Chinas Untergrundkirchen müssen sich vor der Polizei verstecken.
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Kirchenabrisse, Kirchenschliessungen – Raues Klima in China

Hongkong, 17.1.18 (kath.ch) Die Polizei lässt das Gelände absperren, dann deponieren Bauarbeiter Sprengstoff im Inneren der Kirche. Wenig später stürzt das Gebäude ein. Was der Detonation standgehalten hat, wird von Bulldozern und Presslufthammern plattgemacht. Umgerechnet 2,4 Millionen Euro hatten die Menschen vor knapp zehn Jahren für den Bau ihrer Kirche, der Golden Lampstand Church, in Linfen im nördlichen China gesammelt.

Stefanie Ball

Linfen liegt in der Provinz Shanxi, die zu den ärmeren Regionen des Landes gehört. Wirklich reich ist hier niemand. Vom immensen Wirtschaftswachstum, das China in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebt hat, haben viele Dörfer in Shanxi nichts abbekommen. Aber die Menschen sind gläubig. Und als ein Ehepaar, evangelikale Christen, eine Kirche bauen will, sind die Anwohner begeistert. Schon bald wächst die Golden Lampstand Church zu einer landesweit bekannten Mega-Kirche mit 50’000 Mitgliedern heran.

Offiziell gilt Religionsfreiheit

Doch von Anfang an gibt es Schwierigkeiten mit den Behörden. Denn die Lampstand Church agiert im sogenannten Untergrund. Offiziell gilt im kommunistischen China Religionsfreiheit; allerdings müssen sich Gemeinden und Priester bei den dafür zuständigen kirchlichen Dachorganisationen registrieren – die wiederum vom Staat gelenkt werden. Die Lampstand Church gehört nicht der offiziellen Staatskirche an, ebenso wie Tausende andere Gemeinden.

Viele dieser Untergrund- oder Hausgemeinden, die sich in privaten Räumen treffen, bleiben von Polizei- und Parteifunktionären unbehelligt. Dafür aber war die Kirche in Linfen zu auffällig, zu gross; und so wurden bereits früher Fensterscheiben eingeschlagen und Bibeln gestohlen. Die drastische Massnahme des nun erfolgten Abrisses begründet die staatlich kontrollierte Zeitung «Global Times” damit, dass die Kirche und ohne die notwendigen Genehmigungen errichtet worden sei.

Betreten verboten

Ein ähnliches Schicksal ereilte Ende Dezember eine katholische Kirche in der benachbarten Provinz Shaanxi. Nur eine Woche vorher wird die Gemeinde in Zhifang über den bevorstehenden Abriss informiert. Das Gotteshaus noch einmal zu betreten, wird den Gläubigen verboten. In den Sozialen Netzwerken zeigen Dorfbewohner Fotos vom Bauschutt, der einmal ihre Kirche war.

Bauprojekte als Abrissgrund

Laut dem vatikanischen Pressedienst Asianews belegen Dokumente, dass die Behörden den Bau der Kirche vor 20 Jahren explizit erlaubt hatten. Der zuständige Bischof Wu Qinjing schreibt wenig später in einer Mitteilung, lokale Behördenvertreter hätten ihn aufgesucht und sich für das Vorgehen entschuldigt. Es werde nun gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Die Kirche liegt in der Nähe einer Autobahn; angeblich soll die Lokalregierung das Land benötigt haben. In China werden immer wieder Häuser abgerissen, wenn diese grösseren Bauprojekten im Weg stehen.

«Nach dem Motto ‹ein Auge auf, ein Auge zu›.»

Im nordwestlich gelegenen Xinjiang wurde am 31. Dezember zudem eine protestantische Kirche geschlossen. Kurz zuvor bringen Sicherheitsbeamte den Pfarrer, Lou Yuanqi, auf die Polizeiwache, wo er mehrere Stunden verhört wird, wie die US-Organisation China Aid berichtet. Beobachter werten solche Vorfälle als möglichen Vorgriff auf das überarbeitete Religionsgesetz, das im Februar in Kraft tritt – und das eine noch stärkere Kontrolle religiöser Aktivitäten vorsieht.

Grauzone

«Bislang wurde religiöses Leben in der Grauzone, das heisst ausserhalb des vom Staat vorgeschriebenen rechtlichen Rahmens, von den lokalen Behörden oft toleriert – nach dem Motto ‹ein Auge auf, ein Auge zu›», sagt Katharina Wenzel-Teuber vom China-Zentrum in Sankt Augustin. Ein Ziel der revidierten «Vorschriften für religiöse Angelegenheiten» scheine zu sein, diese Grauzonen zu schliessen.

Wenn es aber stimme, dass die katholische Kirche in Zhifang über die notwendigen Papiere verfügt habe, «hätte sie nicht einfach so abgerissen werden dürfen», betont Wenzel-Teuber. «Weder nach den bisher geltenden noch nach den revidierten Vorschriften». (kath.ch)

Chinas Untergrundkirchen müssen sich vor der Polizei verstecken. | © pixabay.com CC0
17. Januar 2018 | 15:38
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