Kinderpornografie-Prozess im Vatikan endet mit Schuldspruch

Rom, 23.6.18 (kath.ch) Fünf Jahre Haft wegen Kinderpornografie. Dieses Urteil fällte das Gericht des Vatikanstaats am Samstag über einen 50-jährigen Priester in einem beispiellosen Prozess – beispiellos wegen seiner Kürze, des Strafmasses und des Verfahrensgegenstands. Das erste Mal belangte der Vatikan einen hohen Mitarbeiter wegen eines solchen Delikts nicht nur kirchenrechtlich, sondern auch mit dem Arm seiner weltlichen Justiz.

Von Burkhard Jürgens

Es ist das jähe Ende einer vielversprechenden Karriere: Jugend in einem Dorf bei Mailand, Priesterweihe mit 25, dann ein Spezialstudium in Kirchenrecht und die strenge Auslese der päpstlichen Diplomatenakademie in Rom. Der junge Geistliche sattelte einen kirchenrechtlichen Doktor drauf, 2008 ernannte Benedikt XVI. ihn zum «Kaplan seiner Heiligkeit». 2016 der Ruf als Mitarbeiter an die wichtige Nuntiatur in Washington. Es hätte so weitergehen können. Es kam alles anders.

Tat am Pfarrei-Computer

In seinem ersten Weihnachtsurlaub auf dem neuen Posten reiste der Diplomat ins kanadische Windsor, eine vibrierende, bei US-Touristen beliebte Ausflugsstadt an der Grenze gegenüber dem Detroit River. Dort, ausgerechnet an Weihnachten, ausgerechnet an einem Pfarrei-Computer, versorgte er sich laut Ermittlern mit kinderpornografischem Material.

Zum Auftakt des Verfahrens am Freitagnachmittag räumte der Angeklagte laut Prozessbeobachtern «zwanghafte Handlungen unangemessener Internetnutzung» ein. Er sprach von einer persönlichen Krise, die er unterschätzt habe, einem Gefühl von «Leere und Nutzlosigkeit».

Video mit Kleinkind in «expliziten Handlungen»

Trost suchte er beim Betrachten von Bildern von Teenagern zwischen 14 und 17. Der von der Vatikan-Polizei beauftragte IT-Experte Gianluca Guazzi fand auf Datenträgern des Priesters um die 50 strafrelevante Fotos, Videos, japanische Mangas. Darunter befand sich Material, über das man nach Auffassung Guazzis nicht einfach durch eine Google-Suche stolpern konnte. Und auch ein Video mit einem Kleinkind in «expliziten Handlungen».

Fehlverhalten zugegeben

Der Priester beteuerte laut anwesenden Journalisten, diese Art von Aktivitäten hätten nie sein Leben als Priester und auch nicht seinen Umgang mit Kindern bestimmt. Die Verteidigung versuchte seine Motivation mit einem psychologischen Gutachten zu erläutern. Aber im Wesentlichen gab der Angeklagte sein Fehlverhalten zu.

Haftbefehl aus Kanada

Nur zweieinhalb Stunden dauerte der erste Prozesstag, zwei Stunden der zweite. Vielleicht wollte auch der Beschuldigte die Sache endlich hinter sich haben. Ende August 2017 meldete das US-Aussenministerium seinen Verdacht nach Rom; der Vatikan zog den Mitarbeiter aus Washington ab. Seither wohnte er im Vatikan, in Nachbarschaft des Tribunals, das ihn jetzt verurteilte. Ende September 2017 erliess Kanada einen Haftbefehl.

Vatikan wollte Prozess führen

Der Vatikanstaat wollte den Prozess selbst führen. Grundlage ist ein Gesetz, nach dem die vatikanische Justiz sich auch für im Ausland begangene Straftaten von Amtsträgern des Heiligen Stuls zuständigt sieht. So sollte etwa der frühere Nuntius Jozef Wesolowski im Vatikan vor Gericht – in dem bislang einzigen vergleichbaren Fall: Es ging um Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch mehrerer Jungen. Zum Verfahren gegen den aus Polen stammenden Erzbischof kam es nur deswegen nicht, weil er vorher einem Herzinfarkt erlag.

Vielleicht ein Signal

Im aktuellen Fall sah es zeitweise so aus, als treibe der Vatikan die Sache nicht sonderlich voran. Doch als in Chile der Missbrauchsskandal platzte und die päpstliche Kinderschutzkommission in eine neue Runde ging, kam Anfang April auch ein vatikanischer Haftbefehl für den jetzt verurteilten Kirchendiplomaten. Vielleicht ein Signal: Wir tun was.

Mit fünf Jahren Freiheitsentzug und 5000 Euro Geldstrafe gingen die Richter ein Viertel über das vorgesehene Mass hinaus – in Anbetracht der Schwere der Tat, und obwohl sie zugleich die Kooperation des Angeklagten würdigten.

Zukunft ungewiss

Ob er seine Strafe im Schatten des Petersdoms verbüssen wird, ist unklar. Für so lange Haftzeiten ist der Vatikan gar nicht eingerichtet. Auch die weitere Zukunft des begabten Kirchenmanns bleibt offen. Er selbst sprach von einem «Betriebsunfall» in seinem Priesterleben. (CIC)

23. Juni 2018 | 16:45
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!