Kardinal Gualtiero Bassetti ist Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz.
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Italiens Kirche will politisch wieder mitgestalten und «das Land flicken»

Rom, 24.5.18 (kath.ch) Vielleicht war Kardinal Gualtiero Bassetti die politische Hängepartie nach den Wahlen vom 4. März inzwischen leid. Wie viele Italiener. Zumindest wäre dies ein Motiv für seinen Ruf nach einem neuen, politischen Katholizismus in Italien. Damit meint der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz nicht nur die Politiker. «Wir erinnern alle daran, dass es nicht einfach genügt eine Regierung zu haben, um ein Land zu führen», sagte Bassetti am Dienstag in Rom. Es sei auch «notwendig, Hoffnung wieder aufzubauen, das Land zu flicken und die Gesellschaft zu befrieden».

Roland Juchem

Neben aller «unschwer zu äussernden» Kritik suchte Bassetti seinen Mitbrüdern und den Menschen im Land Mut zu machen. Italiens Situation sei gar nicht so schlecht, wie oft beklagt werde. In Tausenden Kommunen des Landes gebe es Männer und Frauen, die sich ohne viel Aufhebens und meist unentgeltlich um die Demokratie und das Gemeinwohl verdient machen.

Kirche in der Gesellschaft neu positionieren

In den vergangenen Jahren war die katholische Kirche in Italien relativ still geworden, auch weil sie in sich politisch zerstritten ist. In einer politisch umgekrempelten und wenig berechenbaren, individualistischen Gesellschaft sucht Bassetti, ein Mann von Papst Franziskus, die Kirche neu zu positionieren. «Wir distanzieren uns von Desillusionierung, Arroganz und moralischem Pfusch sowie von eigenen Ängsten», so Bassetti.

Wochenlang hatten Luigi di Maio, Führer der links orientierten populistischen «Fünf-Sterne-Bewegung» (M5S), und Matteo Salvini, Chef der rechtspopulitischen Lega, zunächst um ein Regierungsprogramm gerungen, in dem die Wörter Religion und Kirche im übrigen gar nicht vorkommen. Dann forschten sie nach einem Kandidaten, der das Programm umsetzen soll. In dem 53-jährigen Karrierejuristen Giuseppe Conte meinen sie ihn gefunden zu haben.

Conte mag mehr «bella figura» gemacht haben, als ihm nun gut tut. Dennoch wollte Staatspräsident Sergio Mattarella ihn am Mittwochnachmittag mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Viele Auguren sind skeptisch ob ihrer Haltbarkeit. Vor allem die Fünf Sterne sind als Kämpferin gegen das bisherige Establishment angetreten.

Politische Pädagogik erneuern

Warum sie dann einen Kandidaten vorschlagen, der als anerkannter Topjurist mit Stationen in der öffentlichen Verwaltung und als Lobbyist von Unternehmen genau dieses bisherige Establishment verkörpert, fragt sich nicht nur die linksliberale Zeitung «La Repubblica». Medien berichten auch, Conte sei Schüler der katholischen Begabtenförderung «Villa Nazareth» gewesen. Dies zu einer Zeit als deren Direktor Pietro Parolin hiess, der heute Kardinalstaatssekretär von Papst Franziskus ist.

Damit entstammt Conte einer jener Einrichtungen, aus denen Kardinal Bassetti nun nach engagierten Katholiken ruft. Es sei an der Zeit, «die politische Pädagogik zu erneuern», dass zum Glauben auch der Einsatz für das Gemeinwohl gehört. «Wo sind unsere Klugheit, unsere Leidenschaften? Wovor haben wir Angst?», fragte Bassetti – nicht nur die Bischöfe. Es brauche wieder politisch und gesellschaftlich aktive Katholiken, die das Land in christlichem Sinne mitgestalten. (cic)

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24. Mai 2018 | 10:42
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