Bischof Markus Büchel entlässt die Gläubigen in die grossen Exerzitien im Alltag
Schweiz

Die Kirche als Raupe: Start zu den grossen Exerzitien in St. Gallen

Am Otmarstag feierte Bischof Markus Büchel in der Kathedrale in St. Gallen ein Pontifikalamt. Er verglich dabei die Kirche mit einer Raupe, die sich wandelt. Die Feier war gleichzeitig der Start zu den grossen Exerzitien im Alltag – einem Projekt des Bistumsjubiläums 2022.

Vera Rüttimann

Der heilige Otmar, an welchen in diesem festlichen Gottesdienst erinnert wurde, war der erste Abt des Kloster St. Gallen. Markus Büchel, Bischof von St. Gallen, sagte in seiner Begrüssung: «Dieser Tag ist nicht nur ein Grund, dankbar zurückzuschauen auf die Geschichte dieses Bistums. Es ist auch eine Gelegenheit, uns heute zu fragen, wo wir stehen.»

Markus Büchel ging auch auf die dunklen und hellen Phasen dieser Geschichte ein und sagte: «Ich weiss nicht, ob wir uns in einem Auf oder in einem Ab befinden. Auf jeden Fall blicken wir nach vorne!»

Start des Exerzitien-Projektes

Markus Büchel erklärte in seiner Begrüssung weiter: «Ich freue mich besonders, dass wir das Fest des Heiligen Otmars mit einem Aufbruch beginnen können.» Mit einem Aufbruch in Form einer inneren Besinnung und Neuorientierung. Der St. Galler Bischof hofft, dass dieser Aufbruch auch eine «neue Freude am Glauben» weckt.

Bischof Markus Büchel
Bischof Markus Büchel

Geplant sind, so Markus Büchel, drei-wöchige Exerzitien im Alltag und das in 16 Seelsorgeeinheiten im Bistum St. Gallen. Angesagt sind in diesem Jubiläumsjahr auch grosse Exerzitien im Alltag. Sechs Monate werden sie dauern und an Pfingsten 2022 enden.

Etliche Teilnehmende, die sich nun in die Exerzitien begeben, waren auch in den Bänken zu sehen. Die Exerzitien finden an Orten wie St. Gallen, Rapperswil-Jona, aber auch in Zürich, Bern und Luzern statt. Während ihres persönlichen Gebetsweges werden sie nicht nur für sich alleine schweigen, lesen und beten, sondern sich regelmässig zum Austausch mit anderen treffen.

«Kirche ist ein Kokon»

Bischof Markus Büchel verglich den aktuellen Zustand der Kirche in seiner Predigt mit dem öffentlichen Verkehr. Man könne einsteigen, aber jederzeit auch wieder aussteigen. «Menschen entscheiden selber, ob sie nahe oder weniger nahe an der Kirche unterwegs sind», sagte er.

Markus Büchel brachte auch das Bild eines Kokons ein. Die Kirche verglich er mit einer Raupe. Die Kirche befinde sich einem Wandlungsprozess. Niemand wisse, wie sie sich dereinst präsentiere.

Pontifikalamt zu Beginn der grossen Exerzitien im Alltag
Pontifikalamt zu Beginn der grossen Exerzitien im Alltag

Markus Büchel ist jedoch überzeugt: «Ich glaube, es geht weiter mit dieser Kirche. Und es darf etwas Neues entstehen.» Vielleicht werde aus der Raupe ein wunderbarer Schmetterling. Vielleicht müsse dafür etwas sterben.

Die Hoffnung für einen Neuanfang schöpfe er aus dem Wissen, dass es Umwandlungsprozesse schon immer gegeben habe. «Deshalb bin ich gespannt, was der synodale Weg bringen wird», fügte er an. 

Auch der heilige Otmar sei ein gutes Beispiel dafür, wie ein Mensch in einem Umwälzungsprozess Akzente setzen könne. Es gebe immer wieder Menschen, die an den Aufbruch geglaubt und Zuversicht verbreitet hätten.

Vorfreude auf die Exerzitien

Im Anschluss des Gottesdiensts waren alle eingeladen zu Brot und Wein im Bischofshaus. Darunter war auch Rafaela. Die 33-jährige Dozentin bereitet sich auf die grossen Exerzitien vor. «Ich werde mir jeden Tag Zeit nehmen für die Impulse», sagte sie.

Ihren Alltag in St. Gallen werde sie normal weiterleben während dieser Exerzitienzeit. Die Herausforderung sehe sie darin, sich für Gebete, Stille und Texte immer wieder neu Zeit freizuschaufeln. «Exerzitien sind einfacher, wenn man eine Woche in einem Kloster sein kann.»

Die Impulse findet Rafaela im Begleitheft zu den grossen Exerzitien. Zusammengestellt wurden sie von Hildegard Aepli.

Hildegard Aepli.
Hildegard Aepli.

Die Leiterin der Abteilung Spiritualität und Bildung im Bistum St. Gallen ist verantwortlich für die grossen Exerzitien im Jubiläumsjahr.

Am Apéro ist auch Stefan Hunziker. Auch für den Architekten aus Othmarsingen AG sind Exerzitien nichts Neues. Mit seine Teilnahme an den grossen Exerzitien könne er seine Gottesbeziehung jedoch viel tiefer und über eine längere Zeit pflegen.

Stefan Hunziker
Stefan Hunziker

Er freue sich, sich Zeit zu nehmen für einen Bibeltext, für den er sonst im Alltagsstress kaum Zeit aufbringen würde.  «Ich freue mich auch auf die Gruppengespräche mit anderen Exerzitien-Teilnehmern aus Rapperswil-Jona», sagte er. Aus Erfahrung wisse er, «wie bereichernd und innerlich stärkend das sein kann.»

Die Treffen nennt er ein «aktives Zuhören. Keiner wird bewertet.» Über seine Erwartungen sagte der 53-Jährige: «Ich hoffe, dass ich die Erfahrungen aus den Exerzitien danach in den Arbeitsalltag einbauen kann.» 

Spirituell erneuern, Zeuge sein

Alle Teilnehmenden der Exerzitien werden sich am Pfingstmontag 2022 an einem festlichen Gottesdienst in der Kathedrale St. Gallen wiedersehen.

Einige unter ihnen dürften in den kommenden Tagen und Monate gewiss die Worte von Bischof Markus Büchel im Ohr haben, der in seiner Predigt sagte: «Ich freue mich, dass wir dieses Jubiläumsjahr gerade mit Menschen begehen dürfen, die sich spirituell-geistig erneuern wollen, um so danach in dieser Welt gestärkt Zeugen zu sein für die Zukunft der Kirche.»


Bischof Markus Büchel entlässt die Gläubigen in die grossen Exerzitien im Alltag | © Vera Rüttimann
17. November 2021 | 17:41
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