Gesellschaft ausgeschlossen. 

Dahinter steckt Vereinsamung

Die neue Studie von «Justitia et Pax», «Alterssuizid als Herausforderung», hat sich mit dem demografischen Wandel und den sozioökonomischen Aspekten in der Schweiz auseinandergesetzt. Menschen werden immer älter und passen ohne ökonomischen Nutzen nicht in die Gesellschaft, ist darin zu lesen. Doch der Wunsch nach Selbstbestimmung und Autonomie sei so gross, dass der Tod einem Leben in Abhängigkeit vorgezogen werde. «Würde der Alterssuizid rechtlich genehmigt, unterstützten wir die Alten in ihrem subjektiven Gefühl der Wertlosigkeit und Last», erklärte die Seelsorgerin Sabine Zgraggen an der Medienkonferenz.

Der Seelsorger Hubert Kössler berichtete von einem Patienten, der sich selbst als grosse Last empfand. Und zwar für seine Familie, die sich um ihn sorge, für die Pflegenden, die ihn waschen müssten und sogar für seinen Zimmergenossen, der wegen ihm kein Einzelzimmer habe. «Das Gefühl, nicht autonom und selbstbestimmt leben zu können, auf andere angewiesen zu sein, ruft eine starke Scham hervor», so Kössler weiter. Erst als der Patient sich bei der Sterbebegleitung meldete und dann das Thema mit seinen Angehörigen besprach, habe er bemerkt, dass ein selbstbestimmter Tod viele Wunden hinterlassen würde.

«Wer heute jedoch von jemandem abhängig ist, ist verpönt und nicht normal»

Der Mensch sei ein Beziehungswesen und von Geburt bis Tod auf die Anerkennung anderer angewiesen, heisst es in der Studie. Dem hielt Bischof Gmür entgegen: «Wer heute jedoch von jemandem abhängig ist, ist verpönt und nicht normal.» Nach dem Austritt aus der Arbeitswelt vereinsamen manche Menschen, die keine Beziehungen haben. Diese Vereinsamung und das Misstrauen gegenüber der heutigen Medizin sind nach der Studie die Hauptgründe für den Wunsch nach Alterssuizid.

Kirche kann helfen

Gegen diese Vereinsamung könne die Gesellschaft nur angehen, wenn sie wieder anfange, zusammen zu halten, so Bischof Felix. Was die Kirche dagegen tue, wurde Bischof Felix gefragt. Die Kirche umfasse alle Menschen und könne helfen, erklärte der Bischof von Basel. Auch finanzielle Hilfe sei möglich, sofern die einsamen Menschen gefunden würden. Doch die Institution sei abhängig von allen Bürgern und Bürgerinnen, um helfen zu können, so Felix Gmür weiter. Das Problem sei jedoch: «Heute kennen die meisten Menschen ihre Nachbarn nicht.»
Der Alterssuizid betreffe alle, auch jüngere Menschen, fügt Bürgstein hinzu. Denn Jugend halte nicht ewig und das Leben sei endlich. Die Angst vor dem Sterben sei ernst zu nehmen. Bürgsteins Fazit: «Gebrechlichen, alten Personen gilt es die Hand beim Sterben zu reichen. Nicht aber zum Sterben.»

Das Thema Alterssuizid wird heute Abend in der SRF-Arena thematisiert. Mit dabei ist auch Bischof Felix Gmür. (ft)

SRF Arena vom 1.7.2016: Zu alt, um zu leben?

Mitteilung der Schweizer Bischofskonferenz: Der organisierte Tod ist inakzeptabel

Medienkonferenz über Alterssuizid: Hansruedi Huber, Wolfgang Bürgstein, Bischof Felix Gmür, Sabine Zgraggen, Hübert Kössler (v.l.n.r.) | © Francesca Trento
1. Juli 2016 | 17:03
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