Kirchengebäude im Wandel der Zeit und ihre neue Nutzung

Bern, 8.9.17 (kath.ch) Der «Zweite Schweizer Kirchenbautag», der unlängst an der Universität Bern von der Theologischen Fakultät durchgeführt wurde, befasste sich mit dem Thema «Kirchenumnutzung». Konkrete Beispiele zeigten: Der Verlust von Kirchen kann für Gemeinden schmerzvoll sein. Er kann aber auch Türen öffnen für neues pastorales Leben.

Vera Rüttimann

Immer weniger Gemeindemitglieder und immer weniger Geld für die Instandhaltung alter Gebäude rufen nach neuen Nutzungskonzepten. Eine neu aufgeschaltete Webseite dokumentiert die Vielzahl von Kirchen und Klöstern in der Schweiz, die bereits eine neue Nutzung erfahren haben. So war auch der Zweite Kirchenbautag dem Thema «Kirchenumnutzung» gewidmet. Die diesjährige Tagung richtete den Blick auf bereits realisierte Umnutzungen von kirchlichen Gebäuden und solchen, die erst in der Projekt- oder Pilotphase stehen.

In alter Kirche wird Neues ausprobiert

Auch die Kirchenlandschaft Luzerns ist in Bewegung. So berichtete der Jesuit Hansruedi Kleiber, Leiter des Pastoralraums Luzern und Dekan sowie Präfekt der Luzerner Jesuitenkirche, als erstes über den Fall der Peterskapelle. Die älteste Kirche Luzerns kann für 4,5 Millionen Franken saniert werden. Das Vorzeigeprojekt steht unter dem Motto «Zukunftsfähige Kirche für lebendige Quartiere und für eine offene Stadt».  Neue mobile Holzbänke sollen die Kapelle vielfältiger nutzbar machen. Der Bereich Erwachsenenbildung gehört seit Oktober 2016 zum neuen Angebot der City-Pastoral, das die Katholische Kirche der Stadt Luzern geschaffen hat. Die City-Pastoral, die in der Peterskapelle ihre Basis finden wird, richtet sich, so Hansruedi Kleiber, an mobile, urbane und auch kirchenferne Menschen.

Nach dem geeigneten Personal für die City-Pastoral wurde lange gesucht. Mit Marco Schmid und Andreas Rosar konnten zwei Theologen gewonnen werden, die dem anspruchsvollen Profil dieser Stelle entsprechen. Die Kapelle soll ein Raum der Stille sein, wo neben Gottesdienst auch neue liturgische Formen Platz haben sollen. Der Ort soll zudem ein öffentlicher Raum sein, wo neben Seelsorge auch Vorträge, Konzerte und Kunstausstellungen ihren Platz finden sollen.

Erfolgsmodell Maihof

Viel Platz räumte Hansruedi Kleiber an der Tagung der Präsentation des Projektes «Der Maihof» ein. Die Fakten: Seit 2014 wird die Kirche St. Josef in Luzern (Maihofkirche) als multifunktionaler Saal genutzt. Das benachbarte Pfarreiheim ist ein Quartierzentrum. Ausgangspunkt war auch hier der Sanierungsbedarf der Kirche und des Pfarreiheims. Durch den Strukturwandel war die Kirche zu gross geworden. Das Konzept hier: Pfarrei, Seelsorge und Quartierarbeit wurden in einer Einheit verzahnt. Das Pfarreiheim wurde neu konzipiert und die Kirche als multifunktionaler Kirchensaal und grosser Liturgieraum wurde neu gestaltet. Die Kapelle blieb als Sakralraum erhalten. Hansruedi Kleiber erläuterte: «Die grosse Herausforderung bestand darin, die Kirche in eine église modulable umzuwandeln.» Neben liturgischen Feiern finden laut Kleiber heute hier auch Ausstellungen, Kongresse und Bankette statt.

Für den Präfekten der Jesuitenkirche ist das Konzept St. Josef Maihof ein Erfolgsmodell. Die Nutzung sei erstaunlich gut. Kleiber betonte: «Der Maihof hat sogar eine Vorreiterrolle in Bezug auf das Gesamtkonzept der Kirche in Luzern. Die Sanierung hat neue Impulse vermittelt und Möglichkeiten eröffnet, die weit über die Pfarrei ausstrahlen.» Die Rettung des Kirchturms habe zudem gezeigt, wie wichtig der Bevölkerung die Präsenz der Kirche im Quartier nach wie vor ist.

