Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien
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Kardinal Schönborn findet Papstschreiben «sehr lebensnah»

Wien, 10.4.18 (kath.ch) Jeder Christ ist zur Heiligkeit berufen und es geht in erster Linie um die kleinen Schritte dorthin im alltäglichen Leben. Darauf möchte Papst Franziskus mit seinem neuen Schreiben «Gaudete et exsultate» hinweisen und ermutigen, wie der österreichische Kardinal Christoph Schönborn in einer ersten Stellungnahme zum Schreiben am Montag unterstrich.

Heiligkeit sei nichts für eine kleine Elite, so Schönborn, der zugleich daran erinnerte, dass jede grosse Reform beim Einzelnen und seinem Bemühen um Heiligkeit beginne. Die grossen Reformer in der Kirche seien immer die Heiligen gewesen, nicht nur die grossen bekannten Gestalten, sondern vor allem die vielen Unbekannten, die Franziskus in Anspielung auf den französischen Schriftsteller Joseph Malegue «Mittelschicht der Heiligkeit» nennt.

Ein «Handbüchlein»

Der Wiener Erzbischof nannte das päpstliche Schreiben eine Art «Handbüchlein, wie es immer wieder geistliche Lehrer verfasst haben; sehr praktisch, lebensnah und praktikabel.» Es handle sich um keine grosse theologische Abhandlung, wiewohl es auf einem «soliden theologischen Fundament» beruhe. Jedermann könne und solle sich damit auf dem Weg zur täglichen Heiligkeit machen.

«Brennstoff» für Christen

Das neue Schreiben würde die bisherigen drei päpstlichen Schreiben (»Evangelium gaudii», «Laudato si» und «Amoris laetitia») ergänzen. Es sei quasi der «Brennstoff», damit das Engagement der Christen für das Evangelium (EG), die Umwelt (LS) und die Familie (AL) kraftvoll seien und es zu keinen Ermüdungserscheinungen komme.

Ausdrücklich unterstrich Schönborn auch die von Papst Franziskus in seinem Schreiben angeführten Gefahren des Gnostizismus beziehungsweise Pelagianismus. Letztlich gehe es dabei in der einen oder anderen Weise immer um ein elitäres «Leistungschristentum», das Gott als Buchhalter der menschlichen Leistungen sieht und in dem die meisten Menschen keinen Platz hätten, das aber gar nicht dem Christentum entspricht.

Im Dienst der Gewissensforschung

Zur Frage, ob das Schreiben deshalb auch als Kritik des Papstes an verschiedenen Kräften innerhalb der Kirche zu verstehen sei, die mit dem Kurs des Papstes nicht einverstanden sind, meinte Schönborn: «Dieses Schreiben dient sicher auch der Gewissenserforschung. Jeder soll es lesen und sich fragen, ob der Papst damit auch mich meint.»

Eines sei für Papst Franziskus jedenfalls ganz wesentlich, betonte Schönborn: Ohne den in der Bergpredigt genannten Einsatz für Hungrige, Durstige, Fremde, Mittellose oder Kranke könne es keine Heiligkeit geben beziehungsweise sei man nicht auf dem richtigen Weg. Schliesslich sei das «Christentum gemacht, um gelebt zu werden».

Starke Bilder und Worte

Einprägsam seien auch die vielen starken Bilder bzw. Worte, die Papst Franziskus in seinem Schreiben verwendet, so der Kardinal weiter; wenn Franziskus etwa vor der Gefahr digitaler Oberflächlichkeiten warnt und wörtlich vom «Faktor der Verblödung» spricht. An anderer Stelle wiederum übe er heftige Kritik an «geistlicher Korruption».

Das kirchliche Verfahren der Heiligsprechung werde vom Papst hingegen nicht angesprochen. Thema sei nicht, «wie man heiliggesprochen wird», sondern er thematisiere eben die Berufung jedes Christen zur Heiligkeit.

Papst Franziskus knüpfe damit unter anderem auch bei Papst Benedikt XVI. an, so Schönborn. Dieser hatte einst eine grosse Katechesenreihe über bedeutende Heilige in der Kirche gehalten. Seine abschliessende Katechese war schliesslich den vielen unbekannten Heiligen gewidmet, denn: «Das breit Tragende in der Kirche und in der Welt ist die täglich gelebte einfache Heiligkeit.» (kap)

Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien | © KNA
10. April 2018 | 06:28
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