Pavillon der Ausstellung "Mario Botta. Spazio Sacro" in Locarno.
Schweiz

Mario Botta – «Stachel im Fleisch» einer säkularen Kultur

Mendrisio/Rom, 22.9.18 (kath.ch) Der Vatikan schätzt die Kunst des Schweizer Star-Architekten Mario Botta. Papst Benedikt XVI. berief ihn 2013 in die Päpstliche Akademie der schönen Künste. Nun wurde ihm mit dem «Ratzinger-Preis» eine weitere Auszeichnung zuteil.

Christoph Lennert und Alexander Brüggeman

Ein Zylinder, schräg abgeschnitten, darin ein Dreieck wie ein Segel als Dach: Mario Botta, Star-Architekt aus Mendrisio im Tessin, wiederholt bestimmte Grundmuster immer wieder. Seine Gebäude strahlen mit den auf das Wesentliche reduzierten Formen eine fast klösterliche Nüchternheit aus.

Es heisst, Bottas liebster Baustil sei die Romanik. Das würde passen. Die Bauten vermitteln eine zeitlose Ruhe. Nun hat ihn der Vatikan als einen der diesjährigen Joseph-Ratzinger-Preisträger auserkoren. Die Verleihung findet am 17. November statt.

Eine «theologische Dimension der Ästhetik»

Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Kulturrates, lobte Botta bei der Bekanntgabe für die theologische Dimension seiner Ästhetik. In seiner Architektur erweise sich Religiosität als «Stachel im Fleisch» einer säkularen Kultur.

Etwa 20 Sakralbauten hat Botta entworfen, darunter die Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv und eine Moschee in China und ein gutes Dutzend Kirchen und Kapellen: in der Schweiz im Tessin, in Italien, aber auch in Frankreich.

Die archaische Einfachheit kann Moden überdauern.

Im Grossraum Paris steht in der Trabantenstadt Evry eine 1995 fertiggestellte Kathedrale, die jene Zylinderform aufgreift, die Botta so schätzt. Sandsteinrot aussen, von oben lichtdurchflutet, gekrönt mit einem Kranz von Bäumen auf dem doppelwandigen Zylinderrund. In ihrer archaischen Einfachheit kann sie Moden überdauern.

Die Sprache der Erhabenheit und Symbolik

Der Architekt spielt nicht mit den modernen Baumaterialien wie etwa dem zum Schwingen gebrachten Beton seines brasilianischen Kollegen Oscar Niemeyer. Er reduziert seine Werke nicht auf ihre Funktion, wie so oft sein Lehrmeister Le Corbusier. Wer eine Botta-Kirche betritt, weiss sich sofort in einem sakralen Gebäude. Dabei geht es ihm weniger um Macht und Mystik, sondern um Erhabenheit und Symbolik.

Neben der Kathedrale von Evry zeigen auch von Botta errichtete Kapellen im Tessin diese Besonderheiten, in Mogno tief im idyllischen Lavizzara-Tal und auf dem Monte Tamaro hoch über dem Südufer des Lago Maggiore. Wie eine Fortsetzung des Berges wächst die Monte-Tamaro-Kapelle aus dem Fels heraus und bietet einen atemraubenden Blick auf See, Tal und Bergwelt.

Massive Mauern und schwebendes Dach

In der Kapelle von Mogno ist es das subtile Spiel massiver Mauern und des schwebenden Glasdachs, das festungsartige Stärke mit der Leichtigkeit glaubensgestärkter Hoffnung paart. Alles in der Natur forme sich aus Kugel, Kegel und Zylinder, schrieb einmal Paul Cezanne. Botta überträgt diese Botschaft in die Architektur. Kreis und Rechteck, Quader und Zylinder, Linien und ebenmässige Bögen – mehr braucht er nicht.

Im Februar 2013 wurde Botta, noch vom scheidenden Papst Benedikt XVI., in die Päpstliche Akademie der schönen Künste berufen. Damals hiess es auch, Botta sei für die Gestaltung des Vatikan-Pavillons bei der Biennale 2011 in Venedig im Gespräch gewesen. Dann allerdings nahm der Vatikan doch erst 2013 erstmals an der Biennale teil.

Seine Gebäude sind nicht immer unumstritten.

Backstein, Porphyr, Marmor in unterschiedlichen Farben: Die Ruhe, die Bottas Gebäude in ihrem Inneren verbreiten, schafft der Architekt mit unterschiedlichsten Materialien; nicht nur in Kirchen, sondern etwa auch im Museum of Modern Art in San Francisco oder der Stadt- und Landesbibliothek in Dortmund. Auch bei Wohnhäusern greift der Architekt oft auf den runden oder halbrunden Grundriss zurück.

Seine Gebäude sind nicht immer unumstritten. In seiner Heimat, dem Tessin, kam es in den 1990er Jahren zunächst zu einer Unterschriftensammlung gegen sein Projekt der gestreiften Zylinderkirche «Johannes der Täufer» in Mogno. Auch in Turin regte sich Widerstand gegen seine als zu teuer kritisierte Kirche Santo Volto, eröffnet 2006.

Umgekehrt gab es auch in der Schweiz von theologischer Seite bereits eine besondere Auszeichnung für Botta: Aus ähnlichen Gründen, die den Ausschlag zum Ratzinger-Preis gegeben haben, erhielt der Architekt 2006 das Ehrendoktorat der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.

Raum für Geborgenheit

Viele seiner Bauten haben das Zeug zum Wahrzeichen. Sie fügen sich in ihre Umgebung ein und bleiben doch Fremdkörper. Er selbst sagte mal in einem Interview: «Meine Bauten entsprechen in ihrer kompakten Form wahrscheinlich dem Bedürfnis des Menschen nach Geborgenheit, einem Gefühl, das in unserer heutigen Welt, in der der Alltag immer härter wird, wieder eine der wichtigsten Anforderungen an Architektur ist.»

Von Botta gibt es auch Möbel, Utensilien und Gebrauchsgegenstände. Auch sie nehmen seine Formensprache auf. Ein echter Botta-Entwurf muss gar nicht unerschwinglich sein: Valserwasser wird ab 2001 in einer Plastikflasche mit seinem Design vertrieben.

«Theater der Architektur» als Geburtstagsgeschenk

Bottas jüngstes Gebäude war wohl auch etwas wie ein Geburtstagsgeschenk zum 75. an sich selbst. Das «Theater der Architektur» in seiner Geburtsstadt Mendrisio. Es ist ein zylindrisches, fensterloses Amphitheater und wurde im Februar eingeweiht. Der mehrstöckige Zentralbau dient der dort ansässigen Universita della Svizzera italiana (USI), als Architekturakademie und Debattierzentrum.

Botta war Mitbegründer der «Accademia di Architettura» und ist dort als Architekturprofessor tätig. (kna)

Pavillon der Ausstellung «Mario Botta. Spazio Sacro» in Locarno. | © Keystone
22. September 2018 | 08:17
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