Fabian Unteregger
Schweiz

«Martin Werlen täte Trump und Clinton gut»

Zürich, 28.9.16 (kath.ch ) Lebensmittelingenieur, Arzt, Pilot, Kabarettist, Parodist und Stimmenimitator: Fabian Unteregger ist vieles. Einem breiten Publikum ist er aufgrund seiner Fernseh-Auftritte bei «Giacobbo/Müller» und als vielstimmiger Moderator der Radio-Sendung «Zum Glück ist Freitag» auf SRF3 bekannt. Am Dienstag würdigte er in Zürich das neue Buch von Martin Werlen «Wo kämen wir hin?». Kath.ch befragte den Akademiker und Comedian nach den Hintergründen.

Georges Scherrer

Sie nahmen an der Vernissage des Buch von Martin Werlen «Wo kämen wir hin?» teil. Wie kam es dazu?

Fabian Unteregger: Bevor ich Martin Werlen persönlich kannte, habe ich ihn in den Medien als Vertreter einer offenen Kirche erlebt. Mit aktuellen und ehrlichen Aussagen besticht er die Öffentlichkeit. Er wird nicht als Fossil oder Relikt aus einer alten kirchlichen Zeit wahrgenommen, sondern als frischer, dynamischer Lenker und Denker. Für mich bedeutet es darum eine grosse Ehre, dass er mich zu dieser Vernissage eingeladen hat.

Er stand unter Schock

Was verbindet Sie mit dem Mönch Martin Werlen?

Unteregger: Wir haben beide am gleichen Tag Geburtstag, am 28. März. Im Jahrgang unterscheiden wir uns aber deutlich. Uns verbindet die Freude, mit Menschen zusammen zu sein, der Humor und das Vergnügen, Streiche zu spielen. Wir sind zwei Personen, die ideal leben und auch Idealisten sind. Als Optimisten sehen wir das Leben als etwas Positives an.

Streiche? Ist Ihnen ein solcher in guter Erinnerung geblieben?

Unteregger: Bei einem Klosterrundgang forderte mich Martin Werlen auf, als Sprachimitator einen Mitbruder zu erschrecken. Dieser sass in seinem Büro. Ich bin eingetreten und habe ihn im Tonfall des Zürcher Politikers Christoph Mörgeli begrüsst und erklärt, ich sei nun bereit für den Rundgang. Dies hat den Armen derart erschreckt, dass alles Blut aus seinem Gesicht wich. Er stand unter Schock.

Schalk und Selbstironie sind in der Öffentlichkeit gefragt

In dem Fall konnten Sie als Arzt erste Hilfe leisten?

Unteregger: Gottlob war es nicht nötig.

Sie sind unter anderem bekannt wegen ihrer Auftritte in der Satiresendung «Giacobbo/Müller» am Schweizer Fernsehen, wo sie auch Martin Werlen persönlich begegneten. Gibt es ein Bindeglied zwischen dieser Sendung und Werlens neuem Buch?

Unteregger: Das Komikerpaar Viktor Giacobbo und Mike Müller wirft in seiner Sendung jeweils einen Blick auf die zurückliegende Woche. Es beleuchtet das Geschehen mit böser Satire. Martin Werlen macht das gleiche. Er macht sich Gedanken über seine Zeit als Internatsleiter, Lehrer und persönlicher Begleiter von Schülern. Er beschäftigt sich mit dem Erlebten, etwa wenn eine Schülerin nach dem Unterricht zu ihm kommt und sagt: «Ich habe das Gefühl, dass ich mit Ihnen etwas teilen kann, das ich mit anderen nicht teilen kann. Sie strahlen so eine Ruhe aus und bauen Vertrauen auf.» Das ist ein ganz spannender Aspekt. Er hat Schalk und Selbstironie. Solches ist in der Öffentlichkeit gefragt. Er hat aber vor allem den Mut, Dinge beim Namen zu nennen, die man lieber unter dem Tisch haben möchte.

Ich habe beides in mir

Findet sich solches im neuen Buch?