Die Don-Bosco-Kirche in Basel

An der Kirchenbau-Tagung wurden auch Fälle von baufälligen Kirchen diskutiert, wo längere Zeit nach neuen Nutzern gesucht wurde. So wie bei der 1934 errichteten Kirche Don Bosco in Basel. Die Römisch-katholische Kirche Basel-Stadt (RKK) sucht nach einer Neunutzung, da sie die Kosten für den Unterhalt nicht mehr selber tragen kann. Mehrere Ideen für eine Neunutzung wurden bereits geprüft und wieder verworfen. Eine Ausstellung der RKK gemeinsam mit Klaus Littmann Kulturprojekte zum Thema Kirchenumnutzungen Anfang 2016 zeigte Beispiele von Umnutzungen aus Italien. Stark einschränkend für bauliche Umgestaltungen wirkt der für die Kirche samt Turm geltende Denkmalschutz.

Erfolgversprechend erscheint nun ein Projekt, nach dem ein Verein die Kirche im Baurecht übernehmen und denkmalschutzkonform umbauen will, so dass die Kirche als Proberaum und Konzertsaal genutzt werden kann. Die Kapelle im Untergeschoss wird (wie zum jetzigen Zeitpunkt) auch nach der Umnutzung weiterhin von der Pfarrei als Sakralraum genutzt werden und soll durch eine Sanierung aufgewertet werden.

Umkämpft: Der Fall St. Leonhardskirche

Verkäufe von Kirchen sind in der Schweiz noch eher selten. Meist werden sie von anderen religiösen Gemeinden oder Kulturinstitutionen genutzt. Eher selten ist der Verkauf an Privatpersonen. Passiert das, gehen die Emotionen hoch, wie der Fall der St. Leonhardskirche in St. Gallen zeigt, der am Kirchenbautag an einem Podium intensiv diskutiert wurde.

Die Ausgangslage: Bis 1995 fanden in der neugotischen Kirche in der Nähe des Bahnhofs Gottesdienste statt. 1997 wurde hier das Projekt «Offene Kirche St. Leonhard» gestartet. Die Bänke wurden herausgerissen, die Kirche wurde zum Veranstaltungsort. Weil der Bau für 4,5 Millionen Franken saniert werden musste, was die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde überstieg, beschloss diese 2004, die Kirche zu verkaufen. Käufer war der Winterthurer Architekt Giovanni Cerfeda, dem das Gotteshaus sofort gefiel. Er will die Kirche zu einem Ort umwandeln, wo es neben Gastronomie auch Theater- und Filmvorführungen sowie Modeschauen geben soll. Ein Dachstockbrand 2007 beschädigte die Kirche allerdings und verlangsamte die Umsetzung des Projektes. 2013 stellte Cerfeda Pläne für einen Umbau vor. Der Architekt will weiterhin an seiner geplanten Mischung aus kultureller und kommerzieller Nutzung festhalten.

Das Modell «Beteiligungskirche»

Auf dem Podium diskutierte auch die reformierte Pfarrerin Andrea Weinhold mit. Die Gossauerin ist Autorin der Projektidee «Beteiligungskirche St. Leonhard». Darin plädiert sie für ein intensives Nachdenken darüber, wie das Leben in der Leonhardkirche und in der Kirche allgemein in Zukunft aussehen könnte. Andrea Weinhold: «Wenn der Kirche dereinst das Geld ausgehen sollte, müssen die neuen Macher mit bereits durchdachten Strukturen und Konzepten loslegen können.»

In Anwesenheit des Architekten Cerfeda bekannte Andrea Weinhold, dass sie das versprochene kulturelle Angebot in der St. Leonhardskirche bislang nicht vorfand. Sie habe zudem erkannt, wie sehr das alte Gebäude als Kirchenraum in der Stadt vermisst werde. Deshalb, so vernahm das staunende Publikum, habe sie den Gedanken gefasst, St. Leonhard zu kaufen. Die Kirche also wieder in privaten Händen? Andrea Weinhold verneinte vehement. Wie das Publikum erfuhr, möchte sie die Kirche nicht als Privatperson besitzen, sondern sie zusammen mit einem Team inhaltlich und finanziell mittragen und gestalten. Der jungen Pfarrerin schwebt eine Beteiligungkirche vor, die getragen wird von Menschen, die Interesse haben, eine Kirche neu aufzubauen. Andrea Weinhold sagte: «Ich glaube, alle lebendigen Kirchen werden von unten gegründet.»

 

 

Kirche St. Leonhard in St. Gallen | | © Wikimedia Commons/Marco Tedaldi, CC BY-SA 3.0 (unproted)
8. September 2017 | 11:55
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