Rutilio Grande (2.v.l.) und Oscar Romero (4.v.l.) auf einem Wandgemälde in der Kirche in El Paisnal (2019).
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Kirche in El Salvador spricht vier Glaubenszeugen selig – «Wir sind eine Kirche des Martyriums»

In El Salvador bestimmte am Wochenende ein Ereignis die Schlagzeilen: Am Samstag wurden vier Männer selig gesprochen, deren gewaltsamer Tod in die Anfangsphase eines Bürgerkriegs fällt, dessen Erbe bis heute spürbar ist.

Tobias Käufer und Joachim Heinz

Für Kardinal Gregorio Rosa Chavez war der Moment der Seligsprechung auch ein Augenblick der Besinnung auf die Geschichte El Salvadors. «Die Menschen sehen in den Seliggesprochenen ein Bild ihres eigenen Lebens – ihrer schweren Zeiten, aber auch ihrer Freude.» Seit Samstag, 17.40 Uhr Ortszeit sind Rutilio Grande, Nelson Rutilio Lemus, Manuel Solorzano und der italienische Missionar Cosme Spessotto nun offiziell seliggesprochen.

Rund 5000 geladene Gäste

Zu der Zeremonie in der Hauptstadt San Salvador kamen Medienberichten zufolge rund 5000 geladene Gäste. Seit Tagen schauten die Menschen in dem immer wieder von Konflikten erschütterten mittelamerikanischen Land auf dieses Ereignis. Fast alle salvadorianischen Medien brachten die Nachricht an prominenter Stelle.

Beginn eines blutigen Bürgerkriegs

Die vier Männer wurden 1977 beziehungsweise 1980 getötet. Die Morde fielen in den Beginn eines blutigen Bürgerkriegs in El Salvador, der erst am 16. Januar 1992 mit dem Friedensvertrag von Chapultepec endete. Wie könne man vergessen, was der schreckliche Bürgerkrieg mit sich gebracht habe, fragte Kardinal Rosa Chavez. Hass, Rache, Schmerz, Zerstörung, Terror, Tod, Verleumdung, Blutvergiessen, Stigmatisierung seien Bestandteile des grossen Leids, das El Salvador erfahren habe.

Indirekte Kritik an Präsident

Wer will, konnte daraus eine indirekte Kritik an El Salvadors Präsident Nayib Bukele erkennen, der künftig den Gedenktag zur Unterzeichnung des Friedensvertrages nicht mehr den Friedensstiftern von damals, sondern beinahe ausschliesslich den Opfern widmen will. Es gelte den «Geist der Friedensverträge» wiederherzustellen, hiess es dann auch auf der «Plaza Divino Salvador del Mundo», wo die Seligsprechung stattfand.

Arme in der ersten Reihe

«Mit Romero und Rutilio stehen die Armen in der ersten Reihe», war auf einem Plakat zu lesen. Ein überlebensgrosses Bild der vier Seligen stand neben dem Altar und wurde mit der hereinbrechenden Dunkelheit angestrahlt. Auf dem Platz stünden viele, die institutionalisierte Gewalt, die Gewalt des bewaffneten Konflikts und die alltägliche Gewalt aus erster Hand erlebt hätten, sagte Rosa Chavez. «Wir sind eine Kirche des Martyriums.»

Wende im Leben des Erzbischofs

Die Ermordung des Jesuiten Rutilio Grande sowie der beiden Laien Manuel Solorzano und Nelson Rutilo Lemus im März 1977 sollte ausschlaggebend sein für eine Wende im Leben des damaligen Erzbischofs von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero: Er setzte sich fortan lautstark für den Schutz der Armen und Rechtlosen in El Salvador ein. Am 24. März 1980 wurde er ermordet. Dieses Attentat wurde zum Fanal für den Bürgerkrieg. 2018 heiliggesprochen, gilt Romero in El Salvador inzwischen als Nationalheld.

Symbol für den Neuaufbruch

Bereits im Vorfeld der Seligsprechung hatten Vertreter von deutschen Hilfswerke das Wirken von Rutilio Grande und der drei anderen Männer gewürdigt. «Sie stehen für den Neuaufbruch der lateinamerikanischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil», schrieb der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Martin Maier, in der «Herder Korrespondenz». «Sie stehen für eine missionarische Kirche, die an die Peripherie, an die sozialen und existentiellen Ränder gegangen ist. Sie stehen für eine verfolgte Kirche, die zahlreiche Märtyrer für Glaube und Gerechtigkeit hervorgebracht hat», so der Jesuit, der selbst lange Jahre in dem Land tätig war.

Misereor: Besorgt über jüngste Entwicklungen

Der Länderreferent von Misereor, Benjamin Schwab, zeigte sich in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) besorgt über die jüngsten Entwicklungen in El Salvador. «Die Kirche hat stets zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog aufgerufen», sagte Schwab. «Sie steht aber zunehmend auch selbst unter Druck, weil sie wiederholt einen Rückbau der demokratischen Strukturen kritisiert hat.» Dass salvadorianische Politiker bei der Seligsprechung zugegen war, dürfte daran wohl nicht viel ändern. (kna)


Rutilio Grande (2.v.l.) und Oscar Romero (4.v.l.) auf einem Wandgemälde in der Kirche in El Paisnal (2019). | © kna
23. Januar 2022 | 16:37
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