Studierende der Universität Luzern
Schweiz

Islamische Theologie führt in Luzern zu Diskussionen

Luzern, 31.8.18 (kath.ch) Die Islamwissenschaftlerin Rana Alsoufi bezweifelt, dass Islamische Theologie ernsthaft erwünscht ist an der Universität Luzern. Das Fach werde von der Theologischen Fakultät zu wenig unterstützt. Deren Dekan Robert Vorholt weist diesen Vorwurf zurück. Andere Kritikpunkte nimmt er dennoch zum Anlass, das Konzept des Zentrums für Komparative Theologie nochmals zu überdenken.

Sylvia Stam

Die Idee des Zentrums für Komparative Theologie, für das vor sechs Jahren erste Projektskizzen vorlagen, sei die Förderung des interreligiösen Dialogs, sagt Dekan Robert Vorholt gegenüber kath.ch. Die beiden bereits bestehenden Institute – das Institut für Christlich-Jüdische Forschung und das Ökumenische Institut – sollten um die dritte abrahamitische Religion erweitert werden.

«Zum interreligiösen Dialog beitragen»

«Wir wollten mit der Schaffung der Assistenzprofessur für Islamische Theologie einen Schritt weitergehen in der Betrachtung der Weltreligionen, indem wir diese erforschen und mit Impulsen zum interreligiösen Dialog beitragen.» Finanziert wurde diese 50 Prozent-Stelle vollständig durch den Stifterverband für Deutsche Wissenschaft, befristet auf fünf Jahre – «bei drittmittelfinanzierten Projekten ist das häufig so «, fügt Vorholt an.

«Wesentliche Fragen wurden nie gestellt.»

Die Islamwissenschaftlerin Rana Alsoufi hatte diese Stelle per 1. September 2017 angetreten. Anfang August wurde überraschend bekannt, dass sie im März per Ende Juli gekündigt hatte.

Als Grund gibt nennt sie den geringen Stellenwert, den das Fach ihrer Meinung nach innerhalb der Universität hatte: «Ist Islamische Theologie ernsthaft erwünscht an der Universität Luzern?», fragt die Jordanierin in einer Stellungnahme, die kath.ch vorliegt.

Laut Alsoufi wurden «wesentliche Fragen zur Integration der Islamischen Theologie in die Theologische Fakultät nie gestellt». Etwa die Frage, was die Fakultät der Teilzeitstelle erreichen wolle. «Man kann die Vielfalt der islamischen Tradition mit einer 50 Prozent- Professur weder darstellen noch vertiefen», sagt sie gegenüber kath.ch.

Gut besuchte Lehrveranstaltungen

Die von ihr angebotenen Lehrveranstaltungen seien zwar gut besucht gewesen, Islamische Theologie habe aber als eigenständiges Fach in den Studiengängen der Universität nicht existiert. Die Lehrveranstaltungen seien für die Studierenden lediglich fakultativ und damit «nice to have» gewesen.

Sie kritisiert zudem die mangelnde finanzielle Unterstützung des Zentrums durch die Universität. «Warum kommt die Finanzierung vollständig von einer deutschen Stiftung?» Aus ihrer Sicht hätte sich die Uni bei diesem Projekt zumindest an den Kosten für die nötige Literatur in der Bibliothek und für die Hilfskraft beteiligen müssen.

Zeitintensive Pionierarbeit

«Wir leisten mit dem Zentrum für Komparative Theologie Pionierarbeit», entgegnet Robert Vorholt. Bei der Assistenzprofessur handle es sich um ein auf fünf Jahre befristetes Projekt, das Geduld erfordere. Hier müsse man sich in der «Kunst der kleinen Schritte» üben. Dass Islamische Theologie eines Tages als eigenständiges Fach an der Universität Luzern gelehrt werden könne, mit den Möglichkeiten eines Bachelor- oder Masterabschlusses, sei aus seiner Sicht durchaus erwünscht, vorausgesetzt, dass dazu die personellen und finanziellen Ressourcen vorhanden wären.

«Der Kanton muss sparen.»

Letzteres sei auch der Grund, weshalb die Assistenzprofessur über Drittmittel finanziert werde: «Der Kanton muss sparen, und die Universität kann von dieser Seite nicht mit zusätzlichen Mitteln rechnen. Zusätzliche Vorhaben und Projekte müssen darum mit Drittmitteln finanziert werden», so Vorholt. Die Universität hat sich laut dem Dekan an den Kosten für die Literatur zur Islamischen Theologie beteiligt.

