Chinas Untergrundkirchen müssen sich vor der Polizei verstecken.
International

Chinas Katholiken leiden unter Kommunismus

Hongkong, 15.9.17 (kath.ch) Kirchen in China haben es schwer. Gläubige treffen sich im Hintergrund, in sogenannten Untergrundkirchen. Der Vatikan kann nicht viel tun.

An der Tür zum Apartment, in dem sich regelmässig eine Hauskirche in Zhuhai in der südchinesischen Provinz Guangdong trifft, hing bis vor kurzem noch ein Kreuz und der Name der Kirche. Dann wurden die Türschilder entfernt und dort, wo früher Stuhlreihen standen, befindet sich nun eine Couch. «Wir versuchen, mehr wie eine Familie auszusehen, die sich zu einem Gespräch und einer Tasse Tee trifft, so dass uns niemand bei der Polizei meldet», erzählt der 22 Jahre alte Enoch, der Mitglied in der Untergrundkirche ist.

Die Kirchen in China werden vorsichtig. Zwar gab es in dem kommunistisch-atheistischen Land nie echte Religionsfreiheit – selbst wenn diese in der Verfassung garantiert wird. Offiziell erlaubt sind nur die Staatskirchen, deren Oberhaupt das Regime in Peking ist. Weil das viele Christen ablehnen, haben sie sich zu Untergrundgemeinden zusammengeschlossen. Die werden schon immer drangsaliert, ihre Priester und Bischöfe unter Druck gesetzt und immer wieder inhaftiert.

100 Millionen chinesische Christen

Doch in dem Masse, wie sich das Land in den vergangenen drei Jahrzehnten wirtschaftlich öffnete, entstanden auch Freiräume für die sich entwickelnde Zivilgesellschaft. Auch viele der tausenden Hauskirchen blieben weitgehend unbehelligt. Inzwischen bekennen sich laut Schätzungen 100 Millionen Chinesen zum Christentum, die Mehrheit geht in Kirchen, die nicht offiziell registriert sind.

Mit Xi Jinping, der Ende 2012 Chinas Präsident wurde, endete jedoch die Phase der Liberalisierung und Offenheit. Seitdem wird das Leben wieder kontrolliert, werden die Grenzen des Erlaubten enger gesteckt, wird die Gefolgschaft der Gesellschaft zum Kommunismus eingefordert.

Voranschreitende Zensur

Zahlreiche Blogger, Menschenrechtsaktivisten und Anwälte wurden inhaftiert und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, vor allem der ausländischen, massiv eingeschränkt; um das Internet werden immer höhere Wälle gebaut. Noch nutzen Millionen Chinesen und Ausländer, die in China arbeiten, sogenannte VPN-Tunnel, um die Sperren der staatlichen Zensur zu umgehen; ab dem kommenden Jahr sollen diese verboten werden.

Kreuze werden von Kirchendächern gerissen.

Auch die Kirchen trifft die harte Hand aus Peking: Sie sollen sich «sinisieren», chinesisch werden. Neuerdings dürfen Kinder keine Gottesdienste mehr besuchen, in den Gemeinderäumen werden Kameras installiert, damit die lokalen Behörden die Gläubigen beobachten können.

Kreuze werden von Kirchendächern gerissen, Gebäude demoliert, Bischöfe wie etwa Peter Shao von der Untergrundkirche in Wenzhou verschwinden. In wenigen Monaten tritt ausserdem das überarbeitete Religionsgesetz in Kraft, das noch stärkere Kontrollen von Geistlichen vorsieht. Das Gleiche gilt für religiöse Materialien aus dem Ausland, Internetseiten und die Jugendarbeit.

Untegrundkirche fühlte sich vom Vatikan verraten.

«In der Vergangenheit haben die Funktionäre ein Auge zugedrückt, nun aber werden die Kirchen streng überwacht, selbst banalste Dinge gehen nicht mehr einfach so durch», sagt Anthony Lam Sui-ki vom Holy Spirit Study Center in Hongkong. Die aktuelle Entwicklung sei sehr beunruhigend. Welche Rolle der Vatikan dabei spielt, ist unklar. Im vergangenen Jahr nahm Rom plötzlich – nach mehr als 60 Jahren Eiszeit – Gespräche mit Peking auf. Die Untergrundkirche zeigte sich entsetzt, sie fühlte sich verraten.

Schicksale chinesicher Bischöfe

Nur wenige Monate nach Beginn der Verhandlungen war von einer bald bevorstehenden Einigung zwischen Peking und Rom die Rede, dann war nichts mehr zu hören – bis jetzt ein Dossier erschien, herausgegeben von der Vatikanischen Verlagsbuchhandlung, das die Schicksale sämtlicher chinesischer Bischöfe dokumentiert; Bischöfe, die unter Hausarrest stehen, die im Gefängnis sind, die nach Jahrzehnten von Zwangsarbeit und Isolation gestorben waren.

Rom nimmt Chinas Katholiken wahr

Kirchenexperten aus China, die ihren Namen nicht nennen wollen, sehen die Dokumentation als Warnung und auch Eingeständnis seitens des Vatikan, dass es eine Annäherung wohl doch so schnell nicht geben wird. «Es ist ausserdem ein Zeichen an die Untergrundkirche, dass ihr Leiden in Rom durchaus wahrgenommen und beachtet wird.» (kna)

 

Chinas Untergrundkirchen müssen sich vor der Polizei verstecken. | © pixabay.com CC0
15. September 2017 | 15:37
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Kathlische Kirche in China

Geschätzte rund 13 Millionen von etwa 1,3 Milliarden Einwohnern der Volksrepublik China sind Katholiken; die Behörden verzeichnen jedoch lediglich 6 Millionen. Als kleine Minderheit haben die Katholiken mit rund 100 Diözesen dennoch landesweit funktionierende Kirchenstrukturen. Eine grosse Besonderheit des chinesischen Katholizismus ist die Teilung in zwei Gruppierungen: Neben einer regimenahen und staatlich zugelassenen «Patriotischen Vereinigung» gibt es die sogenannte Untergrundkirche in Gemeinschaft mit dem Papst.

Untergrund-Katholiken

Die «patriotischen Christen» können seit 1957 beziehungsweise wieder seit Ende der chinesischen «Kulturrevolution» (1966-1976) mit staatlicher Erlaubnis aktiv sein. Gegen die Mitglieder der «Untergrundkirche» kommt es dagegen regelmässig zu staatlichen Sanktionen. Immer wieder werden Priester und Bischöfe verhaftet oder verhört. Die «Untergrund-Katholiken» erhalten keine Erlaubnis zum Bau von Kirchen.

Peking umgeht Vatikan

In der Praxis ist die scharfe Grenzziehung zwischen den beiden Gruppierungen in den vergangenen Jahren allmählich verschwommen. Bis auf wenige Ausnahmen waren bis zu einer unerlaubten Bischofsweihe im November 2010 auch die meisten patriotischen Bischöfe vom Vatikan anerkannt. Allerdings setzte Pekings zuletzt wieder Bischofsweihen ohne Zustimmung des Vatikan an, was Beobachter als ernsthafte Gefährdung des Erreichten werten.

Seit der kommunistischen Machtübernahme in Peking 1949 gibt es keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl. Eine Kernfrage ist die chinesische Forderung, Rom müsse zuerst seine Kontakte zu Taiwan abbrechen. Der Vatikan hat verschiedentlich Angebote formuliert, um die Beziehungen zu verbessern. Papst Benedikt XVI. (2005-2013) wandte sich 2007 mit einem Brief an die chinesischen Katholiken, in dem er aber auch auf die Regierung zuging.