Luzerns Kirche lässt Missbrauch in Heimen erforschen

Luzern, 12.5.11 (Kipa) Aus welchen Gründen haben in kirchlich geführten Heimen Kinder oft Gewalt erfahren? Die katholische Kirche im Kanton Luzern gibt eine Studie in Auftrag, die den gesellschaftlichen und ideologischen Gründen dafür nachgeht. Und will aus den Ergebnissen für die Zukunft lernen. Das hat das Kirchenparlament am 11. Mai beschlossen.

Im November 2008 hatte die Synode, das Parlament der Landeskirche, die Erklärung «Menschenwürde hat Vorrang» verabschiedet. Die Kirche entschuldigt sich darin bei jenen Menschen, denen als Verding- und Heimkinder Unrecht geschah. Als Zeichen der Versöhnung erinnern seit August 2009 auf dem Boden der ehemaligen Anstalt Rathausen das «Denk-Mal» und ein Apfelbaum an die unheilvolle Zeit.

Jetzt könnten die Kirche – «die Landeskirche und das Bistum ausdrücklich gemeinsam» – auch die dritte Forderung der Erklärung erfüllen, teilte die katholische Kirche am 12. Mai mit: Die Synode hat mit grossem Mehr 130.000 Franken für eine Studie bewilligt, die den gesellschaftlichen und ideologischen Gründen für den Missbrauch auf den Grund gehen will. Die beauftragten Herausgeber, die Theologen Markus Ries und Valentin Beck von der Universität Luzern, sollen nach Antworten suchen auf die Frage, weshalb der christlich gebotene Einsatz für Unterstützungsbedürftige nicht selten mit unterdrückerischen Mitteln geleistet worden ist.

Das Ergebnis wird im September 2012 erwartet. Die kirchliche Studie trägt den Arbeitstitel «Hinter Mauern. Liebe und Gewalt in kirchlich geführten Erziehungsanstalten im Kanton Luzern» und wird jene des Kantons ergänzen, der vor allem Fakten sammelt. Neben anderen Geldgebern bezahlen der Kanton 10.000 Franken sowie das Bistum Basel und die katholische Kirche Stadt Luzern je 5.000 Franken an die Forschungsarbeit.

«Kein Staubfänger», sondern Hilfe für die Gegenwart

Nur die Fraktion Pilatus stellte die Studie in Frage. Deren Sprecher Otto Haunreiter fand, die Kirche habe «bereits getan, was von ihr erwartet werden konnte». Bischofsvikar Ruedi Heim dagegen meinte, sie dürfe sich nicht ihrer Verantwortung und ihrer Möglichkeiten entziehen. Die Studie werde «kein Staubfänger sein, sondern eine Hilfe, dass sich das Geschehene nicht wiederholt».

Diese Erwartung machten der Synodalrat und mehrere Synodale zu einer deutlichen Forderung an die Verfasser. Die Studie müsse Gegenwartsbezug haben und ein praktisches Hilfsmittel sein. Synodalratspräsidentin Maria Graf-Huber wünschte, dass sie in die Aus- und Weiterbildung nicht nur kirchlicher Mitarbeitender einbezogen wird. «Denn das Thema Macht bleibt aktuell, und Abhängigkeitsverhältnisse wird es immer geben.»

Margrith Koch-Gilli, Präsidentin der Kommission für religiös-kirchliche und soziale Fragen, glaubt, die Studie werde helfen, heutige «risikobehaftete Umstände zu erkennen, um rechtzeitig Gegensteuer geben zu können». Peter Kaufmann verwies dazu auf «das lukrative Geschäft mit der Fremdplatzierung von Kindern».

Für Florian Flohr setzt die Kirche mit der Heimkinderstudie auch ein Zeichen, «dass sie sich gemachter Fehler bewusst ist und nachfragt». Dies sei auch deshalb wichtig, weil sie nicht im Ruf stehe, Transparenz zu pflegen.

Verlust wird aus Eigenkapital gedeckt

Die einstimmig genehmigte Rechnung 2010 der Landeskirche schliesst mit einem Minus von 155.000 Franken ab – 40.000 besser als veranschlagt. Der Verlust wird aus dem Eigenkapital gedeckt, das Ende Jahr knapp 10 Millionen Franken betrug, etwas mehr als einen Jahresaufwand.

Es sind dies Mittel, die unter anderem den Umbau des Hauses St. Agnes Ost ermöglichen sollen. Diese Liegenschaft, angrenzend an ihren Sitz am Abendweg 1 in Luzern, hat die Landeskirche vor anderthalb Jahren erworben. Die Synode hat nun einen Planungskredit von 220.000 Franken bewilligt; an der Novembersession wird ihr der Synodalrat den Baukredit vorlegen. In dem Haus entstehen Büros und günstiger Wohnraum; die Landeskirche verhandelt bereits mit einer sozialen Stiftung.

(kipa/com/job)

12. Mai 2011 | 09:22
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