Rast im "Galgenchappeli"
Schweiz

Jugendwallfahrt nach Einsiedeln: Stille ist mehr als «Chillen»

Einsiedeln SZ, 25.4.16 (kath.ch) Das Kloster Einsiedeln ist ein besonderer spiritueller Magnet, erst recht im Jahr der Barmherzigkeit. Am Sonntag, 24. April, wanderten Jugendliche zusammen mit Benediktinern aus dem Kloster im dichten Schneegestöber von Biberbrugg nach Einsiedeln.

Vera Rüttimann

Es ist Sonntagmorgen um 10 Uhr, als sich die Jugendlichen am Bahnhof Biberbrugg versammeln. Es schneit und windet heftig. Winter im April. Die Kapuzen der Teilnehmer, die sich zur Jugendwallfahrt nach Einsiedeln versammelt haben, sitzen tief im Gesicht. Doch die Vorfreude ist gross, denn: Das Kloster Einsiedeln ist religiöser Mittelpunkt der Schweiz und mit seiner schwarzen Madonna in der Gnadenkappelle ein bedeutender Wallfahrtsort mit Ausstrahlung weit über die Schweiz hinaus.

Durch den Schnee Richtung Einsiedeln

Die Jugendlichen und die drei Patres folgen dem Wegweiser Richtung Altberg/Einsiedeln. Die Gegend gehört zu den niederschlagsreichsten in der Schweiz, was die Pilger zu spüren bekommen. Tief sinken ihre Schuhe beim Anstieg auf eine steile Anhöhe im Matsch ein. Zu einer ersten Rast kommt es an der Feuerstelle Altberg. Sie wurde in ein ehemaliges Wasserreservoir hineingebaut. Bei guter Sicht würden die Pilger jetzt unter anderem die Etzelpasshöhe mit dem Gasthaus und der Kapelle St. Meinrad sowie den Sihlsee sehen. Am Ufer dieses Sees sollen Bewohner in vergangenen Zeiten engelhafte Erscheinungen gesehen haben.

Im «Galgenchappeli» gibt es die nächste Rast. Während die Jugendlichen in der alten Schutzhütte aus Holz an ihrem Tee nippen, wissen sie zunächst nichts über die dunkle Vergangenheit dieses Orts, denn hier steht man an der Stelle, in der in unmittelbarer Nachbarschaft eine ehemalige Richtstätte stand. Die zum Tode Verurteilten erhielten in der ehemaligen Kapelle ihren letzten Segen. Die Pater gedenken mit den Jugendlichen der Verstorbenen und meditieren hier mit ihnen über das Thema Barmherzigkeit.

Ein Leben lang im Kloster?

Nach dem Halt beim Galgenchappeli wird eine Zeit lang geschwiegen. Während ihnen der Schneesturm um die Ohren pfeift und nur das rhythmische Stapfen der Schuhe zu hören ist, entdecken einige Jugendliche einmal mehr, dass Stille mehr ist als «Chillen». Mehr als die Abwesenheit von Worten.  Eine solche Pilgertour bildet einen Gegenpol zum geschäftigen Treiben. Er führt zu intensivem Nachdenken über sich selbst. Einige denken dabei auch über die Frage nach, ob sie in einem Kloster leben könnten.

Diese Frage stellte sich vor zwei Jahren etwa Philipp Klein aus Horgen ZH, als er im Sommer im Kloster Einsiedeln ein Volontariat antrat. «Ich wollte wissen, wie man heute in einem Kloster lebt. Zudem wollte ich hier meiner eigenen Berufung genauer auf den Grund gehen.» Der 22-Järhige war neugierig auf dieses Kloster, das zusammen mit dem Benediktinerinnenkloster Fahr ein Doppelkloster bildet. Der Horgener studierte schliesslich nicht Theologie, sondern Recht in St. Gallen. Dennoch ist er dem Kloster Einsiedeln bis heute verbunden. Das im Sommer 2012 gestartete Volontär-Projekt für Männer, begleitet durch Pater Cyrill, bezeichnen alle Patres als «Erfolgsprojekt». Mit dieser Jugendwallfahrt nun wolle das Kloster Einsiedeln zudem einen neuen Akzent setzen, sagt Pater Philipp.