Nicht auf Augenhöhe

Gemäss Alsoufi soll das Zentrum, dessen Fokus auf einem Vergleich der drei abrahamitischen Religionen Christentum, Judentum und Islam liegen sollte, zu einem «Zentrum für islamisch-christlichen Dialog» reduziert werden. Sie verweist hierzu auf einen Strukturbericht, demzufolge das Institut für Jüdisch-Christliche Forschung aus dem geplanten Zentrum für herausgenommen werden soll. In einem Beschwerdebrief hat Alsoufi den Universitätsrat aufgefordert, diesen and weitere Punkte zu überprüfen und zu überdenken.

Vorholt schildert dies anders. Gerade weil die Assistenzprofessur von Rana Alsoufi mit den beiden anderen Playern – dem Ökumenischen Institut und dem Institut für Jüdisch-Christliche Forschung – nicht auf Augenhöhe gewesen sei, habe er für Alsoufi eine eigene akademische Plattform für islamisch-christlichen Dialog schaffen wollen. Das Zentrum für Komparative Theologie sollte das Dach dieser drei Plattformen bilden.

Das Konzept überdenken

Ob dieser Plan weiterverfolgt wird, lässt Vorholt offen. «Das ist Teil der konzeptionellen Überlegungen, die ich demnächst angehen will.» Er nehme die Kritik von Alsoufi zum Anlass, das Konzept des Zentrums zu überdenken und allenfalls zu überarbeiten, ehe die Stelle neu ausgeschrieben werde. Relevant ist für ihn vor allem Alsoufis Kritik des Zusammenspiels dieser drei Kräfte. Eine Erweiterung der Kooperationspartner schliesst er nicht aus.

«Unzulässige Ausnutzung der Wissenschaft»

Kritik übt die Islamwissenschaftlerin schliesslich an Vorholts Aussage in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» (22. August), das Zentrum für Komparative Theologie wolle eine Beitrag leisten «zur politischen Debatte der Gegenwart». Den Dialog mit dem Islam auf politische Ziele zu beziehen, hält Alsoufi für «sehr problematisch», zumal von einem seriösen wissenschaftlichen Austausch «keine Rede» sei. Dies sei eine «unzulässige Ausnutzung und Instrumentalisierung der Wissenschaft der Islamischen Studien». Sie vermutet hinter dem Zögern der Universität, Islamische Theologie als vollwertiges akademisches Fach anzuerkennen, die Angst vor dem Widerstand in der Bevölkerung, wie sie gegenüber kath.ch sagte.

«Nicht im elfenbeinernen Turm bleiben»

Für Vorholt darf Wissenschaft «nicht im elfenbeinernen Turm bleiben». Gerade die Theologie müsse einen Beitrag leisten zu den Fragen der Zeit und für das Denken der Menschen. «Das entbindet sie dennoch nicht vom Auftrag der Wissenschaftlichkeit.» Angst vor Widerstand in der Bevölkerung habe er nicht, auch wenn es ihm nicht egal sei, was diese denke. Aktiven Widerstand, wie er sich etwa in Freiburg gegen das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft formiert hat, gebe es nicht. Das geplante Zentrum für Komparative Theologie sei mit Interesse aufgenommen worden.

Ihm liegt daran, die Arbeit nun zügig voranzutreiben. Für die zweite Septemberhälfte sei ein Think-Tank geplant, bei welchem die betroffenen Institutsleiter und weitere Interessierte der Universität ihre Ideen in die konzeptionellen Überlegungen einbringen könnten. Die Ausschreibung der Assistenzprofessur soll auf Oktober geschehen.

 

 

 

 

 

Studierende der Universität Luzern | © Sylvia Stam
31. August 2018 | 10:36
Lesezeit: ca. 4 Min.
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Kein Zusammenhang mit Kündigung von Martin Mark

Für Rana Alsoufi besteht kein Zusammenhang zwischen ihrer Kündigung, die bereits im März dieses Jahres erfolgt sei, und der Kündigung von Martin Mark; professor für Altes Tesament, durch die Universität Ende Juli. Die beiden Kündigungen waren kurz nacheinander publik geworden.

Es habe aber Verbindungen zwischen ihr und Mark gegeben, so Alsoufi: Mark sei in seiner Funktion als Dekan Vorsitzender der Berufungskommission für ihre Assistenzprofessur gewesen. Sie habe zudem gemeinsam mit ihm eine Lehrveranstaltung über Abraham in der Bibel und im Koran durchgeführt.  (sys)