Radioprediger Eugen Koller: Studioaufnahme
Schweiz

«Lieber husten statt räuspern» – Eugen Kollers Radiopredigt entsteht

Basel, 29.4.16 (kath.ch) Da ein Stolpern über ein Wort, dort ein unerwünschtes Knistern. Eine Radiopredigt aufzunehmen, hat es in sich. Und doch ist die Stimmung kollegial, als Judith Wipfler die Radiopredigt zum 1. Mai von Eugen Koller im Studio Basel aufnimmt. Ein Blick hinter die Kulissen eines Sendeformats, das durchschnittlich rund 120’000 Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht.

Regula Pfeifer

«Lieber husten statt räuspern», ermahnt Judith Wipfler den Radioprediger Eugen Koller, der sich die Stimme freimachen will, bevor es losgeht mit der Aufnahme seiner zweiten Predigt bei Radio SRF in Basel. «Und gib nicht allzu viel Kraft in deine Stimme», sagt sie noch. Dann geht sie hinüber in den Kontrollraum, schliesst die Tür und lässt Koller im Aufnahmeraum allein. Ein paar Griffe in den Computer, und die beiden sind über das Mikrofon in Hör- und durch ein Fenster in Blickkontakt. Während Koller eine Testlesung macht, regelt Wipfler die Lautstärke.

Koller hat seine Predigt auf einem mit Karton gestärkten Papier befestigt – zur Freude von Wipfler, denn so entstehen kaum unerwünschte Geräusche. Nun hält er den Karton mit gestrecktem Arm vor sich. Wipfler ist technisch bereit und lässt Koller entscheiden, wann er loslegen will. Ein paar Sekunden, und der katholische Theologe beginnt seine Radiopredigt mit den Worten: «Am heutigen 1. Mai-Sonntag begehen wir den Tag der Arbeit, liebe Hörerinnen und Hörer».

Unerwünschtes Knistern der Hosen

Der Radioprediger räsoniert weiter über den arbeitsfreien Sonntag, die Arbeit als hohes Gut, die verlangten Höchstleistungen und Erschöpfungsdepressionen, und fordert die Kirche zur Einmischung auf. Dabei spricht Koller stehend wie ein Redner ins Mikrofon, gestikuliert einhändig und schaut mal aufs Papier, mal zu Wipfler, der Teamleiterin Redaktion Religion von Radio SRF.

Wipfler ist seine erste Zuhörerin. Rund 120’000 Zuhörerinnen und Zuhörer werden es schliesslich sein, so viele erreicht die Radiosendung jeweils. Wohlwollend-kritisch führt Wipfler ihr Gegenüber mit freundlichen und raschen Anweisungen durch die Aufnahme. «Wiederholst du bei Höchstleistung?», bittet sie ihn, als er über das Wort stolpert. Koller nickt und fängt einen Satz davor an. Wenig später merkt er, dass er «können» statt «kennen» gesagt hat. Und Wipfler entdeckt ein unerwünschtes Geräusch: Koller hat die Hand in die Hosentasche gesteckt. Sie bittet ihn, dies nicht zu tun. Wenig später stoppt sie bei einem Satz zum jüdischen Sabbat aus dem Moses-Evangelium, der ihr nicht bibelgetreu erscheint. Koller korrigiert sich und wiederholt.

Den Witz weggelassen

«Ich wünsche allen Arbeitstätigen Zufriedenheit in ihrem Beruf. Ich wünsche allen Arbeitssuchenden, dass sie wieder eine zufrieden stellende Arbeit finden. Und ich wünsche allen Arbeitgebern, dass sie zur Arbeitszufriedenheit ihrer Arbeitnehmer beitragen», schliesst Koller seine Radiopredigt, und Wipfler stoppt die Aufnahme. «Hast du den Witz doch nicht gebracht?» fragt sie und gibt zu, dazu Bedenken geäussert zu haben. Auch die lockeren Sprüche, mit denen Koller die Predigt einleiten wollte, gefielen ihr nicht sehr. So liess Koller sie weg, wie er im Nachhinein gegenüber kath.ch erzählt.

