Basler Anlass "Schweizer Juden: 150 Jahre Gleichberechtigung"
Schweiz

Jüdische Gleichberechtigung als Beispiel für muslimische und alevitische Gemeinschaften

Basel, 30.5.16 (kath.ch) Fünfzig muslimische, alevitische, jüdische und andere Interessierte beteilitgen sich an einer Veranstaltung «Schweizer Juden: 150 Jahre Gleichberechtigung», welche das «National Coalition Building Institute» (NCBI) am Sonntag, 30. Mai, in Basel durchführte.

Als Einstieg in das Thema besuchten die Tagungs-Teilnehmer die Ausstellung «Schweizer Juden: 150 Jahre Gleichberechtigung» im Jüdischen Museum der Schweiz in Basel. Die Schauspielerin Yael Schüler erklärte, wie sehr die jüdischen Gemeinschaften in Basel immer wieder leiden mussten und wie hart die Schweizer Gleichberechtigung trotz verbreitetem Widerstand und nur dank exponierten Persönlichkeiten und auf Druck von ausländischen Handelspartnern erkämpft werden konnte.

Zur Frage, inwiefern verschiedene religiöse Minderheiten in der Schweiz Gleichberechtigung geniessen, folgten an der Tagung anschliessend Kurzreferate von Peter Jossi, Präsident der liberalen Gemeinde Migwan und Vorstandsmitglied der Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS), von Serhad Karatekin, Vorstandsmitglied der Basler Muslim Kommission (BMK), und von Mustafa Atici, Grossrat Basel-Stadt und Vertreter des Dachverbands der Aleviten in Basel.

Vergleichbare Migrationserfahrungen

Jossi betonte, dass teilweise vergleichbare Minderheits-, Flucht- und Migrationserfahrungen das gegenseitige Verständnis der drei Minderheiten fördern und damit zum gesellschaftlichen Frieden beitragen könnten. Er erwähnte, dass über die Jahrhunderte die Situation der religiösen Minderheiten unter muslimisch dominierten Ordnungen in Spanien, Sarajewo oder Istanbul unvergleichbar besser als im christlichen Europa gewesen sei. Das gelte gerade auch für die jüdische Gemeinschaft, die schon lange bereit gewesen sei, die jeweilige Staatsordnung anzuerkennen, falls ein Mindestmass an Ethik und Gerechtigkeit nach dem talmudischen Prinzip Dina-de-Malchuta-Dina (»Das Gesetz des Landes ist Gesetz») gegeben war.

Karatekin erklärte, dass die muslimische Gemeinschaft die Anerkennung in Basel anstrebe. Zuerst müssten aber geeignete Strukturen dafür geschaffen werden. Die alltägliche Diskriminierung bei der Arbeits- oder Wohnungssuche und die negative mediale Behandlung der muslimischen Minderheit in der Schweiz stellen gemäss Karatekin eine grosse Belastung dar. Die negativen Medienberichte wie etwa jene über die beiden muslimischen Knaben, welche sich weigern, einer Lehrerin die Hand zu geben, förderten die Diskriminierung.

Basler Anerkennung

2012 wurde in Basel den Aleviten die kantonale Anerkennung zugesprochen. Der Alevit Mustafa Atici betonte, wie wichtig diese Anerkennung für die Gemeinschaft weltweit sei, da sie im Herkunftsland als Religion staatlich nicht akzeptiert würden. Es reiche nicht, Probleme nur zu benennen, wie die «unschöne» jüdische Geschichte aufzeige. Es brauche jahrelanges intensives Engagement, um vorwärts zu kommen.

Basel-Stadt bemühe sich wirksam für die Integration und die religiöse Gleichberechtigung, was nicht bedeute, dass die Situation nicht noch verbessert werden könne. Atici plädierte für einen offenen und direkten Dialog, bei dem auch schwierige Fragen aufgenommen werden.

In Vernehmlassungen einbeziehen

An der Podiumsdiskussion herrschte Einigkeit darüber, dass alle Religionen vor dem Staat demokratisch gleichberechtigt sein sollten. In der Politik wünschten sich viele, dass nicht nur die Landeskirchen – die,  wie der Jude Peter Jossi betonte, auch zu Minderheiten in Basel geworden sind –, sondern auch die anderen Religionsgemeinschaften bei politischen Vernehmlassungen mitsprechen sollten. Einerseits müsste ihre Stellungnahme gefragt werden, andererseits müssen sie sich aktiv einbringen.

Keine mediale Diskussionsplattform

Dabei kam die Frage der Ressourcen hoch: Den muslimischen und den alevitischen Gemeinschaften fehle ein öffentliches Forum wie das jüdische Wochenmagazin «tachles», wie ein Teilnehmer erwähnte, wo verschiedene soziale, aber auch religiöse Fragen kontrovers debattiert werden können.

Mehrere muslimische Teilnehmer, unter ihnen Imam Gamal Elhawawshi von der Basler Moschee Al Ferdaws, betonten, dass der Koran darauf dränge, alle Menschen, insbesondere die jüdischen und christlichen als Menschen des Buches, gleich zu behandeln.

Aus den Zuschauerreihen wurde kritisiert, dass die Medien, wenn überhaupt, schlecht und kaum positiv über den Islam berichteten. Ein Teilnehmer forderte die Schaffung einer Gratiszeitung, welche die Stimmen der «ignorierten muslimischen Bevölkerug» verbreite, um so die Botschaft des Friedens unter die Leute zu bringen. Wie Ron Halbright vom NCBI-Institut gegenüber kath.ch ausführte, hätten mehrere Musliminnen und Muslime sich bereit erklärt, bei der Herausgabe und Verteilung mitzuwirken. Die Frage der finanziellen Ressourcen blieb offen. Der Basler SP-Grossrat Mustafa Atici, erklärte auf Anfrage, ein solche Projekt stelle zurzeit eher einen «Wunschtraum» dar als ein Projekt, das realisiert werden könnte.

Die Veranstaltung wurde vom Programm «Respect: Mulsim- und Judenfeindlichkeit gemeinsam überwinden» von NCBI Schweiz organisiert. Die Organisation bezeichnet sich als konfessionell und parteipolitisch neutraler Verein, der sich für die interkulturelle Integration einsetzt. (gs)

Basler Anlass «Schweizer Juden: 150 Jahre Gleichberechtigung» | © 2016 NCBI
30. Mai 2016 | 16:51
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