Durch die Pforte der Barmherzigkeit

Kurz nachdem die Gruppe den Sihlsee hinter sich gelassen hat, tauchen im Schneegestöber schemenhaft die Türme des Klosters Einsiedeln auf. Die mächtige Klosteranlage ist nicht mehr weit. Dort angekommen, steht die Pilgertruppe vor einem auf den ersten Blick rätselhaft anmutenden Tor. Es ist über zwei Meter hoch, fast zwei Meter breit und steht in einem bewusst gewählten Abstand zum Hauptportal der Klosterkirche auf dem obersten Teil des Klosterplatzes. «Es sieht aus wie eine Kunst-Installation», sagt einer der Jugendlichen. Eine Info-Tafel an der Seite des Tores klärt sie auf: Sie stehen vor der «Heiligen Pforte». Anlässlich des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit steht seit letztem Dezember auch hier eine «Heilige Pforte». Drei schlichte Sandsteinblöcke ermöglichen hier «die Barmherzigkeit Gottes zu erfahren», wie Pater Philipp sagt. Neugierig marschieren die Jugendlichen durch das Tor.

Die schwarze Madonna

Zusammen mit dem anderen Pilgerstrom betreten die Jugendlichen die Klosterkirche. Sie alle wollen nur die eine sehen: Die schwarze Madonna von Einsiedeln. Fasziniert schauen die Pilger die spätgotische Holzfigur im goldenen Mantelumhang an, die ihnen mit rätselhaft entrücktem Blick aus der Gnadenkapelle entgegenblickt. Ein Ort, zu dem es auch Maya Fürst hinzieht. «Keine kann sich ihrem Sog entziehen, die Ausstrahlung ist stark», sagt die 24-jährige Bernerin. «Ich komme immer wieder hierher. Maria stand mir schon oft in schwierigen Momenten meines Lebens zur Seite.» Sie weiss, dass der Gnadenkapelle im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit eine zentrale Rolle zukommt. 2017 werden die schwarze Madonna, das spirituelle Herz Einsiedelns, wohl noch mehr Menschen aufsuchen. Dann wird 200 Jahre Gnadenkapelle gefeiert.

Die Zeichen lesen

Zum Abschluss der Jugendwallfahrt versammelt sich die Pilgergruppe in den Bänken vor der Gnadenkappelle zum Gottesdienst mit Abt Urban Federer. Mit seiner jovialen Art hat er die Jugendlichen sofort in der Tasche. Der Mönch empfängt sie mit warmen Worten: «Wie kann man nur bei diesem Wetter losmarschieren? Die Leute in dieser Gegend wissen natürlich: Die, die bei jedem Wetter nach Einsiedeln losmarschieren, wollen ein Zeichen setzen.»”

Ein weiteres Zeichen, so Abt Urban Federer, sei nämlich auch die Stadt Jerusalem, die Gott zu seinem Wohnort ausgesucht habe. «Die Leute, die das Kloster Einsiedeln bauten, wollten einen Abglanz von diesem Zeichen bauen. Ein Bild von diesem himmlischen Jerusalem», führt Urban Federer weiter aus. Der Abt gibt den Jugendlichen mit auf den Weg: «Ihr seid heute durch Schnee und Wind gelaufen. Je näher ihr Einsiedeln gekommen seid, umso mehr seid ihr ein Zeichen dafür geworden, dass ihr gemeinsam als Kirche unterwegs seid.» (vr)

Hinweis: Bilder können bei der Autorin direkt bestellt werden unter: info@veraruettimann.com

 

 

 

 

 

 

 

Rast im «Galgenchappeli» | © 2016 Vera Rüttimann
25. April 2016 | 16:09
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!