Radioprediger müssten bereit sein, auf Feedback einzugehen, erklärt Wipfler später. Sonst komme es auf die Länge zum Konflikt. Koller findet die Rückmeldungen spannend. Er lerne dabei viel, sagt er. Seine Herausforderungen sind: keine Substantivierungen, einfache Sätze, ein inhaltlich logisch aufgebauter Text, der die Zuhörenden gedanklich mitnimmt.

Und den Anfang nochmals…

Noch ist nicht alles im Kasten. Koller soll den Predigtbeginn wiederholen. «Am heutigen 1. Mai-Sonntag…», fängt er an. Und tatsächlich: Das anfängliche Stakkato ist weg, Koller spricht mit weicher, melodiöser Stimme. «Das hat’s gebraucht», nickt Wipfler und stoppt die Aufnahme nach ein paar Sätzen. Den Predigtbeginn zu wiederholen ist ihr Trick. Am Schluss seien die Radioprediger lockerer, ihre Stimme deshalb angenehmer, weiss die Radiofrau.

Wipfler ist reformierte Theologin und seit 15 Jahren auf der Redaktion Religion von Radio SRF tätig, inzwischen als Teamleiterin. Radioprediger seien tolle Leute, die ihr auch wertvolle Informationen aus den Regionen der Deutschschweiz für andere religiöse Sendegefässe lieferten, sagt sie. An Koller schätzt sie seine Nähe zum menschlichen Alltag. Als Klinikseelsorger habe er mit Menschen in Krisensituationen zu tun und als Gefängnisseelsorger mit Fragen der Schuld, sagt Wipfler. Das mache ihn glaubwürdig und seine Predigten spannend.

Das Radioprediger-Team bei SRF hat sich Anfang Jahr stark erneuert – elf neue wurden ins Team von insgesamt 19 Radiopredigern aufgenommen, auch Eugen Koller. Fünfmal pro Jahr wird er in der sonntäglichen Radiopredigt ab 9.30 Uhr für acht bis zehn Minuten zu hören sein, am 1. Mai nun das zweite Mal. Rund eineinhalb Tage braucht er für die Vorbereitung, doch diese zieht sich über Wochen hinweg.

Fast ins Team des «Wort zum Sonntag» gelangt

Er habe in der Pfarrei immer gern gepredigt, sagt Koller zu seiner Motivation, als Radioprediger aufzutreten. Als katholischer Psychiatrieseelsorger im Sanatorium Kilchberg und als Pfarreiblattredaktor Uri Schwyz kam er nicht mehr dazu, was ihm bald fehlte. Deshalb wandte er sich an den Radio- und Fernsehbeauftragten der Schweizerischen Bischofskonferenz, Bruno Fäh. Dieser vermittelte ihn ans Casting zum «Wort zum Sonntag» von Fernsehen SRF und für die Radiopredigt. Den Fernsehauftritt verpasste Koller knapp, bei den Radiopredigern wurde er aufgenommen und ist nun für mindestens drei Jahre dabei.

Sendehinweis: Die Radiopredigt ist zu hören sonntags ab 9.30 Uhr auf Radio SRF 2 Kultur und Radio SRF Musikwelle. Am kommenden Sonntag spricht Eugen Koller zum 1. Mai.

Ausgestrahlte Radiopredigten zum Hören und Herunterladen

Radiopredigten als PDF und Archiv

Link zum früheren Artikel: Christian Rutishauser ist jetzt auch Radioprediger

Radioprediger Eugen Koller: Studioaufnahme | © 2016 Regula Pfeifer
29. April 2016 | 10:40
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Die Auswahl der Radioprediger

Ein Radioprediger muss ein Theologiestudium vorweisen können und vorzugsweise auch Predigterfahrung. «Wichtig fürs Radio ist eine angenehme Stimme und die Bereitschaft, Kritik anzunehmen», erklärt Judith Wipfler, Teamleiterin Redaktion Religion gegenüber kath.ch. Die Radio- und Fernsehbeauftragten der Landeskirchen bringen Vorschläge zu geeigneten Personen bei SRF ein und sind am Schlussentscheid beteiligt. Radio SRF lädt zum Casting ein – und bildet schliesslich die ausgewählten Radiopredigerinnen und -prediger in einem zweieinhalbtägigen Kurs für ihre Tätigkeit aus. (rp)