Katholische Vielflieger über Flugscham-Diskussion

Mehr Bahnfahrten, weniger Flugreisen: Das ist der Wunsch vieler Klimaaktivisten. Auch katholische Vielflieger stellen ihr Verhalten um. Bei Rom-Fahrten setzen viele auf den Zug. Manche können aber nicht aufs Flugzeug verzichten.

Raphael Rauch

Zu den katholischen Vielfliegern aus der Schweiz gehört Paul Hinder, Bischof von Arabien. Schon als Generalrat der Kapuziner flog er munter durch die Weltgeschichte. Nun ist er viel in seinem Bistum unterwegs, das die Länder Vereinigte Arabische Emirate, Oman und Jemen umfasst. Aufgrund des Bürgerkriegs im Jemen sind Reisen an den Golf von Aden nicht möglich. Aber selbst für Reisen in den Oman setzt der Bischof auf das Flugzeug.

Temperaturen von 50 Grad: Velo fahren nicht möglich

kath.ch erreicht den Bischof von Arabien auf der Rückreise von Salalah (Oman) ins rund 1200 Kilometer entfernte Abu Dhabi. «Die Alternative wäre das Auto, gut zehn Stunden Fahrt, oder das Kamel, mit dem ich Wochen unterwegs wäre», sagt Hinder. Ein Bahnnetz gebe es nicht. Schelmisch flachst der Kapuziner: «Vermutlich wird niemand von mir verlangen, bei Temperaturen zwischen 40 und 50 Grad mit dem Velo die respektablen Strecken zurückzulegen.»

Bischof Paul Hinder
Bischof Paul Hinder

«Die Alternative zum Flugzeug wäre das Auto oder das Kamel.»

Paul Hinder

Hinder begrüsst die Flugscham-Diskussion. Aber ihn stört «der oft fundamentalistische Zug in der ganzen Debatte». Er versuche, Anfragen für Vorträge in Europa nur dann anzunehmen, wenn er sie mit anderen Verpflichtungen verbinden könne. Und er bemüht sich, an anderer Stelle umweltfreundlich zu handeln: «Ich gehe mit der Klima-Anlage trotz der hohen Temperaturen so sparsam wie möglich um. Meinen täglichen Marsch mache ich bewusst in der Umgebung meiner Wohnung und fahre nicht zuerst mit dem Auto ans Meer, obwohl es dort viel schöner und romantischer wäre.»

Kardinal Koch: Skype-Konferenzen keine Alternative

Hinders Diözese hat sich in den letzten Jahren zu einem Drehkreuz renommierter Airlines entwickelt: «Etihad» steuert von Abu Dhabi, «Emirates» von Dubai und «Oman Air» von Maskat aus die grossen Flughäfen der Welt an. «Bis jetzt habe ich hier von Flugscham wenig gespürt», sagt Hinder. «Ich staune, dass trotz der Klima-Debatte in Europa die Flüge nach Abu Dhabi und Dubai meistens gut belegt sind – mit Passagieren, die sich irgendwo am Golf oder weiter östlich ein paar Tage Ferien gönnen.»

Kardinal Kurt Koch
Kardinal Kurt Koch

«Gottesdienste sind nicht per Skype möglich.»

Kurt Koch

Ein anderer Vielflieger ist Kardinal Kurt Koch: Als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ist Besuchsdiplomatie ein wichtiger Teil seiner Arbeit. «Meine Reisen haben zumeist mehrtägige ökumenische Konferenzen zum Ziel. Bei Besuchen feiere ich meist auch Gottesdienste.

Beides ist mit Skype-Konferenzen nicht zu machen», sagt Koch. «Wenn möglich, benutze ich die Eisenbahn, was bei grösseren Reisen aber nicht möglich ist.» Allerdings begrüsst der Kardinal die Klimadebatte: «Es ist gut, dass wir alle zur Schöpfung Gottes Sorge tragen.»

Rutishauser: Klima-Debatte hat heidnische Züge

Christian Rutishauser ist Provinzial der Schweizer Jesuiten. Er findet: «Die übertriebene Fliegerei muss unbedingt reduziert werden. Das Wort Flugscham gefällt mir als Kreation. Es weist aber auf ein problematisches Denken hin: In der Debatte suchen einige Sündenböcke, andere leben in der Illusion, der Mensch könnte unschuldig durch das Leben gehen.»

Rutishauser beobachtet gar «ein heidnisches Empfinden, die Natur würde wie eine Gottheit zurückschlagen. Nun muss sie besänftigt werden, wie die Heiden dies einst mit Opfern taten. Der Mensch aber lebt immer auf Kosten der Natur, ist mit ihr in Interaktion, und sie verändert sich.»