Unteregger: Zu Hauf. Er besitzt die Fähigkeit, mit Fehlern umgehen zu können. Ein Stichwort ist die Homosexualität und der Fall Huonder.

Im Buch ist aber vom Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, die Rede. Der Bischof von Chur wird namentlich nicht genannt.

Unteregger: Vitus Huonder findet sich als Teil des Skandals wieder, den er mit seinen undiplomatischen Äusserungen zu Homosexualität auslöste und für die er sich später entschuldigte.

Sie haben an der Vernissage das Buch neben das Gleichnis vom verlorenen Sohn gestellt. Wieso ausgerechnet dieses?

Unteregger: Im Buch wird dieses Gleichnis herausgehoben. Es weist auf die Ungerechtigkeit hin. Ein Mann verbringt seine Zeit in einem Sündenpfuhl und prasst ständig. Für diesen wird ein Fest vorbereitet. Ein anderer Mann, der den Hof gewissenhaft führt, erhält nicht einmal ein kleines, geschlachtetes Lamm. Mich hat das Gleichnis angesprochen, weil ich auf einmal realisiert habe: Ich habe beides in mir. In mir stecken Teile beider Männer. In meinem Fall: Ich wusste im Voraus nicht, wie meine Eltern reagieren, wenn aus ihrem Akademiker-Sohn plötzlich ein Komiker wird. Letzteres sieht wie Allotria aus, was es natürlich nicht ist. Andererseits hat man gleichzeitig als rechtschaffener Teil der Gesellschaft, der brav in die Schule ging und seinen Abschluss machte, einen pharisäischen Hintergrund. Ich merke: Ich verbinde beiden Welten und es funktioniert.

Hillary würde es aber auch gut tun

Sie fordern, dass US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump Martin Werlen als Berater nimmt. Warum?

Unteregger: Martin Werlen hat es geschafft, junge Leute anzusprechen. Dies ist ihm gelungen, weil er als hoher Vertreter der katholischen Kirche – er begann zu twittern, als er noch Abt war – seinen Twitter-Account clever einsetzt. Er zeigt damit, dass er im 21. Jahrhundert angekommen ist. Er hat auch bewiesen, dass er sehr gut zuhören kann und offen ist für Personen, die ihm nicht nach dem Mund reden.

In der Nacht vor der Buchvernissage flimmerte das erste TV-Streitgespräch zwischen den beiden Anwärtern auf das US-Präsidentenamt über die Bildschirme. Auf der einen Seite sass ein Kandidat, der völlig unrealistische Vorschläge äusserte. Er will gegen Mexiko hin die Grenzen hochzuziehen. Ein Mauerbau bringt jedoch nichts. Der Drogenhandel, den er damit unterbinde will, wird immer Wege finden, um die Mauer zu umgehen. Von mir aus gesehen steht jemand wie Martin Werlen näher bei den Leuten, um realisierbare Lösungen zu präsentieren. Solche finden sich in seinem Buch: zuhören, offen sein und tolerant handeln.

Also ein Buch für Trump?

Unteregger: Auch Hillary Clinton würde es gut tun, das Buch zu lesen. Ihr Umgang mit den Gagen, die sie erhält, ist für den «angry white man» in den Appalachen nicht ganz nachvollziehbar. Darum hat sie ihn auch verloren. Meine Aussage an der Vernissage zu Trump will nichts Anderes besagen als: Wenn Trump einen Denker wie Werlen an seiner Seite hätte, dann würde er sehen, wie er vif, mit Schalk und unterhaltsam die Leute gewinnen könnte. Das würde ihm gut tun. Für Hillary Clinton, die eher rational denkt und Mühe bekundet, emotional auf die Leute zuzugehen, würde es schwierig, wenn sie jemand wie Werlen neben sich hätte. Ihr würde es aber auch gut tun.

Fabian Unteregger als Parodist bei «Giacobbo/Müller»:

 

Fabian Unteregger | © SRF
28. September 2016 | 15:34
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