Christian Rutishauser, Ex-Provinzial der Schweizer Jesuiten
Christian Rutishauser, Ex-Provinzial der Schweizer Jesuiten

«Ich hoffe, dass das Angebot der Nachtzüge ausgebaut wird.»

Christian Rutishauser

Als oberster Schweizer Jesuit und als Berater des Papstes für die Beziehungen zum Judentum ist Rutishauser viel unterwegs. «In Europa gibt es gute Alternativen zum Fliegen. Das Bahnnetz ist gut ausgebaut. Gerade diesen Sommer nahm ich auch den Nachtzug. Ich hoffe, dass diese Möglichkeiten ausgebaut werden», sagt Rutishauser.

Alain de Raemy
Alain de Raemy

«Nach Rom reise ich nur noch mit der Bahn.»

Alain de Raemy

Bistum LGF lässt CO2-Fussabdruck prüfen

Nicht als Vielflieger sieht sich Alain de Raemy, Weihbischof des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg (LGF). «Ins Flugzeug steige ich im Durchschnitt ein bis zweimal pro Jahr. Nach Rom reise ich nur noch mit der Bahn», teilt er auf Anfrage mit. Der CO2-Fussabdruck des Bischofssitzes in Freiburg werde demnächst von einem Unternehmen analysiert. «Es handelt sich um eine umfassende Bewertung: Strom, Gas, Bürogeräte wie Papier und Drucker sowie Reisen», sagt De Raemy. Auch die Amtssitze der Bischofsvikare in Genf, Lausanne, Freiburg und Neuenburg würden auf ihre CO2-Emissionen hin überprüft.

Abt Urban Federer
Abt Urban Federer

«Mönche beten, arbeiten und wohnen unter einem Dach.»

Urban Federer

Ein Bekenntnis zur Schöpfung legt auch Urban Federer ab, der Abt des Klosters Einsiedeln: «Uns Benediktinern wurden nachhaltiges Wirtschaften und der schonende Umgang mit der Schöpfung vom Ordensgründer vor 1500 Jahren auf den Weg mitgegeben.» Sein Kloster achte beim Heizen und Wirtschaften auf Nachhaltigkeit.

«Der ökologische Fussabdruck von Mönchen und Nonnen ist nicht gross, weil wir unter einem Dach beten, arbeiten und wohnen», sagt Federer. Rom-Reisen würden von seinen Mitbrüdern und ihm nach zeitlicher Möglichkeit «mit dem Zug, dem Flugzeug oder zu Fuss» getätigt. «Persönlich habe ich für diese Strecke den Hochgeschwindigkeitszug ‹Frecciarossa› entdeckt», sagt Federer.

«Wenig Fliegen. Wenig Fleisch. Viel Bio»

Anders als sein Job vermuten lässt, sieht sich Bernd Nilles nicht als Vielflieger. Der Geschäftsleiter von Fastenopfer fliegt laut eigener Aussage beruflich höchstens «ein bis zwei Mal pro Jahr2 – und privat gar nicht mehr.

«Wenn ich einen Termin in Brüssel habe, verlege ich mein Büro in den Zug und reise während meines Arbeitstages. Da merken die Mitarbeitenden gar nicht, dass ich nicht am Schreibtisch sitze.»

Fastenopfer-Geschäftsleiter Bernd Nilles
Fastenopfer-Geschäftsleiter Bernd Nilles

«Ich habe kein Auto.»

Bernd Nilles

Nilles warnt davor, die Klima-Debatte nur aufs Fliegen zu reduzieren – schliesslich seien auch Energieerzeugung, Auto- und Schiffsverkehr, industrielle Landwirtschaft oder Fleischkonsum problematisch fürs Klima. Er fordert, stärker auf erneuerbare Energien zu setzen und Subventionen und Steuervergünstigungen für fossile Brennstoffe zu streichen.

Auch als Privatmann sei ihm die Klimadebatte ein Anliegen. Was er konkret mache? «Wenig Fliegen. Wenig Fleisch. Viel Bio. Erneuerbare Energien nutzen. Ich habe kein Auto. Auf Klimademos gehen und Politikerinnen und Politiker von starken CO2-Gesetzen überzeugen», sagt Nilles. Sein Ziel: eine klimaneutrale Schweiz.

Viele Klima-Aktivisten fodern eine Reduktion des Flugverkehrs. | © Pixabay.com/rolandmey, Pixabay-Licence
21. Oktober 2019 | 07:37
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